Levitt-Personale: Kunstvoller Blick auf die Stadt

Häuserschluchten, spielende Kinder, streng blickende Erwachsene: Die Albertina widmet der US-Fotopionierin Helen Levitt derzeit eine Personale. Die offenbart einen weiten Kosmos aus Formen, Strukturen und Blickwinkeln.

Kein Wunder, dass sich Direktor Klaus Albrecht Schröder erfreut über die Schau zeigte, sei sie in dieser Dimension doch die erste. Dabei war Levitt, die 1913 in New York geboren wurde, schon zu Lebzeiten äußerst erfolgreich und wurde mehrfach mit Präsentationen bedacht. „Meist liegt Street Photography ja in den Händen von Männern, besonders in den 20er-, 30er- und 40er-Jahren.“ Levitt aber unterscheide sich in ihrem Zugang doch deutlich von Kollegen jener Zeit, so Schröder. „Sie ist in eine Männerdomäne eingebrochen.“

Mehr als nur das Offensichtliche

Erlernt hat sie ihr Handwerk in jungen Jahren, Anfang 20 begann die Karriere Levitts. Schon bald wurde ihr nahegelegt, dass Fotografie mehr als nur eine Abbildung von Ausschnitten des Alltags ist, sondern auch Kunst sein kann. Prägender Name in jener Zeit: Henri Cartier-Bresson, den sie in ihrer Heimatstadt kennenlernt und begleitet. „Er bringt ihr auch die Auseinandersetzung mit dem Surrealismus näher“, sagte Kurator Walter Moser. Formen wiederholen sich oder werden gedoppelt, Schwerpunkte werden gesetzt und Erwartungen gebrochen.

Veranstaltungshinweis:

„Helen Levitt“ von 12. Oktober bis 27. Jänner in der Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien. Täglich 9-18 Uhr, Mittwoch und Freitag bis 21 Uhr. Katalog zur Ausstellung, hrsg. von Walter Moser, Kehrer Verlag, 235 S., 32,90 Euro, auf Deutsch und Englisch erhältlich.

„Sie durchleuchtet die Großstadt auf paradoxe, surreale, aber auch humoristische Motive“, beschrieb Moser viele der rund um 1940 entstandenen Arbeiten, die ihre erste und umfangreichste Schaffensphase ausmachen. Wesentlich dabei: „Sie hat viel Wert gelegt auf die Individualität der Personen.“

Alltagsszenen wirken daher in erster Linie nicht sozialpolitisch konnotiert, sondern bestechen durch ihre bewusste Komposition und den oft sehr markant gewählten Bildausschnitt. Menschen blicken ernst oder fröhlich, bücken sich oder verformen ihre Körper bei ganz normalen Bewegungen - und stets erwischt Levitt einen Moment, der mehr transportiert als nur das Offensichtliche.

Helen Levitt

Film Documents LLC / Courtesy Galerie Thomas Zander

Helen Levitt wurde später auch Filmemacherin

Filmische Leistungen brachten Oscar-Nominierung

In der umfangreichen Schau begegnet der Besucher wiederkehrenden Motiven wie spielenden Kindern, unbeobachtet in der U-Bahn fotografierten Menschen (hierfür begab sich Levitt gemeinsam mit Walker Evans auf die Pirsch) oder dem Einfluss der Stummfilm-Ära auf ihre erzählerischen Positionen. Mitte der 1940er-Jahre wandte sich Levitt schließlich einer neuen Herausforderung zu und versuchte sich, ebenfalls höchst erfolgreich, als Filmemacherin. Ihr erster Dokumentarfilm, der mit narrativen Konventionen komplett brach, war „In The Street“ 1948, für „The Quiet One“ gab es später sogar eine Oscar-Nominierung.

Doch der Fotografie entkam sie durch diesen Schwenk nicht - wobei die Ästhetik ihrer frühen Filmarbeiten natürlich maßgeblich von ihrem fotografischen Blick geprägt war. Als eine der ersten Fotokünstlerinnen ging sie Ende der 1950er-Jahre den Weg in Richtung Farbe. „Sie hat dadurch anders auf die Szene geblickt“, betonte Moser. Weniger die Gestik stand nun im Vordergrund, sondern mehr das Wechselspiel von Farben, von hellen und dunklen Tönen.

Nur eines blieb gleich: Die Qualität und ihr Gespür für den richtigen Moment, den richtigen Ausschnitt. Gearbeitet hat die 2009 verstorbene Levitt bis ins hohe Alter, über die Privatperson weiß man aber selbst bis heute wenig. So lässt sich bis Ende Jänner in der Albertina eine Künstlerin erkunden, „die komplett hinter ihr Werk zurücktritt“ (Moser) und mit ihren Arbeiten doch viel verrät.

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