Sommerbühnen: Das fast vergessene Kabarett

Das Buch „Überlandpartie“ will an das Kabarett der Sommerfrischen und seine Hotspots in Wien erinnern. Die Form des Kabaretts entstand im 20. Jahrhundert und verschwand durch den Nationalsozialismus fast vollständig.

Der Burggarten, das Cafe Prückel und der Wiener Prater: Sie alle waren Hotspots einer Unterhaltungsform, an die sich heute kaum jemand mehr erinnert, das Sommerfrischen-Kabarett. Entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts hatte es vor allem das Ziel, jene Menschen zu unterhalten, die in der Heimat Urlaub gemacht haben.

Theaterzettel "Der liebe Augustin"

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Das Sommerfrischen-Kabarett galt als beliebte Unterhaltung im Heimaturlaub

Eine Bühne für arbeitslose Kabarettisten

Eine gute Gelegenheit für die Kabarettisten, Geld zu verdienen, erzählt Autor Roland Knie: „Die Künstler waren im Sommer Großteils arbeitslos und hatten nur während der Saison Engagements. Diese Touren durch ganz Österreich waren lukrativ.“

Gemeinsam mit Iris Fink, Leiterin des österreichischen Kabarettarchivs, möchte Knie mit dem Buch „Überlandpartie“ an diese Theaterform erinnern. Mehr als zwei Jahre lang recherchierten die beiden dafür in Archiven und sammelten Theater- und Aufführungszettel, um die beliebtesten Plätze und die Entwicklung des Kabaretts in ganz Österreich zu rekonstruieren.

Buchhinweis

Iris Fink und Roland Knie: Überlandpartie! Kabarett auf Sommerfrische. Böhlau Verlag, 364 Seiten, 30 Euro.

Sommerfrischen-Kabarett war etwa in Baden, an den Seen Kärntens, im Salzkammergut und Wien eine beliebte Freizeitunterhaltung der gutbürgerlichen Leute. „Das Thema beinhaltet viele soziale und zeithistorische Aspekte. Die Kabarettisten mussten sich zwischen zwei Weltkriegen, sozialen Umwälzungen und Antisemitismus behaupten“, sagt Knie. „Sehr vieles davon ist es wert, aufbewahrt zu werden.“

So entwickelt sich der Wiener Burggarten – eigentlich als Privatgarten des Kaisers bekannt - ab 1918 zur Freilichtbühne für Musik, Tanz und Kabarett. Auch der Prater wird in dieser Zeit zu einem beliebten Aufführungsort. „Was heute als Rummelplatz nach internationalem Vorbild bekannt ist, war früher eine ganze Menge an Kuriositäten, Varietees und Wirtshaustheatern“, erzählt Knie.

Musikalische Einflüsse

Besonders auffällig bei den damaligen Inszenierungen ist die Verbindung zur Musik. „Das Kabarett beinhaltete damals viele traditionelle Formen der Musik wie die Revue oder den Chanson. Es entwickelte sich schließlich aus der Operette“, sagt Knie. So ist eines der bekanntesten Werke der Zeit – das 1930 geschriebene „Weiße Rössl“ - ursprünglich eine satirische Sommerfrischen-Revue mit Gesang.

Werbung Kabarett Weißes Rössl

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Musik war wichtiger Bestandteil des Sommerfrischen-Kabaretts

Inhaltlich hingegen war eine der größten Schwierigkeiten die aufkommende Zensur. Vor allem bei Kritik an der politischen Lage mussten die Inhalte vorsichtig gewählt werden. „Durch diese Zensur gab es aber auch einen gewissen Anreiz, Dinge andeutungsweise zu sagen. Es entstand eine politische Zuspitzung des Kabaretts, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann“, sagt Knie.

Aus kleinen Aufführungen und Shows entstanden bis 1938 festivalähnliche Events, so Knie. Die titelgebende „Überlandpartie“ musste bei der Premiere 1931 etwa dreimal wiederholt werden, weil die Menschen derart begeistert waren. Kabarettisten wie Hermann Leopoldi, Max Böhm oder Fritz Grünbaum wurden zu Stars der Szene.

Ende zu Beginn des Zweiten Weltkriegs

Die Blüte der Sommerfrischen-Kabaretts fand jedoch mit dem Beginn des Nationalsozialismus ein abruptes Ende. „Ein großer Teil der Künstler ist in Konzentrationslagern gestorben, auch große Teile des Publikums“, sagt Knie.

Zwar kehrten einige Künstler wie Karl Farkas und Hugo Wiener nach dem Krieg wieder nach Wien zurück, „eine ganze Kultur konnten sie alleine aber nicht tragen“. Die Kabarettform wurde in der Folge vor allem durch das neue Medium Film ersetzt.

Einige der kritischen Stücke wurden in der Nachkriegszeit zusätzlich geändert. „Das Harmoniebedürfnis der 50er Jahre hatte zum Beispiel auch große Auswirkungen auf das Weiße Rössl“, so Knie. Die Verfilmung aus den 1960er Jahren habe mit der Tourismuskritik des Originals kaum mehr etwas gemeinsam.

Wer heute noch ein Stück der Sommerfrische in Wien erleben möchte, sollte das Cafe Prückel besuchen. Der Keller des Cafes – in dem 1931 die Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“ gegründet wurde – ist heute noch im Original erhalten.

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