Bernstein: „Man hat mit vielen Ex-Nazis zu tun“

In der Schau „Ein New Yorker in Wien“ des Jüdischen Museums wird das Verhältnis des US-Startdirigenten und Komponisten Leonard Bernstein zu Wien beleuchtet. Der Maestro war sich auch der Nazi-Vergangenheit der Stadt stets bewusst.

Leonard Bernstein wurde 1918 in der Nähe von Boston geboren, studierte in Harvard und war beruflich in New York zu Hause. Von 1966 bis zu seinem Tod 1990 kam er immer wieder nach Österreich, wobei hier vor allem seiner Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern große Bedeutung beigemessen wird. Was nach Erfolgsgeschichte klingt, war allerdings nicht frei von Vorbehalten und politisch konnotierten Konflikten.

Überhaupt dauerte es eine Weile, bis Bernstein Wien für sich entdeckte, wie anhand von in der Dependance am Judenplatz gezeigten Telegrammen und Briefen verdeutlicht wird. Schon unmittelbar nach dem Krieg bemühten sich die Gesellschaft der Musikfreunde bzw. die Philharmoniker um ein Gastspiel. Doch Bernstein zeigte sich 1947 noch skeptisch. Er vermutete zu Recht, dass es damals im Orchester noch immer ehemalige Nazis gab. Es folgte immerhin ein Auftritt mit den Wiener Symphonikern 1948 im Konzerthaus.

„Auf einmal ist es schick, jüdisch zu sein“

Erst 1966 arbeitete er erstmals mit den Philharmonikern an der Staatsoper. Er debütierte mit einem umjubelten, von Luchino Visconti inszenierten „Falstaff“. Auch die ersten Abo-Konzerte des Orchesters unter Bernstein fanden in diesem Jahr statt. Insgesamt stand der Weltstar bei 197 Konzerten der Philharmoniker am Pult, wie Kurator Werner Hanak bei der Präsentation. Das Verhältnis war jedoch noch lange Zeit ambivalent.

Museumsdirektorin Danielle Spera verwies auf Briefe Bernsteins an seine aus der heutigen Ukraine stammenden Eltern, in denen er versichert, Wien „unglaublich“ zu genießen - so sehr man das als Jude eben könne. „Es ist hier voller trauriger Erinnerungen und man hat mit so vielen Ex-Nazis (und möglicherweise immer noch Nazis) zu tun; und nie kannst du dir sicher sein, ob nicht einer unter denen, die Bravo schreien, dich vor 25 Jahren einfach erschossen hätte“, heißt es in der Korrespondenz.

Sein in Wien erlangter Heldenstatus erschien ihm durchaus dubios: „Auf einmal ist es schick, jüdisch zu sein.“ In Gästebücher trug er sich als „Jude im Hemd“ ein - eine Anspielung auf den Antisemitismus und die Süßspeise „Mohr im Hemd“. Auch kleidete er sich gerne in einen Trachtenjanker, als „Therapie gegen den deutschen Nationalismus“, wie er sagt. Er musste auch zur Kenntnis nehmen, dass Philharmoniker-Vorstand Helmut Wobisch nicht nur bei der NSDAP, sondern auch bei der SS und dem NS-Sicherheitsdienst (SD) tätig war. Wie er auf diese Nachricht reagierte, ist nicht bekannt.

„Verrückte Liebesbeziehung“ mit Wien

Dokumentiert ist jedoch, so wurde nun berichtet, dass sogar Kardinal König sich damals für eine Wiederkehr Bernsteins - der offenbar von Wien kurzfristig nichts mehr wissen wollte - einsetzte. Letztendlich folgte eine lange und facettenreiche Zusammenarbeit.

Oder, wie es Nina Bernstein Simmons, die jüngste Tochter Bernsteins, bei der Präsentation heute ausdrückte: Ihren Vater habe eine „verrückte Liebesbeziehung“ mit der Stadt und dem Orchester verbunden. Wobei der Gast aus den Staaten auch eine musikalische Mission hatte, bei der er anfangs ebenfalls auf Widerstände stieß: den Philharmonikern den lange Zeit verdrängten Komponisten Gustav Mahler wieder zurückzubringen.

Bernstein-Ausstellung im Jüdischen Museum

Leonard Bernstein war eine Ausnahmepersönlichkeit. Seinem Verhältnis zu Wien widmet sich nun das Jüdische Museum.

Bei Peter Rapp im „Wurlitzer“

In der Ausstellung sind neben zahlreichen Briefen und Dokumenten auch Objekte aus dem persönlichen Besitz des Dirigenten zu sehen, etwa ein von seinem Schneider Otto Perl angefertigter Frack. Perl war ein Wiener Jude, der nach mehrmonatiger KZ-Haft in die USA fliehen konnte. Auch Geschenke von Fans, wie etwa ein handlicher Reiseaschenbecher, sind zu bestaunen. Bernstein war mit manchen seiner Anhänger auch befreundet - und wurde von diesen unter anderem mit Vanillekipferl versorgt, wie zu erfahren ist.

Besucher der Schau können an einzelnen Hörstationen auch berühmten Aufnahmen Bernsteins lauschen. Ein absolut denkwürdiger Auftritt im österreichischen TV ist ebenfalls zu bewundern: der Klassik-Weltstar zu Besuch bei Peter Rapp im „Wurlitzer“, wo Bernstein um Musikwünsche gebeten wurde - und sich für Michael Jacksons „Thriller“ entschied.

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