Debatte um Milli-Görüs-Jugendzentrum

Eine Einrichtung der türkisch-nationalistischen Milli-Görüs-Bewegung sorgt für Debatten. Laut „Krone“ hat der Verein ein Jugendzentrum im 15. Bezirk gegründet. Ein Jugendanwalt bezeichnet das als „problematisch“, Stadt und Bund schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.

Im „Krone“-Bericht ist von einem „Hauptquartier einer europaweiten Jugendvereinigung“ die Rede, „um islamische Werte und die Bruderschaft zu verbreiten“. Der Standort sei schon im Jänner am Sechshauser Gürtel eröffnet worden.

Die Stadt Wien hat schon vor einigen Tagen - offenbar durch die „Krone“-Recherchen auf die Causa aufmerksam gemacht - Jugendanwalt Nik Nafs eingeschaltet. Dieser ist auch Teil des „Wiener Netzwerk Deradikalisierung und Prävention“. Er bestätigte die Existenz der Niederlassung. „Ich habe noch in der Vorwoche das Landesamt und diese Woche das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung um genauere Informationen ersucht“, bis jetzt gebe es von den Stellen aber noch keine Auskünfte.

Problematische Einstellungen

Nachstellungen von Schlachten durch Kinder, wie sie im Vorjahr in einer Atib-Moschee in Wien bekannt geworden sind, sind laut Nik Nafs wohl eher nicht zu erwarten: „Milli Görüs war nicht extremistisch und hat noch nie zu Gewalt aufgerufen oder war in Gewalttätigkeiten verwickelt - anders als etwa die Grauen Wölfe. Aber die Bewegung hat sehr problematische Einstellungen - etwa in Bezug auf Homophobie, Antisemitismus oder Nationalismus etc..“

Debatte um Milli-Görüs-Jugendzentrum

Eine Einrichtung der türkisch-nationalistischen Milli-Görüs-Bewegung ist laut Jugendanwalt „problematisch“.

Es sei jedenfalls „nicht akzeptabel, wenn Kinder und Jugendliche für solche politischen Machtkämpfe instrumentalisiert werden“. Dass Milli Görüs in Wien eine Jugendbewegung gründet, habe wohl mit den anstehenden Kommunalwahlen in der Türkei zu tun, vermutet Nik Nafs. „Die Milli-Görüs-Bewegung ist zwischen AKP und der Saadet-Partei gespalten. Die AKP hat inzwischen viele Sympathisanten der Milli-Görüs-Bewegung für sich gewinnen können. Saadet versucht nun offenbar, ihre Anhänger in Milli Görüs neu zu positionieren“, erklärte er.

ÖVP und FPÖ sehen Wien in der Pflicht

ÖVP und FPÖ sehen in der Angelegenheit ein Versagen der Bundeshauptstadt. „Das jahrelange Wegschauen hat in Wien den Weg frei für die Entstehung von Parallelgesellschaften gemacht“, beklagte ÖVP-Minister und Landesparteiobmann Gernot Blümel. Die Stadt dürfe nicht zum „Zentrum des politischen Islam werden“, forderte Blümel Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf dringend zu handeln - denn: „Was Rot-Grün über Jahrzehnte gesät hat, trägt jetzt Früchte in Form von organisierten islamischen Vereinigungen. Dort wird nicht Integration, sondern vielmehr Segregation von unserer Gesellschaft vermittelt.“

Johann Gudenus, geschäftsführender Klubobmann der Bundes-FPÖ und geschäftsführender Wiener Parteiobmann, äußerte sich in eine ähnliche Richtung: „Dieser Verein, der mit vielen extrem-islamistischen Aussagen auf sich aufmerksam macht, ist das beste Beispiel am roten Politversagen in Wien“, ortete er ein Versagen Ludwigs in Integrationsfragen. Und Gudenus äußerte Zweifel darüber, dass die SPÖ zuvor nichts von den Aktivitäten der Bewegung in Wien gewusst habe.

Wien wartet auf Bundesbehörden

Im Rathaus wiederum sieht man vielmehr den Bund, konkret das Innenministerium, in der Pflicht. Denn die Bundesländer hätten bereits im Frühjahr 2018 auf Wiener Initiative hin bei der Konferenz der Jugendlandesräte einstimmig den Antrag an den Innenminister bzw. den Verfassungsschutz gestellt, „Vereine, die autoritäre oder islamisch-nationalistische Ideologien verbreiten, genauestens zu beobachten und die Länder regelmäßig darüber zu informieren“, betonte Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ).

„Das ist immer noch nicht passiert. Die Bundesregierung macht ihren Job nicht und das ist fahrlässig“, ärgerte sich der Ressortchef: „Ich fordere den Innenminister auf, endlich tätig zu werden. Gerade angesichts des nahenden Wahlkampfs in der Türkei müssen die Aktivitäten dieser Gruppen genauestens beobachtet werden.“

Bürgermeister Ludwig hatte sich am Donnerstagvormittag am Rande einer Pressekonferenz bereits ähnlich geäußert. Innenministerium und Polizei seien zuständig: „Wir erwarten uns Informationen der Bundesbehörden.“ Denn Wien habe schließlich keine Geheimpolizei.

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