Reformaufschub: Ludwig gegen „Vereinsmeierei“

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) begründet die Verschiebung der SPÖ-Parteireform damit, dass man den Fokus auf die neue Vorsitzende und die inhaltliche Ausrichtung legen wolle. Laut Politberater Thomas Hofer sind aber „Fehler passiert“.

Auf diese Vorgangsweise habe man sich gemeinsam im Bundesparteipräsidium geeinigt, sagte er am Montag. „Ich persönlich bin der Meinung, wir sollten uns bei diesem Parteitag nicht in Vereinsmeierei ergehen, sondern wir sollten uns mit den Themen beschäftigen, die auch für die Bevölkerung relevant sind“, sagte Ludwig am Montag.

„Im Vordergrund steht, dass wir in der Öffentlichkeit deutlich machen, dass wir hinter unserer neuen Bundesparteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner stehen, dass wir ein klares Programm für die Zukunft Österreichs haben und dass wir uns inhaltlich und personell für die kommende Wahl zum Europäischen Parlament gut aufstellen.“

„Eigentlich drei Parteitage zusammenfassen“

Die Verschiebung der Organisationsreform sei mit einer Enthaltung einstimmig im Bundesparteipräsidium beschlossen worden. „Wir haben das nach eingehender Diskussion für richtig empfunden und zwar gemeinsam“, sagte er. Angesprochen auf sein Veto gegen die Zweidrittelschwelle für öffentliche Ämter, wenn das entsprechende Mandat bereits zehn Jahre ausgeübt wird, sagte Ludwig, er wolle den Fokus in dieser „doch sehr herausforderenden Situation für die Sozialdemokratie“ nicht auf „Statutenreiterei“ legen.

Pamela Rendi-Wagner Thomas Drozda

ROLAND SCHLAGER

Pamela Rendi-Wagner und Thomas Drozda vor der Präsidiumssitzung des SPÖ-Parlamentsklubs am Montag

Durch den Rückzug von Christian Kern vom Parteivorsitz und von der Spitzenkandidatur für die EU-Wahl müsse man nun eigentlich drei Parteitage zusammenfassen, argumentierte Ludwig: einen für den Beschluss des Parteiprogramms und der Anträge, einen für die Wahl der neuen Vorsitzenden und einen für die Erstellung der Liste für die EU-Wahl. Daher habe man sich für einen zweitägigen Parteitag Ende November entschieden.

Hofer: „Hat dieses Chaos in der SPÖ vertieft“

„Man hat in der SPÖ einen alten Grundsatz von Michael Häupl verletzt, der gesagt hat, man darf zwar streiten innerhalb der Partei, aber tunlichst im Wohnzimmer und nicht offen am Balkon. Und das Ganze hat sich jetzt am Balkon abgespielt. Deswegen schaut das jetzt für niemanden gut aus“, sagte Politexperte Hofer gegenüber „Wien heute“. Die Rolle der Wiener SPÖ und des Wiener Bürgermeisters sei daran „ganz sicherlich maßgeblich“ gewesen.

Grundsätzlich sei Ludwig seit Mai einiges gelungen. Er habe sich positioniert. Allerdings sieht Hofer, dass in den letzten Tagen und Wochen schon auch Fehler passiert seien. „Denn öffentlich allzu viel auszurichten und so auch die neue Parteichefin gleich zu beschädigen, war natürlich auch nicht wahnsinnig schlau. Da ist man das erste Mal außer Tritt gekommen. Und hat diesen Streit und dieses Chaos in der SPÖ vertieft“.

Hofer glaubt, dass Ludwig „da gegenüber den eigenen Funktionären Flagge gezeigt hat“. Denn er müsse sich die Stellung innerhalb der Partei erkämpfen und auch zeigen, dass genauso wie bei Michael Häupl „in Wien der Hammer hängt und sonst nirgendwo“.

Wie mächtig ist die Wiener SPÖ?

Die Wiener SPÖ hat großen Einfluss auf die Bundespartei: Das scheint nach den vergangenen Tagen offensichtlich. Vor allem seitdem die angekündigte Parteireform aufgeschoben wurde.

Eine Sektion „noch nicht die gesamte Basis“

Zur deutlichen Kritik an der vorläufigen Absage der Reform, die unter anderem von der „Sektion 8“ und den Jugendorganisationen gekommen war, meinte Ludwig: „Die Parteibasis ist eine sehr breite. Wir haben in Wien über 230 Sektionen, wenn sich da eine Sektion mit starker Unterstützung der Medien meldet, ist das noch nicht die gesamte Basis.“ Den Parteimitgliedern, die sich in einer Befragung zu 70 Prozent für die Reform ausgesprochen hatten, sage er „ganz offen, dass man Prioritäten in der Politik setzen muss und die Priorität jetzt, in einer schwierigen Situation der Sozialdemokratie, ist Einheit“.

„Nichts wurde in der SPÖ so lange und breit diskutiert wie Organisationsreformen. Es gibt keinen inhaltlichen oder organisatorischen Grund, diesen Minimalkompromiss zu kübeln. Es gibt nur einen machtpolitischen und, mit Verlaub, den haben wir satt“, schrieb die kritische SPÖ-Sektion via Twitter - mehr dazu in Wiener Genossen bringen SPÖ-Reform zu Fall (wien.ORF.at).

Rendi-Wagner: „Es ist ein Verschieben“

Der neue Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda versuchte zu Mittag gegenüber Ö1 zu beschwichtigen: Die Öffnung der Partei habe man mit Rendi-Wagner demonstriert. Man habe für den Parteitag eine klare Priorität zu setzen gehabt, und das seien das Programm, die neue Vorsitzende sowie am zweiten Tag die EU-Wahl und das EU-Programm, so Drozda. „Es ist ein Verschieben“, sagte die neue Parteichefin Rendi-Wagner am Montag vor der Sitzung des Parlamentsklubs, bei der sie einstimmig zur Klubchefin gewählt wurde - mehr dazu in Rendi-Wagner nun auch SPÖ-Klubchefin (news.ORF.at).