Firma will Überstunden erst ab 13. Stunde zahlen

Die Arbeiterkammer (AK) schlägt Alarm: Ein von Wien aus tätiges internationales Handelsunternehmen will seinen 150 Mitarbeitern Überstundenzuschläge nur noch nach Überschreiten von zwölf Arbeitsstunden am Tag zahlen.

Das Handelsunternehmen hat seinen Mitarbeitern eine neue Gleitzeitvereinbarung zur Unterschrift vorgelegt, wonach aus bisherigen Überstunden normale zuschlagsfreie Stunden werden, die nur als Gleitzeit freigenommen werden können.

Ein fett gedruckter Punkt in der Gleitzeitvereinbarung, die der APA vorliegt, bringt die Arbeitnehmervertreter dabei besonders in Rage: „Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass während der Gleitzeitperiode keine Mehr- bzw. Überstunden ausbezahlt werden. Falls diese aufgrund der zulässigen Tagesarbeitszeit von 12 Stunden anfallen sollten, dann sind sie durch Zeitausgleich zu verbrauchen.“ Die Firma meint laut der AK ausschließlich das Aufbrauchen eines Gleitzeitguthabens im Verhältnis 1:1, also ohne Überstundenzuschläge. Gelten soll die Regelung ab Dezember.

AK sieht „glatten Lohnraub“

Rechtlich halte diese Vereinbarung zwar auch mit dem Zwölfstundentaggesetz nicht, so die AK. Es werde aber kaum ein Mitarbeiter dagegen klagen - aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Eines zeige der Fall aber deutlich: „Die Bosse haben das Gesetz bestellt und als Signal für Lohnraub und Ausbeutung verstanden“, so Präsidentin Renate Anderl. Die Warnungen von AK und Gewerkschaften hätten sich bewahrheitet: „Die Abgeltung von Millionen Überstunden steht auf dem Spiel, und es kann den Unternehmen nicht schnell genug gehen, die neue Gesetzeslage auszunutzen.“

„Überstunden während der Gleitzeitperiode würden in folgenden Fällen entstehen: Überschreiten der täglichen Normalarbeitszeit von 12 Stunden (Der Mitarbeiter darf die tägliche Normalarbeitszeit von 12 Stunden (sic!) nur in gesetzlich zulässigen Fällen und nur auf ausdrückliche Anordnung seines Vorgesetzten überschreiten)“, heißt es ebenso in der Gleitzeitvereinbarung. Als relativierend hingegen kann ein Punkt gesehen werden, wonach innerhalb des Gleitzeitrahmens „die tägliche Normalarbeitszeit (exklusive Pausen) max. 12 Stunden betragen darf“.

„Das ist glatter Lohnraub“, kritisierte AK-Präsidentin Anderl das Vorgehen des Unternehmens. „Bei dem Fall handelt es sich um ein Unternehmen ohne Betriebsrat“, kritisierte Barbara Teiber, geschäftsführende Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp). „Aus Angst vor Arbeitsplatzverlust sind viele ArbeitnehmerInnen gezwungen, eine Gleitzeitvereinbarung ohne Überstundenzuschläge zu unterschreiben.“ Ein Arbeitnehmer der Firma hatte sich an die AK-Arbeitsrechtsberatung gewandt.

Zwölfstundentag ab September möglich

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sah Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ob der Vorgänge bei der Wiener Firma gar „der Lüge überführt“: Der Zwölfstundentag und die 60-Stunden-Woche ohne Überstundenzuschläge würden Realität werden. Schließlich versuchten die ersten Unternehmen nun, „ihre ArbeitnehmerInnen zu Vereinbarungen zu drängen, die den Zwölfstundenarbeitstag zur Normalität und zuschlagsfrei machen. Der Lohnraub und die Ausbeutung der ArbeitnehmerInnen, die Kurz und Strache möglich machen, beginnt schon, bevor das Gesetz in Kraft tritt“, kritisierte Schieder.

Auch die GPA-djp will Betroffenen zur Seite stehen: „Wir empfehlen die Gründung eines Betriebsrats, um sich selbst zu schützen. Als GPA-djp stehen wir bereit, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu unterstützen“, so Teiber. Grundsätzlich werde der Zölfstundentag nach neuer Gesetzeslage, die ab September gilt, von vielen Unternehmen ausgenützt werden, so die Gewerkschafterin.

Mitarbeiter mit All-in-Verträgen ausgenommen

In der Vereinbarung heißt es unter anderen Punkten weiters: „Der Mitarbeiter kann seinen Arbeitsbeginn und Arbeitsende innerhalb des definierten Gleitzeitrahmens und unter Berücksichtigung der abteilungsinternen Gegebenheiten selbst bestimmen“, schreibt das Unternehmen in seiner gewünschten Gleitzeitvereinbarung. „Diese Freiheit ist auch mit großer Verantwortung verbunden: Auf die betrieblichen Erfordernisse, wie z. B. Arbeitsanfall, Terminvorgaben, Vorrang der Betreuung von Geschäftspartnern und bestmögliche Erfüllung der Unternehmensziele ist Rücksicht zu nehmen.“

Gelten soll die Vereinbarung für die Mitarbeiter der Firma, mit denen eine Gleitzeitvereinbarung abgeschlossen wird. Ausgenommen sind Mitarbeiter mit All-in-Verträgen und geringfügig Beschäftigte. „Werdende Mütter dürfen über die tägliche Normalarbeitszeit hinaus nicht beschäftigt werden. Sie können daher kein Gleitzeitguthaben erwerben, sondern nur Plusstunden abbauen“, heißt es in der Vereinbarung, aus der am Freitagvormittag auch die Zeitung „Österreich“ (Onlineausgabe) zitierte.

„Freiwilligkeit“ von Gegnern stark angezweifelt

Gewerkschaften, verschiedene auch kirchennahe NGOs, SPÖ und Liste Pilz laufen gegen die Umsetzung eines neuen Arbeitszeitregimes durch die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung samt Stimmen von NEOS Sturm. Das Gesetz, das die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden erhöht, wurde als Initiativantrag eingebracht und nicht begutachtet. Das Gesetz erhöht die wöchentliche Höchstarbeitszeit auch auf 60 Stunden. Nach Protesten und einer Großdemo wurde schließlich noch die Gültigkeit von Jänner 2019 auf September 2018 vorverlegt.

Die Aufforderung des Arbeitgebers, Überstunden zu leisten, die über die zehnte Tagesarbeits- bzw. die 50. Wochenarbeitsstunden hinausgehen, können Arbeitnehmer dem Gesetz nach ohne Angabe von Gründen ablehnen. Diese „Freiwilligkeit“ wird von Gegnern aber stark angezweifelt. Die durchschnittliche, wöchentliche Arbeitszeit darf auch dem neuen Gesetz 48 Stunden in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen nicht überschreiten.

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