Tausende Deutschdiplome gefälscht

Die Wiener Polizei hat nach jahrelangen Ermittlungen ein internationales Fälschernetzwerk ausgehoben. Es fälschte Deutschdiplome und ermöglichte so Tausenden Menschen, eine Aufenthaltsgenehmigung für Österreich zu erhalten.

Eine Frau besitzt ein Sprachzertifikat, das ihr Deutschkenntnisse auf Maturaniveau bescheinigt. Doch ein Text auf Basis eines Diktats für Drittklässler, von der Frau geschrieben, ist nicht zu entziffern. Es ist nur ein Beispiel von Tausenden Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen, die für ein gefälschtes oder verfälschtes Zeugnis bis zu 2.700 Euro gezahlt haben, bevor sie schlussendlich bei der Wiener Polizei landeten.

Deutsch-Prüfungszeugnis

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Zeugnisse verschiedenster Institute wurden gefälscht

An die 8.000 Anzeigen wurden erstattet und an die 3.000 Abnehmer gefunden. Zehn überwiegend in Ostösterreich, aber auch in Bosnien und Deutschland agierende Tätergruppen wurden ermittelt und 25 Haupttäter ausgeforscht, gab die Polizei am Freitag bekannt.

Prüfer, Anwalt, Fälscher, Vermittler

Zu den mutmaßlichen Tätern gehören Betreiber nicht lizenzierter Sprachinstitute, Prüfer, die gegen Entgelt nicht nur beide Augen zudrückten, sondern sich offenbar auch die Ohren zuhielten, ein Rechtsanwalt, Zeugnisfälscher und Vermittler solcher illegaler Dienstleistungen.

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Grafik der Polizei zeigt die Vernetzung

33 Menschen wurden festgenommen und teilweise bereits verurteilt. Die bisher letzten Festnahmen erfolgten in der ersten März-Hälfte im Bezirk Wien-Umgebung, wo eine Österreicherin ohne Genehmigung eine Sprachschule betrieb und nach bisherigen Erkenntnissen in rund fünf Jahren 300.000 Euro einnahm. Die Frau befindet sich in Wien in U-Haft.

„Kleine Schlepperei“ und Sozialbetrug

Die Gerichtsverfahren gegen die Abnehmer der Zertifikate seien zu 99,9 Prozent diversionell erledigt wurden, berichteten die Ermittler. Bei den Betroffenen handelt es um Menschen vorwiegend aus dem serbokroatischen Raum und aus Albanien, die zum größten Teil in Österreich ihren Lebensunterhalt verdienen wollten, auch wenn es an der Ausbildung womöglich ein bisschen oder auch sehr stark haperte.

Sendungshinweis

„Wien heute“, 30.3.2018, 19.00 Uhr, ORF2

Die Dienstleistung, die sie in Anspruch nahmen, wird im Polizeijargon als „kleine Schlepperei“ bezeichnet. Menschen wird nicht für den Grenzübertritt viel Geld abgeknöpft, sondern dafür, dass sie bleiben dürfen. Rund die Hälfte der 8.000 Anzeigen betrifft diese „kleine Schlepperei“. Da ein Aufenthalt in Österreich mit Sozialleistungen verbunden ist, wird gegen die Käufer der Sprachdiplome auch bezüglich Sozialbetrugs ermittelt, etwa wegen zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe oder Leistungen aus dem Gesundheitssystem.

Mittlerweile Kontrollen verbessert

Manche der vermeintlichen Urkunden waren billige Kopien, andere so perfekt nachgemacht, dass sie besser als die Originale waren. Mehr als 500 Totalfälschungen wurden sichergestellt. Dass die Werber von Aufenthaltstiteln damit durchkamen, lag nach Angaben der seit Herbst 2015 ermittelnden Polizeibeamten an lange Zeit mangelnden Kontrollen durch die zuständigen Behörden.

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Der Fälschung von Sprachzertifikaten sollte mittlerweile ein Riegel vorgeschoben sein. Nicht allein dadurch, dass nach Angaben der Ermittler ein Großteil der Täter identifiziert wurde - die Zeugnisse weisen neue Sicherheitsmerkmale wie eine Durchnummerierung auf, und die Mitarbeiter der Behörden, denen sie vorgelegt werden, wurden geschult, was das Erkennen von Fälschungen betrifft.