Mädchen vergewaltigt: Fluchtversuch nach Urteil

Ein 25-jähriger Zeitungszusteller, der eine 15-Jährige vergewaltigt haben soll, ist heute zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, nach der Verkündung versuchte der Angeklagte zu flüchten.

Unmittelbar nach der Urteilsverkündung wurde der bis zuletzt auf freiem Fuß befindliche Mann festgenommen. Der Richter verhängte über den gebürtigen Inder noch im Gerichtssaal wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr die U-Haft. Der 25-Jährige wurde von drei Polizisten, die sich vor der Urteilsverkündung vor dem Verhandlungssaal postiert hatten, abgeführt. Als er vom Gerichtsgebäude in die unmittelbar daneben befindliche Justizanstalt Josefstadt gebracht werden sollte, unternahm er einen Fluchtversuch.

Der Sprecher der Wiener Polizei, Paul Eidenberger, bestätigte den Zwischenfall. „Der Mann hat sich plötzlich losgerissen, konnte aber überwältigt werden.“ Ein Passant soll dabei den Beamten eine tatkräftige Hilfe gewesen sein, indem er dem Flüchtenden auf der Wickenburggasse ein Bein stellte. Der mutmaßliche Vergewaltiger befindet sich mittlerweile in der Justizanstalt. Vermutlich wird die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt einleiten.

Angeklagter

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Der Angeklagte soll das Mädchen in seinem Lieferwagen mitgenommen haben

U-Haft wurde aufgehoben

Die Fluchtgefahr war schon zuvor Thema gewesen: Nach dem ersten Verhandlungstermin Anfang Mai war der Angeklagte wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr in U-Haft genommen worden. Dagegen legte der 25-Jährige Beschwerde ein, welcher das Wiener Oberlandesgericht (OLG) folgte. Der Inder wurde auf freien Fuß gesetzt, worauf er wenig später ein Flugzeug nach Indien bestieg - allerdings nur, um seine kranke Mutter zu besuchen, wie sein Verteidiger betonte. Er kehrte auch tatsächlich zurück, um sich weiter dem Verfahren zu stellen.

Zusätzlich zu zwölf Jahren Haft wurde dem 25-jährigen Mann eine finanzielle Wiedergutmachung in Höhe von 13.200 Euro auferlegt. Mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Mannes berücksichtigt, erschwerend war demgegenüber, „dass Sie keinerlei Reue gezeigt haben“, wie der Richter darlegte. Außerdem nutzte der Zeitungszusteller nach Ansicht des Gerichts „die Wehrlosigkeit des alkoholisierten Opfers aus“, wie der Vorsitzende bemerkte.

Angeklagter bestritt die Tat

Der Mann hatte während der Verhandlung beteuert, der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich gewesen. Zuvor hatte der verheiratete Mann überhaupt jeden sexuellen Kontakt geleugnet: Sowohl beim ersten Verhandlungstermin Anfang Mai als auch am 20. Juni, als er zuletzt Kontakt mit dem Gericht hatte, stritt er noch jeglichen sexuellen Kontakt ab. „Ich hatte Angst“, begründete er das.

„Das Beweisverfahren hat eindeutig ergeben, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie das Opfer ihn der Polizei geschildert hat“, hielt der Richter in der Urteilsbegründung fest. Die Verantwortung des Angeklagten bezeichnete er als Schutzbehauptung: „Das stimmt alles nicht.“

Mädchen konnte nicht einvernommen werden

Die heute 16-Jährige, deren Befragung beim ersten Termin abgebrochen werden musste, weil das Mädchen einen Zusammenbruch erlitt, konnte nicht mehr vernommen werden. Wie ein Gerichtspsychiater, der das Mädchen Ende Juni untersucht hat, darlegte, ist diese derzeit nicht aussagefähig. „Aktuell ist sie nicht verhandlungsfähig“, betonte der Gutachter. Der psychische Leidensdruck eines neuerlichen Zeugenauftritts wäre zu groß - mehr dazu in Prozess um Vergewaltigung ohne Opfer.

Verhandlungssaal

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Das Mädchen konnte nicht vernommen werden

Wie die juristische Prozessbegleiterin der 16-Jährigen ausführte, traut sich das Mädchen nach wie vor nicht, das Haus zu verlassen, und hat Angst vor dem Einschlafen. Der Gerichtspsychiater riet dringend zu einer konsequenten Verhaltenstherapie und medikamentösen Behandlung. Nur so könne man der „ausgeprägten Symptome“ womöglich Herr werden. „Das ist ein besonders schwerer Fall. Sie haben das Leben und die weitere Existenz des Opfers zerstört“, hielt der Richter fest.

Angeklagter nahm Mädchen mit

Die Jugendliche war am 22. Dezember 2017 nach einem Besuch des Christkindlmarktes auf dem Rathausplatz in einen Streit mit ihrer Mutter geraten. Sie verließ die Wohnung, irrte im Freien herum und wurde laut Anklage zwischen 3.00 und 4.00 Uhr früh von dem Zeitungszusteller in verweintem Zustand aufgelesen, der ihr versprochen haben soll, sie nach Hause zu bringen. Auf dem Beifahrersitz wurde das Mädchen der Staatsanwaltschaft zufolge vergewaltigt.

Die Verhandlung wurde von enormem medialem Interesse begleitet. Aufgrund des starken Besucherandrangs musste sie kurzfristig sogar in einen Schwurgerichtssaal verlegt werden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidiger meldete dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.