Lebenslang im Prozess um Gasexplosion

Weil er vorsätzlich eine Gasexplosion ausgelöst haben soll, ist am Wiener Straflandesgericht ein 56-jähriger Mann nicht rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er war wegen Mordes und 23-fachen Mordversuchs angeklagt.

Die Explosion sei ein „Akt der Selbstjustiz“ gewesen, sagte Richterin Andrea Wolfrum. Die Geschworenen verurteilten den Beschuldigten einstimmig wegen Mordes, 23-fachen Mordversuchs, Brandstiftung sowie gefährlicher Drohung. Zudem wurde er in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Der 56-Jährige meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

Angeklagter in Mordprozess nach Explosion in Hernals

APA/Herbert Neubauer

Am ersten Prozesstag plädierte der 56-Jährige auf nicht schuldig

„Ichbezogene Haltung“ bei Angeklagtem

Der Angeklagte habe eine „äußerst ichbezogene Haltung“ gezeigt und sich in die Opferrolle manövriert, sagte die Richterin Wolfrum in ihrer Urteilsbegründung. Er habe durch die Explosion das Leben und das Vermögen der Hausbewohner gefährdet. Auch habe der Beschuldigte „eine Gleichgültigkeit an den Tag gelegt“, als die Opfer ausgesagt haben. Somit sei mit der Höchststrafe vorzugehen. Den Privatbeteiligten wurde Schmerzengeld in der Höhe von mehr als 315.500 Euro zugesprochen.

Bei der inkriminierten Tat hat es sich laut Staatsanwaltschaft um einen „Racheakt“ gehandelt. Der Hausverwalter - ein Rechtsanwalt, der unter anderem auf die Verwaltung von Zinshäusern spezialisiert war und der das Objekt in der Hernalser Hauptstraße 210 betreute - hatte die Delogierung des 56-Jährigen betrieben, weil dieser seit Längerem keine Miete mehr bezahlt und nicht auf Mahnschreiben reagiert hatte. Auch Strom- und Gasrechnungen blieben offen.

Florian Sekira (ORF) vor dem Landesgericht

ORF-Reporter Florian Sekira berichtet über das Ende des Prozesses um die Gasexplosion von Hernals.

Mithäftling belastete Angeklagten schwer

Schwer belastet wurde der Angeklagte am letzten Verhandlungstag von einem 39-jährigen Mithäftling. Ihm habe der 56-Jährige gestanden, dass er, als es an seiner Tür klopfte, den Gashahn in der Küche aufgedreht habe und ins Wohnzimmer gegangen sei. „Er sagte: ‚Und dann hab ich sie hochgejagt‘“, berichtete der 39-Jährige. Der 56-Jährige habe es „aus Zorn“ getan, weil er „sich verarscht gefühlt“ habe, da er trotz Zahlungen delogiert hätte werden sollen. Bei der Aussage ging ein Raunen durch den Zuschauerraum im Gerichtssaal.

Zudem soll der Angeklagte Drohungen gegenüber der Staatsanwältin, einem weiteren Häftling sowie einem Justizwachebeamten ausgesprochen haben. Die Worte an den Beamten, mit ihm „draußen ein ernstes Wörtchen zu reden, ansonsten schicke ich meinen Bruder“, brachten dem 56-Jährigen nun die Verurteilung wegen gefährlicher Drohung.

Gutachten: Zur Tat zurechnungsfähig

Gerichtspsychiater Karl Dantendorfer beschrieb den Angeklagten in seinem Gutachten als verhaltensauffälligen Mann. Dieser soll eine kombinierte Persönlichkeitsstörung aufweisen. Er würde auf die Welt „paranoid reagieren“ und weise eine übertriebene Empfindlichkeit auf. Die Diskretionsfähigkeit sei „noch erhalten“, die Dispositionsfähigkeit „herabgemindert“, so der Sachverständige. Zum Tatzeitpunkt war laut Dantendorfer aber Zurechnungsfähigkeit und damit Schuldfähigkeit gegeben.

Soll Gas ausströmen haben lassen

Für den 26. Jänner 2017 war die Delogierung angesetzt. Nachdem der Betroffene vom Termin erfahren hatte, erzählte er davon am Vorabend seinem Cousin und seiner Mutter. In den folgenden Stunden soll in ihm laut Staatsanwaltschaft der Entschluss gereift sein, seine Wohnung in die Luft zu jagen.

Um 7.30 Uhr erschienen der Hausverwalter, dessen Ehefrau, ein Gerichtsvollzieher, ein Schlosser und mehrere Arbeiter, die die Wohnung räumen sollten. Als der Schlosser die Tür aufbohrte, weil das Klopfen unbeantwortet geblieben war, kam es zu einer Explosion. Der Mieter dürfte ein Gas-Luft-Gemisch entzündet haben, das sich in seiner Einzimmerwohnung gebildet hatte. Der Mann soll in den Nacht- oder frühen Morgenstunden den Gaszähler demontiert, das Gasleitungsventil aufgedreht und so Gas ausströmen haben lassen.

Hausverwalter überlebte nicht

Die Wucht der Detonation hob die Wohnungstür aus den Angeln, die den davor befindlichen Personen um die Ohren flog. Der 64 Jahre alte Hausverwalter überlebte das nicht, der Gerichtsvollzieher und der Schlosser wurden schwer verletzt. Zudem stürzten mehrere Trennwände ein - ein wenige Tage altes Baby in einer Nachbarwohnung kam zum Glück glimpflich davon. Auch der Angeklagte selbst erlitt schwere Verletzungen.

Der 56-Jährige hatte nach seiner Festnahme versichert, keine mörderischen Absichten verfolgt zu haben. Er behauptete, er habe eine lecke Gasleitung, die ihm seiner Darstellung zufolge schon seit Monaten zu schaffen machte, abdichten wollen. Dabei sei ihm unabsichtlich das Unglück passiert.

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