Rechnungshof zerpflückt KH Nord

Verzögerungen und hohe Mehrkosten für das Krankenhaus Nord bestätigt nun auch der Rechnungshof in seinem Bericht. Das Krankenhaus wird nicht nur mehr als drei Jahre später eröffnet, es gibt auch einen starken Kostenanstieg.

Das liege vor allem an der fehlenden Kompetenz der Planer im Krankenanstaltenverbund (KAV), so der Rechnungshof. Diese hätten weder das Know-how noch die Ressourcen für ein Megaprojekt wie das KH Nord. Entscheidungen wurden laut den Prüfern gar nicht oder zu spät getroffen - oder schlicht falsch.

8.000 Baumängel

Gleich zu Beginn gab es eine ordentliche Verzögerung, die erste Großausschreibung scheiterte. Somit wurde alles einzeln vergeben, die zahlreichen Unternehmer wurden sich selbst überlassen, kritisiert der Rechnungshof. Ein Generalplaner fehlte. Dazu kommen mehr als 8.000 Baumängel und viele Fehler. So wurde etwa mit dem Innenausbau begonnen, bevor die Fassade fertiggestellt war, was zu erheblichen Schimmelschäden führte.

Außerdem gab es brandschutzuntaugliche Elektrodosen in Brandschutzwänden und Fehler bei den Statikplänen. Stützen wurden falsch platziert und mussten wieder abgerissen und neu errichtet werden. Als während des Baus die ersten schweren Mängel auftraten, hätte ein vorübergehender Baustopp verhängt werden müssen, so der RH.

Krankenhaus Nord

ORF.at/Christian Öser

Viele Fehler seien bei der Planung passiert, konstatiert der RH

Das alles trieb die Kosten in die Höhe. Die im Jahr 2010 geplanten Kosten von 1,017 Mrd. Euro für die Errichtung des Krankenhauses dürften voraussichtlich um zumindest 272 Mio. Euro überschritten werden, im schlechtesten Fall sogar um rund 388 Mio Euro. Aus Regressforderungen gegenüber Auftragnehmern und Versicherungen erwarte der KAV ab 2021 Einnahmen in der Höhe von 200 Mio. Euro, heißt es im Bericht. Dass diese Forderungen in voller Höhe lukriert werden können, bezweifelt der Rechnungshof allerdings. Auch dass der Zeitplan für die Eröffnung nicht eingehalten werden konnte, wird bemängelt. Statt wie ursprünglich geplant 2016 soll das Krankenhaus erst im Herbst 2019 in Vollbetrieb gehen.

Gelder aus Mindestsicherung umgewidmet

Bisher weniger Beachtung fand das Vorgehen des Rathauses, die Mehrkosten für den Krankenhausbau auszugleichen. Dafür widmete die Stadt nämlich Gelder aus dem Mindestsicherungstopf und dem sozialen Wohnbau um. Konkret betrugen die aus der Sonderrücklage Wohnbau und Infrastruktur entnommenen Mittel 120 Mio. Euro, aus der Allgemeinen Sozialhilfe wurden rund 28 Mio. Euro umgeschichtet. Das sei zulässig gewesen, merkt der RH an.

„Umwidmungen in Form von Überschreitungsanträgen zwischen verschiedenen Geschäftsgruppen, Ansätzen und Posten waren in der Haushaltsordnung der Stadt Wien vorgesehen und stellten für die Stadt Wien keine Ausnahme dar“, heißt es. „Die wichtigste Lehre ist: Wenn der Bund, ein Land oder eine Gemeinde baut, dann ist der Auftraggeber stets gefordert. Denn es geht um hohe Kosten“, kommentierte Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker den Prüfbericht in einer Aussendung. „Jeder, der privat ein Haus errichtet, weiß: Ich muss selbst dahinter sein. Ein komplexer Spitalsbau erfordert ein besonders kompetentes und genaues Projektmanagement.“

Dem KAV habe es jedoch an Know-how und an Ressourcen gefehlt, um ein Projekt in der Dimension des Krankenhauses Nord abzuwickeln. „Fehlende, späte und falsche Entscheidungen verzögerten das Bauvorhaben und ließen die Kosten massiv steigen“, so Kraker.

Stadt verspricht, Empfehlungen umzusetzen

In den Stellungnahmen verspricht die Stadt, die Empfehlungen des RH umzusetzen. „Erfreulich ist: Die Politik hat schon während der laufenden Prüfung des Rechnungshofes reagiert und Maßnahmen eingeleitet. Unerfreulich ist, dass es so weit gekommen ist“, so Kraker. Die Kritikpunkte waren bereits bekannt. Details aus dem RH-Bericht waren bereits im November des vergangenen Jahres bekanntgeworden, im Februar wurde schließlich der gesamte, eigentlich vertrauliche Rohbericht verschiedenen Medien zugespielt - mehr dazu in RH-Rohbericht: Weiter Wirbel um KH Nord.

Opposition will Transparenz

Die Opposition sah sich bestätigt und versprach, sich für eine umfassende Aufklärung in der Untersuchungskommission einzusetzen. Der Bericht lese sich „wie eine Chronologie des Totalversagens“, stellte etwa FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl fest. „Einfach nur alles, was man falsch machen kann, kann die rot-grüne Stadtregierung auf ihrer Check-Liste des Scheiterns abhaken“, so Seidl.

Der nicht amtsführende ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch erwartet sich vom künftigen Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sowie vom designierten Bürgermeister Michael Ludwig umfassende Transparenz und Kooperation. „Eine Pseudo-Aufklärung bei der größten Steuergeldverschwendung der Zweiten Republik sowie dem größten Bauskandal der Wiener Geschichte wird nicht geduldet“, sagte er.

NEOS forderte in Reaktion auf den Prüfbericht einmal mehr die Ausweitung der U-Kommission. Wolfgang Zinggl, Rechnungshof-Sprecher der Liste Pilz im Parlament, bezeichnete es als „beschämend, wie mit Steuergeld umgegangen wird“.

U-Kommission: Vorsitzende sagen ab

Unterdessen wurde bekannt, dass sich die Untersuchungskommission zum KH Nord verzögern könnte. Die Suche nach dem Vorsitz bzw. stellvertretenden Vorsitz gestaltet sich nämlich etwas mühsam. Die beiden Anfang Mai per Los bestimmten Kandidaten für diese Funktionen haben innerhalb der vorgesehenen Bedenkzeit abgesagt.

Nun muss erneut gelost werden. Die Stadtverfassung sieht vor, dass der oder die Vorsitzende samt Vize aus einem Pool von neun Nominierten gezogen werden. Jeweils drei Personen werden dafür vom Oberlandesgericht Wien, von der Wiener Rechtsanwaltskammer und der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vorgeschlagen. Die gelosten Personen haben dann zwei Wochen Zeit, darüber zu entscheiden, ob sie die Funktion annehmen wollen.

„Die KandidatInnen haben sich leider aus verständlichen beruflichen Gründen dagegen entschieden, den Vorsitz der Kommission anzunehmen“, teilte Gemeinderatsvorsitzender Thomas Reindl (SPÖ) mit. Bei der nächsten Präsidialsitzung des Gemeinderats am 22. Mai wird aus den verbliebenen sieben Kandidaten erneut gelost.

Gremium soll im Juni Arbeit aufnehmen

Der Plan war, dass die U-Kommission noch vor dem Sommer startet. Sollten die nächsten beiden gezogenen Kandidaten ihr Okay geben, könne das Gremium noch im Juni seine Arbeit aufnehmen, so Reindl. Die U-Kommission soll die politische Verantwortung für die „Projekt-, Kosten- und Terminentwicklung“ des Megaspitals in Floridsdorf klären - mehr dazu in Rot-Grün setzt U-Ausschuss zu KH Nord ein. Das Besondere an der insgesamt vierten Wiener U-Kommission ist der Umstand, dass die KH-Nord-Kommission erstmals von den Regierungsparteien selbst - und nicht wie üblich von der Opposition - eingebracht wurde.

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