Politikexperte: Hebein „Kampfansage an SPÖ“

Seit letzter Nacht haben die Wiener Grünen mit Birgit Hebein eine neue Nummer eins. Für den Politikexperten Thomas Hofer ist Hebein eine „Kampfansage“ an den roten Koalitionspartner.

Die neue grüne Spitzenkandidatin hatte schon bei der Vorwahl aufhorchen lassen - sie wolle eine kantigere Politik gegenüber dem roten Koalitionspartner. Außerdem kritisierte sie Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) etwa für das Alkoholverbot beim Bahnhof am Praterstern. Wenn Hebein nun auch grüne Vizebürgermeisterin wird, prognostizierte Hofer im Radio-Wien-Interview bald einen Koalitionsstreit: „Es wird möglicherweise relativ bald krachen in der Koalition.“ Zumindest werde es „um einiges steiniger werden“.

Birgit Hebein

APA/HELMUT FOHRINGER

Hebein machte das Rennen bei der parteiinternen Briefwahl der Grünen

Womit Hebein punkten konnte

Hofer hatte Hebein bei ihrer Kandidaturverkündung noch für eine Außenseiterin gehalten. Allerdings habe sich die Stimmungslage in den letzten Wochen verdichtet, Hebein habe mobilisiert - vor allem im NGO-Bereich. Sie habe im Wahlkampf auch „ganz gut auf das Faktum gesetzt, dass sie die aussichtsreichste Frau im Rennen“ sei. „Kumuliert ist sich das dann ausgegangen“, so Hofer. Punkten konnten sie laut Hofer eben damit, dass sie ihre Wurzeln im Sozial- und NGO-Bereich gut ausgespielt und einen kantigen Kurs angekündigt habe. Das werde eine gewisse Abgrenzung gegenüber der SPÖ darstellen - für Hofer eine „Kampfansage“.

Fünf Kandidaten

Fünf Personen standen zur Abstimmung, neben Hebein waren das Rathaus-Klubchef David Ellensohn, Gemeinderat Peter Kraus, der Meidlinger Bezirksrat Benjamin Kaan und die Ärztin Marihan Abensperg-Traun.

Vorgezogene Neuwahl jetzt wahrscheinlicher

Laut dem Experten bleibt Hebein auch keine andere Wahl. Aufgrund der niedrigen Bekanntheit müsse sie auffallen, damit sie bei der nächsten Wien-Wahl nicht aufgerieben werde, und sie werde wohl auch versuchen, im Teich der linken SPÖ-Wähler für die Grünen zu fischen. Plangemäß wäre die Wahl in zwei Jahren. Hofer hält es aber für möglich, dass es wegen Hebein nun eine vorgezogene Neuwahl gebe. „Mit Peter Kraus wäre es sicherlich einfacher gewesen für die SPÖ, es bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2020 durchzuziehen“, so Hofer zum geschlagenen Kontrahenten Hebeins.

„Es wird schwer“

Hebein sei nicht das bekannteste Gesicht, so Hofer auf die Frage, wie aussichtsreich die Grünen mit Hebein bei der nächsten Wahl seien. Er ortet ein „Startproblem“. Es werde aber wohl insgesamt schwer für die Grünen - egal, wer gewonnen hätte. Das besondere Wahlsystem an sich könnte zudem Probleme bereiten, so Hofer.

Für den Sieg war eine einfache Mehrheit nötig - also mindestens 50 Prozent plus eine Stimme. Da das auf Anhieb angesichts fünf Konkurrenten eher unwahrscheinlich zu schaffen ist, bauten die Grünen in dem Modus eine Art Stichwahl ein. In diesem als „Instant-Runoff“ bekannten System ist vorgesehen, dass Wählerinnen und Wähler nicht nur ihren Favoriten nennen, sondern auch die anderen Bewerberinnen und Bewerber reihen.

Für den Fall, dass es bei der Auswertung der Erststimmen keinen klaren Sieger gibt, wird laut dem Wahlsystem unter Berücksichtigung der nachgereihten Namen weiter ausgezählt - und zwar so lange, bis der Gewinner oder die Gewinnerin klar feststeht. Dieses System kam am Montag zur Anwendung, wie es auf APA-Anfrage hieß. Nähere Einzelheiten zum Ergebnis sollen am Dienstag bei einer Pressekonferenz bekanntgegeben werden.

Kraus bei Erststimmen voran

Hofer zieht einen Vergleich zum letzten Bundespräsidentschaftswahlkampf: Wenn hier im ersten Wahldurchgang auch die Möglichkeit bestanden hätte, eine zweite Präferenz, eine Zweitstimme abzugeben, falls der jeweils eigene Topkandidat nicht gewinnt, wäre die Bundespräsidentschaftswahl wohl im ersten Wahldurchgang anders ausgegangen.

Hofer spricht von „Gerüchten“, dass bei den Grünen im ersten Wahldurchgang Kraus vorne gelegen sei - sie sollten sich bestätigen, wie die Bekanntgabe des Ergebnisses Dienstagmittag zeigte. Es könnte sein, dass Hebein genau von diesem Effekt profitiert habe, dass sie einfach sehr häufig als Zweit- oder Drittgereihte „quasi da war“. „Man hat in Wahrheit in einem Wahlgang schon die potenziellen Stichwahlen reinverpackt.“ Und weiter: „Sie (Hebein, Anm.) hat sich da einfach auch als wählbare Alternative für jene positioniert, die eigentlich eine erste andere Wahl hatten.“

2.600 Stimmen abgegeben

Zwei Wochen lang hatten Parteimitglieder sowie registrierte externe Wähler Zeit, an der Wahl teilzunehmen. Stimmberechtigt waren rund 3.400 Personen. Wer persönlich sein Votum abgeben wollte, konnte das am Montag in einem Wahllokal in der Parteizentrale in der Lindengasse tun. Wie die Partei am späten Montagabend mitteilte, beteiligten sich letztlich 2.600 Menschen an dem grünen Urnengang - mehr dazu in Grüne: Hebein neu an Spitze (wien.ORF.at; 26.11.2018).

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