Glamour und Politik beim Filmpreis
Froschs „Murer“ behandelt den Prozess gegen Franz Murer, den „Schlächter von Wilna“, der 1963 trotz erdrückender Beweise aus politischem Opportunismus in Graz von seinen NS-Kriegsverbrechen freigesprochen wurde. Frosch setzt unter Verwendung der Gerichtsprotokolle vor allem bei den originalen Zeugenaussagen auf Authentizität.
Der Film war in insgesamt acht Kategorien nominiert gewesen. Gewonnen hat er neben der Hauptkategorie schließlich auch den Preis für die beste Nebendarstellerin. Die 74-jährige Inge Maux spielt in dem Film die Rolle der Perl Akin. Regisseur Frosch hielt seine Rede erfrischend kurz. Er dankte der Regierung, dass sie seinen Film so „aktualisiert hat“.

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Regisseur Christian Frosch: Stolzer Gewinner im Kreis aufgeregter Preisträger
Appell für Menschlichkeit
Der Preis für die beste Regie ging an Wolfgang Fischer, der sich per Videobotschaft im Rathaus meldete. In seinem Film „Styx“, einem politischen und packenden Drama, geht es um eine deutsche Seglerin, die auf ihrer Reise über das Meer einem überladenen Flüchtlingsboot begegnet. Fast der gesamte Film wurde auf See gedreht - unter extrem erschwerten Bedingungen. Fischer und Ika Künzel wurden mit dem Film auch für das beste Drehbuch ausgezeichnet, Monika Willi für den besten Schnitt.
Auch Fischer sprach in seiner Rede die politische Situation in Österreich an und setzte einen Appell für Menschlichkeit und „offene Herzen“ ab.

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Gruppenbild der diesjährigen Gewinner
Beckermann „schockiert“ über Aktualität
Bester Dokumentarfilm ist der viel besprochene und auch international viel beachtete „Waldheims Walzer“ von Regisseurin Ruth Beckermann. Sie rollt die Waldheim-Affäre auf und macht sie dadurch für kommende Generationen nachvollziehbar. Es ist aber nicht nur ein Film über Opportunismus und Geschichtsvergessenheit, sondern auch einer über Mut und Widerstand.

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Ruth Beckermann: Die Realität habe ihren Film überholt
Beckermann zeigte sich in ihrer Ansprache „schockiert“ über die neue Aktualität ihres Filmes. Die Realität, so Beckermann, habe ihren Film überholt: „Aus Waldheim wurde Waldhäusl, vom Heim zum Häusl.“ Sie kritisierte die ÖVP, die der FPÖ nichts entgegenhalte: „Niemand soll später sagen, er hätte von nichts gewusst.“
„Aufmüpfige Individualisten“
Beste Hauptdarstellerin ist die 87-jährige Burkhard. Sie spielte im Bergbauerndrama „Die Einsiedler“ die Mutter eines von Andreas Lust gespielten Bergbauern. Burkhard gab ihre Rolle mit großer Intensität und Ruhe - die Mutter im Film will den Sohn davon abhalten, den Hof zu übernehmen und sich dem mühsamen Leben auf dem Berg zeitlebens auszusetzen.

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Ingrid Burkhard während ihrer Preisrede
In ihrer Rede freute sie sich, vor einem „Saal aufmüpfiger Individualisten“ sprechen zu dürfen. Es sei aber noch wichtiger, draußen mit den Menschen zu sprechen, so wie sie das mit ihren Enkeln getan hat, denen sie von ihren Erlebnissen während der Zeit des „Anschlusses“ und während des Krieges erzählt hat. Der Preis für die beste Kamera ging an Klemens Hufnagl, ebenfalls für „Die Einsiedler“.
Große Freude bei Gewinnern
Als bester Spielfilm wurde „Murer - Anatomie eines Prozesses“, als bester Dokumentarfilm „Waldheims Walzer“ prämiert.
Rupp und die Paranüsse
Der 31-jährige Rupp wurde für seine Rolle in „Cops“ als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. Er spielt den jungen Polizisten Christoph, der seine Ausbildung bei der Spezialeinheit WEGA absolviert und das betont maskuline Umfeld zunächst schätzt, aber mehr und mehr zum Zweifler wird. Rupp hielt eine humorvolle Rede, in der er sich beim Team bedankte, schon von der ersten Idee an dabei gewesen sein haben zu dürfen. Und er bedankte sich bei seiner Frau für die Paranüsse mit all ihren Kalorien. Eine Anspielung darauf, dass er für den Film an seiner Körperlichkeit arbeiten musste?
Ebenfalls an „Cops“ gehen die Preise für die beste männliche Nebenrolle (Anton Noori) und für die beste Tongestaltung (Claus Benischke-Lang, Thomas Pötz und Sebastian Watzinger).
Drei Preise gehen auch an Markus Schleinzers „Angelo“: bestes Kostümbild (Tanja Hausner), beste Maske (Anette Keiser) und bestes Szenenbild (Andreas Sobotka und Martin Reiter).
ORF-Beteiligung
Zehn Auszeichnungen gingen an Filme, die der ORF im Rahmen des Film-Fernseh-Abkommens mitfinanziert hat: „Cops“, „Angelo“, „Murer – Anatomie eines Prozesses“, „L’Animale“ und „Waldheims Walzer“.
Der Film mit dem besten Titel
Der Preis für den besten Kurzfilm ging verdientermaßen an Bernhard Wenger für „Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“. Darin entzweit sich ein junges ausländisches Liebespaar, das in den Bergen auf Wellnessurlaub ist. Plötzlich ist die Freundin weg, was der Bursch nicht gleich wahrhaben will. Aber wo eine Türe zugeht, geht eine andere auf. Gäbe es eine Kategorie für den besten Titel, hätte der Film wohl auch in dieser gewonnen.
Bernhard Fleischmann erhielt den Preis für die beste Filmmusik für „L’Animale“.
Glamour und Humor
Insgesamt wurden Gewinner in 16 Preiskategorien gekürt, die die 400 stimmberechtigten Mitglieder der Österreichischen Filmakademie gewählt haben. Moderiert wurde der Abend im glanzvollen Ambiente mit viel Humor und Schwung von Caroline Peters und Nicholas Ofczarek. Die Roben der Ballbesucherinnen waren beeindruckend, wobei auch die Herren nicht alle in langweiligem Schwarz-Weiß herumliefen - Exzentriker eben, wie sie in der Filmbranche nicht selten anzutreffen sind. Die musikalische Untermalung bestritt die Mnozil Brass Band.
Simon Hadler, ORF.at