Prozess: „Gier nach Elfenbein“

Ein 67-Jähriger steht in Wien wegen Elfenbeinschmuggels vor Gericht. Bei ihm wurden 88 Elefantenstoßzähne entdeckt. Der Verteidiger sprach von einem „chronischen Sammler“, der Staatsanwalt von einem „Verbrechen an der Natur“.

Staatsanwalt Bernhard Mascha unterstellte dem Angeklagten „Gier“ nach Elfenbein. Bei dem Fund handle es sich um den europaweit zweitgrößten Aufgriff der kostbaren, inzwischen geschützten Substanz überhaupt, die von den Stoßzähnen von getöteten Elefanten gewonnen wird. Der 67-Jährige habe sich seine Sammlung zwischen 2012 und 2016 zugelegt und damit zu einem „wahren Verbrechen an der Natur“ beigetragen, wie der Staatsanwalt betonte, der sich in der Verhandlung als Artenschutz-Verfechter und profunder Kenner der Materie erwies.

Die Anklage wirft dem Wiener einen Verstoß gegen das Artenhandelsgesetz vor. Denn seit 1989 ist der Handel mit Elfenbein international verboten. Im November 2016 fand die Polizei in zwei Wohnungen in Wien-Josefstadt rund 90 Stoßzähne von Elefanten. Sie wogen insgesamt 564 Kilogramm. Damit soll es der bisher größte Fund von geschmuggeltem Elfenbein in Österreich gewesen sein und einer der größten Funde bisher in der EU - mehr dazu in 90 Elefantenstoßzähne entdeckt.

Angeklagte hat laut Staatsanwalt „Blut an Händen“

110. 000 Tiere seien zwischen 2007 und 2015 getötet worden, um die Nachfrage nach dem seltenen Elfenbein befriedigen zu können, gab der Staatsanwalt zu bedenken: „Das entspricht 20 Prozent der gesamten Population.“ Sammler wie der Angeklagte wären „die Ursache für derartige Barbarei. Menschen wie der Angeklagte halten das Blut dieser Tiere an den Händen“, stellte Mascha fest, der seine Ausführungen mit einer Powerpoint-Präsentation illustrierte.

Sichergestellte Stoßzähne

APA/BMF/Bernhard Hradil

Teile des sichergestellten Elfenbeins

„Dass er ein chronischer Sammler ist, darüber brauchen wir nicht diskutieren“, räumte Verteidiger Peter Philipp ein. Sein Mandant besitze sein Elfenbein aber bereits seit fast 40 Jahren, damit vor Inkrafttreten des Artenschutzübereinkommens und somit legal.

Im Jahr 1979 will der 67-Jährige die Sammlung von einem mittlerweile verstorbenen Ägypter übernommen haben. Dieser sei spielsüchtig gewesen, berichtete der Angeklagte. Er hätte dem Mann, einem guten Freund der Familie, einen stattlichen Geldbetrag geliehen und dafür später das Elfenbein erhalten. „Ich schau das sehr gern an“, vertraute der 67-Jährige Richterin Martina Spreitzer-Kropiunik an. Seine Wohnung habe er sogar mit einer Spezialtür gesichert, um allfällige Eindringlinge abzuwehren.

Verteidiger: „Stoßzähne stammen von Walrössern“

Der Angeklagte und sein Verteidiger wollen in der mehrtägigen Verhandlung beweisen, dass es sich bei dem Elfenbein entgegen der Anklage nicht ausschließlich um Stoßzähne von Afrikanischen Elefanten handelt. Zumindest zu einem Drittel würden die Zähne von Walrössern oder Buschelefanten stammen. „Buschelefanten?“, wunderte sich der Staatsanwalt, „Buschelefanten? Es darf bezweifelt werden, dass es diese Spezies überhaupt gibt.“

Dem 67-Jährigen drohen zwei Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Ein Urteil in dem Prozess wird für den zweiten Verhandlungstag in der kommenden Wochen erwartet.

Gerichtssaal

ORF

Ein Urteil im Elfenbein-Prozess wird für nächste Woche erwartet

WWF: Wilderei hat dramatische Folgen

„Dieser Fund in Österreich zeigt das verheerende Ausmaß der Wilderei auf eines der eindrucksvollsten Lebewesen der Erde und macht zugleich deutlich, dass der illegale Elfenbeinhandel ein globales Problem ist“, sagte Georg Scattolin, Artenschutzexperte beim WWF Österreich. Geld fließe in organisiertes Verbrechen, finanziere Terroristen in Afrika und verleite immer mehr Menschen zur Wilderei.

Meistens landen die Stoßzähne in China und Vietnam, wo Elfenbein als Statussymbol gilt. In Afrika werden mittlerweile mehr Elefanten für ihr Elfenbein getötet als neu geboren. Geht das sinnlose Töten in dieser Geschwindigkeit weiter, könnten laut WWF Elefanten in freier Wildbahn in 15 Jahren ausgestorben sein.

Sichergestellte Stoßzähne

APA/BMF/Bernhard Hradil

Die rund 90 Stoßzähne von Elefanten im Depot des Finanzministeriums

Österreich offenbar Schmuggeltransitland

Der illegale Handel und Schmuggel mit Elfenbein wird laut WWF durch unzureichend regulierte nationale Märkte in China und Vietnam sowie durch Korruption und schlechte Kontrollen in Herkunfts- und Durchgangsstaaten wie Kenia und Tansania angetrieben. Der Fund zeige, dass Österreich wohl auch Transitland sein dürfte. Der WWF begrüßt es daher, „dass dieses Thema durch die Gerichtsverhandlung in Wien die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient“, sagte Scattolin.

Astronomische Preise

Der weltweite Umsatz mit dem illegalen Verkauf von Wildarten liegt Schätzungen zufolge bei bis zu 23 Milliarden US-Dollar jährlich.

Im Vorjahr gab es zahlreiche Aufgriffe illegal gehandelter Arten durch die österreichischen Zollbeamten auf dem Wiener Flughafen. Medienberichten zufolge wurden 2017 in 89 Fällen Verstöße gegen den Artenschutz geahndet. Neben Trophäen exotischer Tiere - darunter ein Nilkrokodil und ein Schwarzbärenschädel - wurden auch ein lebender Papagei und 27 lebende Reptilien, darunter eine hochgiftige schwarze Mamba, entdeckt.

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