Schule und Islam: Himmer für neue Regeln

Ein Buch einer Wiener Lehrerin über Integrationsprobleme mit muslimischen Kindern sorgt wieder für Aufregung. Wiens Bildungsdirektor Heinrich Himmer spricht über seine Lösungsansätze und neue Regelungen.

Schwimmunterricht als Tabu, Theaterbesuche als Bedrohung und ein Niveau teilweise schlechter als an einer Sonderschule: Schilderungen der Erlebnisse der Wiener Lehrerin Susanne Wiesinger an einer Neuen Mittelschule (NMS), niedergeschrieben unter dem Titel „Kulturkampf im Klassenzimmer“ - mehr dazu in Politdebatte zu Buch über Integration.

Seitens der Stadt Wien wird keiner ihrer Vorwürfe bestritten, im Gegenteil: Wiesingers Text sei eine „ganz entscheidende Quelle der Information“, sagte Bildungsdirektor Heinrich Himmer in „Wien heute“ im Gespräch mit Chefredakteur Paul Tesarek. Und es sei ein Systemversagen, wenn eine Mitarbeiterin des Wiener Stadtschulrats keine andere Möglichkeit hat, als ein Buch zu schreiben, mit Medien zu reden, um hier zu Lösungen zu kommen. Das ist ein Kommunikationsproblem.

Keine Infos zur Entwicklung des radikalen Islams

Laut Himmer gab es erste Gespräche mit Wiesinger bereits im vergangenen März, schon im Mai sei man parteiübergreifend bei einem ersten Runden Tisch zu ersten Ergebnissen gekommen. Zentrale Fragen vieler Eltern sind demnach, in welche Schule kann ich mein Kind noch geben? Wo kommen die Probleme vor, ist das ein flächendeckendes Problem oder ein Problem der Bezirke oder einzelner Schulen?

Es sei nun wichtig, diese Fragen zu analysieren, denn: „Wir haben tatsächlich keine ausreichenden Informationen darüber, in welcher Form sich zum Beispiel radikaler Islam in einzelnen Schulen entwickelt hat“, sagte Himmer in „Wien heute“. Hier habe man nachgeforscht, schon beim nächsten Runden Tisch gemeinsam mit Parteien und Religionsgemeinschaften würden die Ergebnisse präsentiert.

Eines davon präsentierte Himmer bereits jetzt. Er will einzelne Bereiche neu regeln, etwa Schulsuspendierungen. Diese sind derzeit bis zu vier Wochen möglich, allerdings sollten begleitende Programme wie Schulpsychologen absolviert werden. Das passiere aber nicht. „Hier wird es ein Pflichtprogramm geben, sodass Suspendierung nicht zum Urlaub wird, sondern Schüler erkennen, hier braucht es tatsächlich eine Verhaltensänderung“, sagte Himmer.

Was soll eigentlich geregelt werden?

Stunden zuvor hatte Himmer im ORF-Radio ähnliches gesagt. Vieles sei noch offen, aber man sei in vielen Dingen schon viele Schritte weiter - mehr dazu in Bildungsdirektor Himmer: System reagiert bereits (oe1.ORF.at). „Wir müssen uns in Gesamt-Österreich überlegen, was wollen wir im Bildungssystem regeln, wofür brauchen wir die Eltern und wie können wir bestimmte Tendenzen ändern“, so Himmer.

Nach einer genauen Analyse, an welchen Schulen in Wien es zu welchen Vorfällen kommt, müssten Maßnahmenpakete entwickelt werden, „gemeinsam mit der Polizei und dem Jugendamt, der Kinder- und Jugendanwaltschaft“. Dafür seien Monate und Jahre notwendig. Himmer betonte aber auch, es gebe schon jetzt Unterstützung durch Jugendamt und Schulpsychologen.

Nach dem Wiener Bildungsdirektor will auch Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) ein Gespräch mit Buchautorin Wiesinger, kündigte er am Montag an: „Jeder Fall in einer Schule, wo Mitschüler oder auch Lehrer unter Druck geraten, (ist, Anm.) ein Fall zu viel“ - mehr dazu in 40 Prozent Muslime in Neuer Mittelschule.

„Kulturkampf im Klassenzimmer“

Susanne Wiesinger, eine Wiener Lehrerin an einer Neuen Mittelschule (NMS), spricht schon seit einigen Monaten öffentlich über die Integrationsprobleme an Wiener Schulen. Im neu erschienenen Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ berichtet sie schonungslos, wie es zugeht in ihrem Klassenzimmer: Wiesinger schreibt davon, dass muslimische Schüler islamistische Attentäter gutheißen, dass sonannte Ehrenmorde befürwortet werden, dass Mädchen in Sachen Bekleidung unter Druck gesetzt werden.

Sie kritisierte aber auch die Wiener Schulpolitik: Es hätte einen Druck des Stadtschulrats und der Gewerkschaft gegeben, nicht über Migrationsprobleme, schon gar nicht von Flüchtlingen, zu sprechen, heißt es. Die Schulpolitik sei starr, sie bewege sich keinen Millimeter, so die NMS-Lehrerin - mehr dazu in Politdebatte zu Buch über Integration.

Wiesinger unterrichtet seit 30 Jahren und bezeichnete sich in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ als „heimatlose Linke“. Mit den Reaktionen der Regierungsparteien habe sie gerechnet: „Die Rechten werden sich da draufsetzen, und für mich wird es schwierig sein, mich von den Rechten abzugrenzen. Aber ich mache es trotzdem. Weil diese Kinder, um die es hier geht, zu uns gehören, egal, ob sie österreichische Staatsbürger sind oder nicht.“

ÖVP und FPÖ fordern Maßnahmen

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer sprach am Sonntag von einem „erschütternden Tatsachenbericht“. „Radikalisierung und muslimische Parallelwelten sind Realität“, die Schilderungen der Wiener Lehrerin „zeigen ein gefährliches Sittenbild“. Er forderte die Wiener Stadtpolitik auf, hier „endlich aufzuräumen“.

„Die schleichende Islamisierung in Wiens Klassenzimmern ist bereits keine stille und heimliche, sondern eine mit Pauken und Trompeten vonstattengehende. Nur der Stadtschulrat und die rot-grüne Stadtregierung möchten davon nichts wissen bzw. verschließen davor die Augen“, kritisierte auch FPÖ-Stadtrat Maximilian Krauss und appellierte an die Stadtregierung, „diesen Hilferuf endlich ernst zu nehmen“ und einen runden Tisch zu diesem Thema einzuberufen.

Faßmann für „gesellschaftlichen Konsens“

Das Buch war auch Thema in der ORF-„Pressestunde“ mit ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann. Er brachte dazu ein Kopftuchverbot auch in der Unterstufe ins Gespräch, das aber im Nationalrat behandelt werden sollte: „Dazu braucht es aber einen gesellschaftlichen Konsens, wie es weitergehen soll mit der Thematisierung der Religion in der Schule.“ Faßmann sprach sich für ein „religionsneutrales Auftreten der Repräsentanten des öffentlichen Dienstes“ aus - mehr dazu in Faßmann für breite Diskussion (news.ORF.at).

SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid meinte, dass beim Thema Integration „der vormalige Migrationsexperte nun mit türkis-blauen Scheuklappen umherlaufe und keinen Handlungsbedarf mehr für umfassende Integrationsmaßnahmen“ sehe. „Doch auch ihm sollte klar sein: Mit weniger Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen wird es keine bessere Integration geben“, kritisierte Hammerschmid die Streichung des Integrationstopfes an Schulen.

red, wien.ORF.at/APA

Links:

• Pressestunde mit Heinz Faßmann (tvthek.ORF.at)
• „Kronen Zeitung“-Artikel