Rauchverbot: Wien zieht vor VfGH

Wien zieht gegen die Aufhebung des generellen Rauchverbots in der Gastronomie vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Begründet wird das vor allem mit einer Ungleichbehandlung der Mitarbeiter. Kritik kommt von den Wirten.

Die Stadt wolle das neue Rauchergesetz von den Höchstrichtern prüfen lassen, kündigten Umweltstadträtin Ulli Sima und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) am Montag in einer Pressekonferenz an. Damit soll die von der Bundesregierung erteilte Raucherlaubnis in der Gastronomie gekippt werden.

Hacker und Sima bei der Pressekonferenz

APA/Roland Schlager

Die Klage soll am 12. Juni formell eingebracht werden

Begründet wird das Vorgehen vor allem mit der - jedenfalls nach Ansicht Wiens - bestehenden Ungleichbehandlung. Denn es würden Arbeitnehmer an allen anderen Arbeitsstätten vor Passivrauch geschützt, in der Gastronomie jedoch nicht. Auch dass die Ausnahmeregelung nicht etwa für Tanzschulen und Kinos mit Ausschank gelte und damit eine ungleiche Behandlung vorliege, wird ins Treffen geführt.

Verfassungsrechtler: Regelung nicht angemessen

Dort wo eine Ungleichbehandlung nötig sei, werde hingegen darauf verzichtet, sagte der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk bei der Pressekonfertenz. Er ortete eine „Unlogik“ beim Schutz von Kindern - die viel empfindlicher seien. Sie hätten jedoch wie Erwachsene unbegrenzten Zugang zum Raucherbereich, was laut dem Wiener Vorbringen problematisch ist.

Wien zieht für Rauchverbot vor VfGH

Die Stadt Wien geht gerichtlich gegen die Aufhebung des generellen Rauchverbots in der Gastronomie vor und zieht vor den VfGH.

Laut Funk wird der VfGH im Rahmen eines „abstrakten Normenkontrollverfahrens“ mit der Materie beschäftigt. Das bedeutet, dass nicht anhand eines Einzelfalls geprüft wird. Von einer „Angemessenheit“ der Regelung könne keine Rede sein, zeigte sich Funk überzeugt. Es bestehe durch die Aufhebung des Rauchverbots vielmehr eine Gefahr für alle Gäste, da auch die Nichtraucherbereiche betroffen seien. Die Verschlechterung sei nicht sachlich begründet und damit verfassungswidrig.

Klagseinbringung am 12. Juni

„In Österreichs Lokalen herrscht wieder dicke Luft“, ärgerte sich die für die Lokalkontrollen zuständige Ressortchefin Sima. Die „Retropolitik“ der Bundesregierung lasse Österreich zum Aschenbecher Europas werden. Sima verwies auch auf jüngste Kontrollen in Nichtraucherbereichen von gemischten Lokalitäten. Dort sei die Belastung deutlich höher als erlaubt. In 62 Prozent der Überprüfungen seien Verstöße registriert worden.

Hacker, Sima und Funk bei der Pressekonferenz

APA/Roland Schlager

Laut Verfassungsrechtler Funk (r.) ist die aktuelle Regelung verfassungswidrig

Laut Sima wird die Klagseinbringung am 12. Juni in einer Sitzung der Wiener Landesregierung erfolgen. Formal erfolgt die Anrufung des Höchstgerichts nämlich vom Land und nicht von der Stadt Wien. „Die Freiheit des Einzelnen hat Grenzen“, betonte auch Gesundheitsstadtrat Hacker - der sich selbst als „bekennenden Raucher“ bezeichnete. Sein Vorgehen stehe in keinem Widerspruch zu seiner eigenen Sucht. Er verwies ebenfalls auf internationale Beispiele: „In fast allen Ländern Europas ist es selbstverständlich, dass man in Lokalen nicht mehr rauchen darf.“

Wirtevertreter kritisieren Klage

Kritik übten am Montag die Wiener Wirtevertreter. Man lehne die Klage entschieden ab, erklärten der Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer, Peter Dobcak, und Kaffeehäuservertreter Wolfgang Binder am Montag in einer Aussendung. Sie kritisierten eine „erneute Kehrtwendung“.

Mündige könnten selbst entscheiden, ob sie ein Raucherlokal aufsuchen möchte oder nicht, befand Binder. Auch seien Konflikte mit den Anrainern programmiert, wenn Raucher aus den Lokalen verdrängt würden. Das Argument, dass die Mitarbeiter keine Wahlfreiheit hätten, „ist in Zeiten wie diesen quasi nicht vorhanden“, so Dobcak. „Denn Mitarbeiter werden in der Gastronomie händeringend gesucht.“ Man wolle zudem endlich Rechtssicherheit, es solle nicht nicht laufend auf dem Rücken der Gastronomie ein ideologischer Streit ausgetragen werden.

NEOS Wien zeigte sich hingegen erfreut: „Wir begrüßen die Klage gegen die Aufhebung des geplanten Rauchverbots in der Gastronomie, die die Wiener Landesregierung beim Verfassungsgerichtshof einbringen wird“, erklärte Klubchefin Beate Meinl-Reisinger in einer Aussendung.

Rauchverbot hätte ab 1. Mai gelten sollen

ÖVP und FPÖ hatten im Nationalrat das Rauchverbot, das eigentlich ab dem 1. Mai hätte gelten sollen, wieder rückgängig gemacht. Seither darf unter bestimmten Voraussetzungen in Lokalen weiter gequalmt werden. Die Ärztekammer hat dagegen ein Volksbegehren eingeleitet, das von 1. bis 8. Oktober durchgeführt wird. In seiner Anfang April zu Ende gegangenen sechswöchigen Unterstützungsphase wurden bereits 591.146 Unterstützungserklärungen gesammelt. Damit muss das Thema fix im Parlament behandelt werden.

Diskussion seit 25 Jahren

Über das Thema Rauchen in der Gastronomie wird in Österreich bereits seit einem Vierteljahrhundert diskutiert. 1992 präsentierte der damalige Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler (SPÖ) mehrere Vorhaben gegen das Rauchen. In der Gastronomie sollten demnach Nichtraucherzonen geschaffen werden.

2004 gaben Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) und die Wirtschaftskammer die Einführung einer freiwillige Selbstverpflichtung bekannt: 30 Prozent der heimischen Speiselokale sollten bis Jahresende „rauchfreie Zonen“ einrichten, bis Ende 2006 sollte der Anteil auf 90 Prozent gesteigert werden.

Zigaretten

APA/Helmut Fohringer

Seit mehr als zwei Jahrzehnten läuft inzwischen die Debatte

Gesetzliche Regelung seit 2009

2007 kündigte das Gesundheitsministerium unter Andrea Kdolsky (ÖVP) eine gesetzliche Regelung an. Eine geplante Verschärfung des Tabakgesetzes ab 2008 scheiterte aber, schließlich trat mit 1. Jänner 2009 ein „grundsätzliches“ Rauchverbot in Lokalen in Kraft. Ausnahmen gab es allerdings für abgetrennte Raucherzimmer, kleine Gaststätten und Betriebe, die wegen der neuen Regelung einen Umbau durchführten. Im Juni 2010 endete auch die Übergangsfrist für Umbauarbeiten und Sondergenehmigungen.

Am 10. April 2015 einigte sich die SPÖ-ÖVP-Regierung auf ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Vor der Nationalratswahl im Herbst 2017 wurden innerhalb der FPÖ Stimmen gegen das absolute Rauchverbot laut. Man würde sich bei Koalitionsverhandlungen dafür einsetzen, dass das derzeit geltende Gesetz nicht verändert wird. Die neue ÖVP-FPÖ-Koalition einigte sich dann auf eine Raucherregelung nach „Berliner Modell“. Gäste können weiter in abgetrennten Räumlichkeiten Zigaretten konsumieren. Zugleich wird der Nichtraucherschutz für Jugendliche verstärkt.

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