Hype: „Goldene Zeiten“ für Vintage-Mode

Vintage-Mode erlebt in Wien derzeit einen wahrnehmbaren Hype. Das behaupten zumindest die Geschäftsführer diverser Vintage-Geschäfte. Wo sie sich uneins sind: wie alt Mode sein muss, um als Vintage bezeichnet werden zu dürfen.

Mode ist wie Wein: Sie hat schlechte und gute Jahrgänge erlebt. Deshalb bedeutet der ursprünglich französische Begriff „vintage“ auch nichts anderes als „erlesener Jahrgang“. Die USA haben ihn für ihre Mode beansprucht und etwas umgedeutet. Mittlerweile wurde er wohl verwässert - was vor allem bei guten Weinen auffällt. Fest steht: Es gibt einen Hype um Vintage-Mode in Wien. Das haben Interviews mit Geschäftsbetreibern gezeigt. Unterschiede gibt es bei der Frage: Was ist nun eigentlich Vintage-Mode?

Kultgeschäft: „Vintage endet in 90ern“

„Vintage können nur Modestücke sein, die vor und teilweise noch während den 90ern produziert wurden. Alles, was danach kam, ist eine Mixtur aus unterschiedlichen Epochen“, meint Ingrid Raab. Sie betreibt Flo Vintage, das wohl kultigste und bekannteste Vintage-Modegeschäft Wiens. Karl Lagerfeld, Kate Moss, Helmut Lang: Die bekanntesten Designer der Welt besuchen Flo Vintage regelmäßig, in der Hoffnung auf Inspiration.

Heuer feiert der Laden in der Schleifmühlgasse Jubiläum: In 40 Geschäftsjahren haben sich über 5.000 Kleidungsstücke angehäuft, die ältesten aus dem Jahr 1880. Beliebt seien momentan Stücke aus den 20ern und 30ern, meint Raab: „Den Trend gibt es seit der Gatsby-Neuverfilmung.“ Sie hebt die Qualität des alten Materials hervor. „Den Unterschied fühlt man.“ Der erste chemische Stoff in der Kleidung sei Nylon gewesen, das in den 50ern aufkam: „Sehr dehnbar, daraus bestanden ja auch die Seile der Fallschirme“, so Raab.

Vintage-Mode

ORF

Dieses seltene Kleidungsstück gehört zu den „Schätzen“ im Flo Vintage

Kundschaft: international, weiblich, etwas älter

Insgesamt sind aber alle Epochen gefragt: Kleider mit kleinen Schulterpolstern aus den 40ern (in Anlehnung an Militäruniformen), weite Röcke aus den 50ern, Hippie-Gewänder aus den 60ern und 70ern, Kleider mit enormen Schulterpolstern aus den 80ern. Ein hundert Jahre altes Kleid kostet 800 bis 1.800 Euro. Der Fokus liegt auf Damen-Kleidung: „Bei den Männern hat sich modisch nie viel getan.“

Dementsprechend weiblich sind die Besucher im Flo Vintage. „Unsere Zielgruppe sind am ehesten Frauen zwischen 25 und 60 Jahren, obwohl auch zunehmend jüngere Damen vorbeischauen“, meint Raab. 70 Prozent der Kunden kommen aus dem Ausland. Die Preise in Vintage-Hochburgen wie Paris seien „viermal so hoch, wie bei uns. Also teuer sind wir bestimmt nicht, auch wenn es bei manchen Stücken so erscheinen mag. Wenn Sie sich heute ein Kleid handnähen lassen, kostet das 7.000 Euro.“

Vintage-Mode

ORF

Flo Vintage habe zunehmend auch jüngere Kundinnen, sagt Ingrid Raab

Vintage „kann auch moderner sein“

Die Bootik 54 verkauft nach Eigendefinition auch Vintage-Mode: „Der Hype ist definitiv da, vor allem was die 80er und 90er betrifft. Wir erleben eine goldene Zeit“, sagt Geschäftsführer Laurent Candelon. Obwohl sein Repertoire vor allem Stücke aus den 90ern umfasst, seien sie dennoch Vintage: „Für mich ist alles Vintage, was vor 2002 modern war und nicht unter Massenproduktion fällt“, meint Candelon. Stücke aus den 20ern und 30ern seien für ihn „unmöglich zu finden und nicht leistbar“.

Deshalb hat er sich auf die modernere Vintage-Schiene konzentriert - und fährt damit gut: „Wir haben weibliche und männliche Kunden, vor allem zwischen 15 und 35 Jahren.“ Bootik 54 bietet keine Reproduktionen an, allerdings „umgeschneiderte Stücke aus Original-Material, sogenannte Reworks“, erklärt Candelon. So werden zum Beispiel aus alten Lewis-Jeans kurze Frauen-Jeans. Die Preise sind erschwinglich, einen Kaschmir-Pullover gibt es ab 20 Euro.

Vintage-Mode

ORF

Sogenannte „Reworks“ gehören zu den Aushängeschildern von Bootik 54

Die jungen Schatzsucher aus Berlin

Die Bootik 54 wurde 1998 eröffnet. Erst seit 2015 hat das Berliner Hipster-Modegeschäft Das Neue Schwarz in Wien einen Standort. „Wir bieten New Vintage an, konzentrieren uns vor allem auf Stücke aus Japan und Belgien, die aus den 90ern stammen“, sagt Geschäftsführerin Tanya Pednar. Mit Vintage-Mode könne man in Wien ein gutes Geschäft machen, der ganz große Hype sei aber noch nicht da: „Zumindest mit Berlin ist das noch nicht vergleichbar. Wien ist etwas traditioneller.“

Pednar vergleicht den Vintage-Mode-Beruf mit einer „Schatzsuche“. Das mache den großen Reiz aus, mitsamt der Qualität, die ältere Kleidung biete. Replikate verkauft sie in ihrem Geschäft keine: „Wir sind ein reiner Vintage-Laden. Es geht da um Nachhaltigkeit, also darum, dass Kleidung zirkuliert, ohne produziert werden zu müssen.“

Vintage-Mode

Das Neue Schwarz

Das Neue Schwarz konzentriert sich auf Designer aus Japan und Belgien

Vintage-Replikate sind kein Vintage

Definitiv keine Vintage-Mode sind Replikate von Kleidungsstücken der verschiedenen Epochen. „Wir haben ein paar dieser Reproduktionen im Angebot, damit sich auch jüngere Kundinnen Kleider aus den 20ern leisten können. Aber mit Vintage hat das nichts zu tun“, sagt Raab. Sie kritisiert, dass sich mittlerweile viele Geschäfte mit dem Vintage-Label schmücken, obwohl sie keine Originale anbieten.

Auch die Second-Hand-Ware in der Bootik 54 ist natürlich kein Vintage: „Wir führen 70 Prozent Vintage, der Rest ist Second-Hand. Da unterscheiden wir klar“, stellt Candelon fest. Wie auch immer Vintage definiert wird, in einem Punkt sind sich alle drei Geschäftsführer einig: Die Nachhaltigkeit ihres Produktes soll so hoch wie möglich sein.

Links: