Kleine Tankstellen verschwinden

Arkadentankstellen unter Wohnhäusern sind etwas typisch Wienerisches. Allerdings verschwinden sie aus dem Stadtbild: Die Auflagen für die Betriebe sind hoch, der Benzinpreis dagegen zu niedrig.

Der 87-jährige Kurt Weber ist Besitzer der Apollo-Garage in Wien-Neubau, eine der letzten Wiener Hinterhof-Tankstellen. „Als Kind habe ich am Parkdeck mit Freunden gespielt. Übernommen habe ich die Garage im April 1945, da war hier Kampfzone“, berichtet Weber. Treibstoff war damals rar. Tankberechtigte, zum Beispiel Mediziner, benötigten eine Punktekarte wie bei Lebensmitteln.

Das Hauptgeschäft macht der Fünf-Mann-Betrieb mittlerweile nicht mehr mit Tanken, sondern der Vermietung von 160 Parkplätzen. „Benzinverkauf allein ist fast ein Verlustgeschäft. Viele fahren hier rein zum Parken, lassen das Auto im Hof stehen und sagen: ‚Bis um elf Uhr komme ich wieder, tanken Sie mir es bitte voll bis dahin‘“, so Weber.

Tanken, um Sehen und Gesehen zu werden

Aus Platzgründen hat die Stadt Wien in den 70er Jahren Tankstellen in Wohnhäuser hineingepfercht. Andere stehen wiederum an prominenten Orten, wie vor dem Schloss Schönbrunn oder am Schwarzenbergplatz.

Der Architekturfotograf Stefan Oláh hat 26 Wiener Tankstellen vor acht Jahren in einem Bildband festgehalten: „Tanken war früher ein repräsentativer Akt. Man hat sich schön angezogen und hat das zelebriert. Ich vermute, dass das der Grund war, warum die ersten Tankstellen an berühmten Orten wie dem Schwarzenbergplatz oder vis-a-vis vom Schloss Schönbrunn positioniert worden sind.“ Über die Situation heute sagt Oláh: „Tankstellen, die auch Stellplätze vermieten und Reparaturen anbieten, tun sich leichter, zu überleben.“

Kleine Tankstellen verschwinden

Wien Heute

Mineralölkonzerne springen ein

Viele der einst familiengeführten Tankstellen sind in den vergangenen zwanzig Jahren von Mineralölkonzernen übernommen worden. Andere haben ganz zugesperrt, wie etwa die Tankstelle gegenüber dem Burgtheater oder jene hinter dem Wiener Parlament.

Andreas Weltler, der seit dreißig Jahren die Johanna-Tankstelle in Wien-Margareten führt, kennt einen der Gründe: „Von 1997 bis 2000 gab es neue Umweltauflagen für Tankstellen. In dieser Zeit hat man überlegt, ob man die Tankstelle schließt oder weiterführt. Viele kleine Tankstellen haben es nicht notwendig empfunden, weiter zu investieren.“

TV-Hinweis

„Wien heute“, 2.4.2018, 19.00 Uhr, ORF2 und danach online unter tvthek.ORF.at.

In der Arkadentankstelle der Johanna-Garage fließt der Treibstoff untertags fast noch ununterbrochen. Parken um zehn Cent weniger als woanders spricht sich auch bei Ortsunkundigen herum. Andreas Weltler: "Wir bedienen die Leute direkt, das heißt, es muss keiner aussteigen. Es sind ältere Damen, ältere Herren aber auch sehr junge Leute, die unser Service schätzen.

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Wien Heute

EU-Vorschrift: Bunte Zapfsäulen ab Herbst

Die Lage der Arkadentankstellen, direkt unterm Wohnblock, bringt aber so manche Herausforderung mit sich: „Man sollte schauen, dass wenig Lärm entwickelt wird und wenig Geruchsemissionen. Außerdem braucht es Öffnungszeiten, die anrainerfreundlich sind“, erzählt der Chef der Johanna-Tankstelle.

In Zukunft werden die Anforderungen für kleine und große Tankstellenbetreiber noch weiter zunehmen: Ab Herbst müssen die Zapfsäulen laut EU-Vorschrift farbig bemalt sein, um Benzin und Diesel besser unterscheiden zu können. Vielen wird das Geschäft zu bunt. Herr Weber will sich aber nicht so bald zur Ruhe setzen.

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