RH-Rohbericht: Weiter Wirbel um KH-Nord

Aufregung gibt es erneut um das Krankenhaus Nord. Der Rohbericht des Rechnungshofs ist nun an die Rathausfraktionen ergangen. Die Opposition sieht sich in ihrer Kritik bestätigt. Denn der Rechnungshof (RH) kritisiert die Kostenexplosion.

Kritisiert werden unter anderem die fehlende Bauherrenrolle des Krankenanstaltenverbunds (KAV), dessen mangelndes Know-how und Fehlentscheidungen, die Konflikte und Störungen „wesentlich begünstigt“ hätten. So habe der KAV als Bauherr keine „stabile, durchgängige Projektorganisation“ gewährleisten können, da ihm Ressourcen zur Wahrnehmung der Bauherrenrolle fehlten und er zunehmend Leistungen auslagerte.

„Da dem KAV ausreichendes internes Know-how fehlte, konnte er das Projekt Bauausführung nicht innerhalb der Kosten- und Terminvorgaben abwickeln“, heißt es in dem Rohbericht. Da der KAV Leistungen vergeben habe, die auf einer nicht ausschreibungsreifen Planung basierten, sei es bei mehreren Gewerken zu „erheblichen Kostenabweichungen zwischen Ausschreibung und Prognose“ gekommen.

Fehlentscheidungen bereits zu Beginn

Fehlentscheidungen seien bereits zu Beginn getroffen worden: So wird kritisiert, dass der KAV 2006 beabsichtigte, alle Leistungen - von der Grundstücksbereitstellung bis zu Finanzierung, Planung, Errichtung und Betrieb - als Public-Private-Partnership-Modell an einen Totalunternehmer zu vergeben. Der KAV habe mit dieser Verknüpfung den Wettbewerb erheblich eingeschränkt", heißt es in dem Bericht.

Im April 2010 widerrief der KAV das Verhandlungsverfahren für das PPP-Modell. Da er von der Ausschreibung bis zum Widerruf drei Jahre und elf Monate benötigte, habe sich der Projektablauf erheblich verzögert. Der Preis, den der KAV letztendlich für das Grundstück zahlte, sei mit rund 292 Euro pro Quadratmeter „am oberen Ende einer vom RH ermittelten Bandbreite“ von 228 bis 295 Euro pro Quadratmeter gelegen.

Mit der neuen Vergabestrategie, mit der der KAV den Wettbewerb stärken wollte, seien einige Risiken einhergegangen, die er in der Projektsteuerung nicht entsprechend abgebildet habe. Viele dieser Risiken wurden schlagend und trugen zu den gesamten im Projektablauf entstandenen Mehrkosten von rund 203,93 Mio. Euro bei, „was den möglichen Vergabeerfolg von der neuen Vergabestrategie (rund 68,35 Mio. Euro) erheblich übertraf“.

Knapp 200.000 Euro Kopierkosten

Zu den Schwächen bei der Projektorganisation zählte etwa auch, dass der Beginn des Innenausbaus vor der Herstellung der Gebäudedichtheit geplant war. Aber auch Kritik an den Kopierkosten fand Eingang in den Bericht: Die Dokumentation der Auftragsvergaben erfolgte in einem „internetbasierten Projektraum“. Allerdings habe der KAV die Dokumente zusätzlich um 197.000 Euro kopieren und in Buchform binden lassen, woraus „kein Mehrwert für den KAV“ entstanden sei, kritisiert der RH.

Wie bereits bekannt wurde, werden die im Jahr 2010 geplanten Kosten von 1,017 Mrd. Euro für die Errichtung des Krankenhauses voraussichtlich um zumindest 272 Mio. Euro überschritten werden, im schlechtesten Fall sogar um rund 388 Mio. Euro - mehr dazu in KH Nord: Von 605 Millionen auf 1,1 Milliarden.

Jährlich Potenzial an 30 Mio. Euro entgangen

Auch dass der Zeitplan für die Eröffnung nicht eingehalten werden konnte, bemängelt der Rechnungshof. Statt wie ursprünglich geplant 2016 soll das Krankenhaus erst im September 2019 in den Vollbetrieb gehen, kündigte KAV-Direktor Herwig Wetzlinger Ende des vergangenen Jahres an - mehr dazu in Krankenhaus Nord soll 2019 öffnen.

Der KAV habe mit seinen Entscheidungen die Konflikte und Störungen teilweise wesentlich begünstigt, stellt der RH fest. Dadurch sei ihm jährlich ein Potenzial von rund 30 Mio. Euro an Kosteneinsparungen und Mehreinnahmen entgangen, da sich die Zusammenlegung der Krankenanstalten und die vereinfachte Betriebsführung verzögerten.

Die Stadt hatte bereits in einer Pressekonferenz Ende des Jahres auf die damals publik gewordenen Kritikpunkte reagiert und unter anderem eine Stärkung der Bauherrenrolle angekündigt. Der Rohbericht wird nächste Woche im Stadtsenat behandelt, wo die Stellungnahme des Gesundheitsressorts und des KAV zu den Kritikpunkten formal beschlossen werden muss. Deshalb erging der Bericht samt Stellungnahme an alle Rathausfraktionen. Die Erwiderungen der Stadt müssen dann noch in den RH-Endbericht eingearbeitet werden, erst dann wird er offiziell veröffentlicht.

FPÖ fordert Ablöse der Gesundheitsstadträtin

Der nun vollständig vorliegende Rohbericht erzürnt die Rathausopposition. FPÖ, ÖVP und NEOS kritisierten in Aussendungen die Stadtregierung. Die Freiheitlichen kündigten erneut die Einsetzung einer Untersuchungskommission an und forderten als „erste Mindestkonsequenz“ die sofortige Ablöse von Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Die Sache müsse „aufgrund der Schwere der Vorwürfe nicht nur politische, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen“, forderte FPÖ-Vizebürgermeister Dominik Nepp.

Die ÖVP plädiert für die rasche Einsetzung einer Untersuchungskommission. In einer Pressekonferenz am Montag will die Volkspartei eine Liste präsentieren, wen sie sich als Zeugen wünscht. Auch NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger sieht nun SPÖ-Chef Michael Ludwig am Zug. „Mit dem Krankenhaus Nord hat sich die Gesundheits- und Baupolitik der Wiener SPÖ ein zweifelhaftes Denkmal geschaffen.“

Zur Verteidigung der Gesundheitsstadträtin rückte SPÖ-Klubobmann Christian Oxonitsch aus. „Bereits im November hat Sandra Frauenberger mit Herwig Wetzlinger einen erfahrenen Krankenhausbauer in die interimistische KAV-Führung geholt, um Wiens größten Krankenhausneubau zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Zudem gibt es speziell für diese kritische und wichtige Phase des Projektes, nämlich die Inbetriebnahmephase, einige Neuerungen wie die Stärkung der Bauherrenrolle mit der Einrichtung eines neuen mit ExpertInnen besetzten Lenkungsausschusses und eine enge Kooperation mit dem AKH und der MedUni Wien.“

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