Zentralfriedhof-Tour: „Der Hang zum Morbiden“

Ein kopfloser Musiker und die Angst, lebendig begraben zu werden: Die Friedhöfe Wien bieten ab Oktober Führungen durch den Zentralfriedhof an. Trotz Gruselfaktors achte man jedoch besonders auf die Pietät, heißt es.

„Ich sage immer, die Wiener und der Tod haben schon fast ein Liebesverhältnis miteinander“, sagt Tourorganisatorin Gabriele Saeidi. „Der Hang zum Morbiden ist bei den Wienern besonders ausgeprägt.“ Die Einstellung zu Friedhöfen ändere sich zunehmend.

„Der Zentralfriedhof ist für viele heute nicht mehr nur eine Begräbnisstätte, sondern fast schon ein Naherholungsgebiet. Die Menschen besuchen hier zwar Verstorbene, man nutzt die Gelegenheit aber auch, um sich umzusehen und die ein oder andere Lebensgeschichte zu entdecken“, sagt sie.

Boromäus Kirche Zentralfriedhof

Friedhöfe Wien

Ab 31.Oktober findet die Tour durch den Zentralfriedhof statt

Jährlich rund 100.000 Touristen

Das bestätigt auch Florian Keusch von den Friedhöfen Wien: „Die Friedhöfe haben sich in den vergangenen Jahren sehr geöffnet, wir haben im Jahr mehr als 100.000 Touristen am Zentralfriedhof. Die Gesellschaft wandelt sich und sieht die Thematik lockerer.“ Die „Führung zum Fürchten“, wie sie auf der Website der Fremdenführerin Saeidi genannt wird, empfindet er deshalb keineswegs als pietätlos.

Zwar sei der Titel der Führung reißerisch, tatsächlich handle es sich jedoch um eine abendliche Tour, die die Entstehungsgeschichte des Zentralfriedhofs sowie Geschichten einiger hier beigesetzter Personen erzählt. Vorerst sind vier Termine - angefangen am 31. Oktober - geplant. Die Tour dauert zwei Stunden, eine gekürzte Version wird bereits bei der Langen Nacht der Museen am 6. Oktober durchgeführt.

Historische Fakten statt „Gruselgeschichten“

„Wir wollen keine Geisterbahn am Zentralfriedhof machen oder schaurige Gruselgeschichten erzählen, das liegt uns fern. Es geht uns darum, eine historische Seite zu beleuchten, die man sonst nicht sieht“, so Keusch.

Die Führungen finden nach Betriebsschluss des Friedhofes statt. Ein Faktor, der auch der Tourorganisatorin wichtig ist. „Es hat natürlich auch einen zusätzlichen Gänsehaut-Faktor, wenn man bei Nacht mit einer Laterne über den Friedhof geht.“ Gleichzeitig soll so aber auch die Privatsphäre der Menschen gewahrt werden, die auf dem Friedhof Verstorbene besuchen. Der respektvolle Umgang mit dem Friedhof hängt für Saeidi aber auch mit der Auswahl der Geschichten zusammen.

Veranstaltungshinweis

„Der Zentralfriedhof bei Nacht: Eine Führung zum Fürchten“, 31. Oktober sowie 1.- 3., 9., 10., 16., 23. und 24. November

So liegt der Fokus auf historischen Ereignissen und den Folgen, etwa dem Brand des Ringtheaters 1881 und dem damit verbundenen Fortschritt in der forensischen Medizin. Auch der Alltag der Totengräber sowie alte Begräbnisrituale und –methoden werden erklärt. So erzählt Saeidi etwa von der Angst vieler Menschen, lebendig begraben zu werden, und erklärt Maßnahmen wie eine Glocke am Grabstein, die getroffen wurden, um das zu verhindern.

Fokus auf berühmte Persönlichkeiten

„Man braucht sich keine Sorgen machen, dass die Geschichte der Großmutter erzählt wird“, so Saeidi. Bei der Tour werden ausschließlich die Ruhestätten berühmter Personen gezeigt, darunter die Musiker Johann Strauß und Ludwig van Beethoven. „Die großen Musiker dürfen bei keiner Friedhofstour fehlen“, sagt Saeidi.

Einer der klassischen Musiker, deren letzte Ruhestätte bei der Tour gezeigt wird, sei allerdings mit dem falschen Kopf beigesetzt worden. „Über viele Jahrhunderte hinweg haben sich die Menschen gerühmt, wenn sie einen berühmten Schädel im Besitz hatten. Es gab etwa den Mozartschädel im Mozarteum, bei dem man später festgestellt hat, dass es sich um einen anderen handelt. Am Zentralfriedhof gibt es ein ähnliches Phänomen.“ Um welchen Musiker es sich dabei handelt, möchte Saeidi vorab nicht verraten.

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