Zahl der Privatkonkurse stark gestiegen

700 Privatkonkurse mehr als im Vorjahr hat es bisher im laufenden Jahr gegeben. Der Grund dafür ist ein neues Gesetz, das Erleichterungen mit sich gebracht hat. Insgesamt wurden mehr als 2.600 Privatkonkurse in Wien angemeldet.

Der Anstieg der Anmeldungen sei vor allem auf die Gesetzesänderung im November des Vorjahres zurückzuführen, heißt es bei der Wiener Schuldnerberatung. Dank ihr müssen Schuldner beispielsweise nur mehr fünf statt sieben Jahre am Existenzminimum leben, auch die Mindestrückzahlungsquote von zehn Prozent ist Geschichte - mehr dazu in Neues Privatkonkursgesetz: Ansturm erwartet.

Viele hätten auf die Gesetzesänderung gewartet, deshalb seien die Zahlen heuer hoch. Vergleicht man die heurigen Zahlen mit jenen des Jahres 2016, so ist der Anstieg nicht so dramatisch. Spitzenreiter in Wien ist bisher das Bezirksgericht Favoriten, wo es heuer bereits über 420 Verfahren gegeben hat. Die wenigsten Konkursverfahren, knapp über 30, sind am Bezirksgericht Hietzing eröffnet worden.

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Die Verbindlichkeiten machen im Durchschnitt pro Schuldner 193.000 Euro aus.

Bessere Chancen für wirtschaftlichen Neustart

Die Schuldnerberatungen werten den Anstieg als ein gutes Zeichen, weil mehr Menschen im wirtschaftlichen Sinn ein Neustart gelingt. Grundsätzlich sei man durch Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 (IRÄG 2017) dort angekommen, wo man ankommen sollte, sagte Clemens Mitterlehner, Chef der staatlich anerkannten Schuldnerberatungen. Jetzt könnten Menschen, die ein geringes Einkommen haben und bisher nicht in der Lage gewesen seien, ihre Schulden zu regeln, die Hürde schaffen.

Österreichweit erwartet Mitterlehner für heuer rund 10.000 Privatkonkursverfahren, für kommendes Jahr etwa 8.000. „Was wir schon merken ist, dass der Anteil jener, die kaum etwas - also nur die Verfahrenskosten - zahlen, steigt“, sagte Mitterlehner. Die neuen Regeln hätten auch dazu geführt, dass sich mehr Pensionisten entschulden könnten, so der Schuldnerberater.

Schuldnerberater sieht aber auch großes Problem

„Ein großes Problem“ aus sozialpolitischer Sicht sei der Unterschied der Höhe des gültigen Existenzminimums und der Armutsgefährdungsschwelle. „Die Differenz ist nach wie vor zu hoch“, kritisiert Mitterlehner. Das Existenzminimum für einen Alleinstehenden mit 14 Bezügen beträgt heuer 909 Euro. Dieses Minimum trifft alle im Privatkonkurs und auch Menschen, die von Lohnpfändungen betroffen sind. Die Armutsgefährdungsschwelle liege aber bei 1.250 Euro, so Mitterlehner.

Schild Schuldnerberatung

APA/dpa/Angelika Warmuth

Manches wäre für Schuldnerberatung noch verbesserungswürdig.

„Die 300 Euro Differenz bedeuten, dass jeder im Privatkonkurs oder von Lohnpfändung Betroffene automatisch armuts- und ausgrenzungsgefährdet ist.“ Alleinstehenden und noch viel mehr Familien mit Kindern würden Chancen genommen, so die Kritik. „Das Existenzminimum muss in Richtung Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden. So können viele soziale Probleme abgefedert werden.“ Zudem gebe es zu den 909 Euro in Österreich für ein Kind zusätzlich nur 181 Euro. In Deutschland gebe es für ein Kind 430 Euro, kritisierte Mitterlehner.

66 Prozent mehr Konkursanmeldungen

Laut Gläubigerschutzverband KSV 1870 sind in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres österreichweit 7.801 Privatkonkurse angemeldet worden, um 66 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Die Verbindlichkeiten sind demnach explodiert und um 166 Prozent auf 1,5 Mrd. Euro angestiegen. Die Verbindlichkeiten je Schuldner betragen 193.000 Euro. Dieser heurige Durchschnittswert liegt laut dem KSV deutlich über dem langjährigen Schnitt, der rund 120.000 Euro pro Schuldner beträgt.

Durch die neuen Insolvenzrechtsregeln wagten sich mehr ehemalige Unternehmer mit tendenziell höheren Schulden in den Privatkonkurs. Auch gegenüber dem „normalen Insolvenzjahr“ 2016 - als noch nichts über die gesetzlichen Änderungspläne beim Privatkonkurs bekannt war - gibt es um gut 27 Prozent mehr private Insolvenzverfahren.

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