Zu viele Gründe für zu wenig Ärzte

Ärztemangel in Wien ist kein neues Thema, aber eines, das immer wieder aufflammt. Jüngstes Beispiel ist die Neonatologie im Kaiser-Franz-Josef-Spital, wo spezielle Kinderärzte fehlen. Die Gründe für den Ärztemangel sind vielschichtig.

„Es ist kein Geheimnis, dass es mehrere Fächer der Medizin gibt, wo es zu wenig Nachwuchs gibt. Das ist ein Thema, dem wir uns widmen müssen“, sagte Gesundheitsheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) im vergangenen August. Dem stimmt auch die Ärztekammer für Wien zu, zumindest insofern, als es sogenannte Mangelfächer gibt, ärztliche Disziplinen also, wo es zu wenig ausgebildete Ärztinnen und Ärzte gibt. Dazu gehören nicht nur Neonatologie, sondern die gesamte Kinderheilkunde, Radiologie und Anästhesie.

Untersuchung

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Radiologie ist eines der „Mangelfächer“ in Wien

„System wirkt auf Ärzte abschreckend“

Erst jüngst spürbar wurde dieser Mangel im Kaiser-Franz-Josef-Spital. Dort musste die intensivmedizinische Betreuung von Früh- und Risikoneugeborenen wegen Personalmangels eingestellt werden, die Versorgung sei aber mit insgesamt 117 Neonatologiebetten in fünf Spitälern sichergestellt - mehr dazu in Keine Baby-Intensivbetten mehr im SMZ Süd. Von einem Ärztemangel will die Meduni Wien nicht sprechen, vielmehr von einem ineffizienten System.

Rektor Markus Müller verweist darauf, dass es in den 1980er Jahren 20.000 Ärzte gab und von einer Ärzteschwemme gesprochen wurde. Heute gebe es 45.000 Ärzte und es werde von einem Ärztemangel gesprochen. Die Meduni sieht ein Verteilungsproblem und fordert zudem eine Verbesserung der Ausbildungen nach Studienabschluss. Es gebe fast 100 Prozent Absolventen, viele davon würden aber vom System abgeschreckt. Man sollte sich fragen, warum aus Deutschland stammende Studierende nach ihrem Abschluss zurück gehen und nicht in Österreich bleiben.

MedUni Wien / AKH Wien

MedUni Wien/AKH Wien/Houdek

Ärzte werden minderqualifiziert eingesetzt

Das System müsse attraktiver werden, hieß es bereits im vergangenen November seitens der Meduni: „Die derzeitige Struktur der Gesundheitsversorgung benötige aufgrund des mangels an Pflege- und Administrativkräften eine international unüblich hohe Zahl an minderqualifiziert eingesetzten Ärzten.“

Ärztekammer sieht „massive Arbeitsverdichtung“

Ähnlich sieht das auch die Ärztekammer für Wien. Hier ist die Rede von „so vielen Baustellen gleichzeitig“, etwa von sehr hoher Arbeitsbelastung bei steigenden Patientenzahlen oder von einer mangelnden Attraktivität der Arbeitsstellen in den sogenannten Mangelfächern. So seien auch die Bereiche Pflege und Verwaltung unterbesetzt, die Arbeit werde auf Ärzte abgewälzt.

Ein Punkt ist auch, dass die Verdienste im internationalen Vergleich eher niedrig sind, ein anderer, dass bis 2015 55 Stunden Wochenarbeitszeit möglich waren, seit der Einführung EU-konformer Arbeitszeitregelungen aber nur noch 48. Das hat laut Ärztekammer zu einer massiven Arbeitsverdichtung geführt. Hinzu komme noch eine vor allem bei niedergelassenen Ärzten in den kommenden Jahren bevorstehende Pensionierungswelle sowie für alle Bereiche - auch was die Infrastruktur betrifft - das Fehlen von Geld.

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APA/Helmut Fohringer

Entlohnung für Ärztekammer Teil einer Lösung

„Arbeiten in Wien attraktiver machen“

Der Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, Wolfgang Weismüller, spricht von einem Phänomen, das in Wien beobachtet werden kann, nämlich „dass Kollegen im Alter von Mitte/Ende 40 die Spitäler verlassen. Das ist sehr ungünstig, weil es gut ausgebildete Kollegen sind, die da weggehen“. Hier wandere viel Wissen ab, was den Spitälern weh tue.

Eine Lösung des Problems Ärztemangel in Wien müsste wohl über die Bezahlung gehen, weil das Arbeiten in Wien einfach nicht attraktiv sei, so Weismüller. Es gebe eben Alternativen. In der Zeit eines Ärztemangels wie jetzt gebe es viele Argumente, die für einen Jobwechsel sprechen: „Wenn ich mir aussuchen kann, wo ich arbeite, gibt es halt viele Argumente, eines davon ist das Geld und ich kann in der Niederlassung derzeit weit mehr verdienen“, so Weismüller.

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