Theaterprojekt greift „einsame Begräbnisse“ auf

Wie viele „einsame Begräbnisse“ ohne Freunde und Familie es in Wien gibt, ist unbekannt. Das Theaterkollektiv „Darum“ macht Schicksale der „einsamen“ Toten zu einer Erlebnistour und das Publikum zur begleitenden Trauergemeinde.

„Dem Vergessen setzen wir den Akt des gemeinsamen Erinnerns entgegen“, sagt Laura Andreß, eines der Gründungsmitglieder von „Darum“. Gemeinsam mit Victoria Halper und Kai Krösche begibt sich Andreß in ihrem Stück „Ungebetene Gäste“ mit dem Publikum in mehreren Stationen quer durch Wien auf die Spuren einsam begrabener Menschen. Die Tour dauert ungefähr vier Stunden und setzt realen Verstorbenen ein Denkmal.

Einsame Schicksale werden auf Tour vorgestellt

„Einsame Begräbnisse“ sind Beisetzungen ohne Familienmitglieder oder Bekannte. Ihre Zahl steigt in Wien langsam, aber stetig an. „Darum“ stellt von 24. bis 31. März jeweils ein hinter einem einsamen Begräbnis stehendes reales Schicksal in den Mittelpunkt. Dabei geht es um Menschen, die im Alter von 39 bis 68 Jahren gestorben sind, unter anderem eine Wiener Pensionistin, einen ehemaligen Obdachlosen, sowie Migranten und nach Wien gezogenen Menschen.

Videos und läutende Telefone

Seit etwa einem Jahr arbeitet das Team an der Produktion. Die Vorstellung findet an mehreren Schauplätzen in Wien statt. „Es gibt verschiedene Stationen, in denen Sprache, Musik, Essen, Text und Raum ineinander fließen - zu einer Auseinandersetzung eigentlich mit dem Leben und mit dem Dasein der Menschen“, erläutert Andreß. Sie bezeichnet das Projekt als künstlerische Übersetzung von real stattfindenden Trauervorgängen.

Die Vorstellung beginnt im Werk X am Petersplatz. Hier kann sich das Publikum frei in den Räumen des Theaters bewegen. „Es gibt verschiedenste Stationen, darunter auch eine begehbare Wohnung“, beschreibt Kösche den ersten Vorstellungsort ihrer Veranstaltung. Das Publikum hat ungefähr eine Stunde Zeit, sich basierend auf den rund einen Monat dauernden Recherchen von „Darum“ einen Eindruck von der verstorbener Personen zu bekommen.

Unter anderem werden dazu Videos oder Musik verwendet. In den Videos sind etwa Gegenstände zu sehen, die den Verstorbenen zu Lebzeiten wichtig waren. Außerdem gibt es Telefone, die läuten. Die Besucherinnen und Besucher können abheben und bekommen Fragen zu Themenbereichen gestellt, die einen Bezug zu dem toten Menschen hat.

Veranstaltungshinweis

Ungebetene Gäste, So. 24. März, 12.00 Uhr, Di. 26. März, 14.00 Uhr, Do. 28. März, 14.00 Uhr, Sa. 30. März, 12.00 Uhr, So. 31. März, 12.00 Uhr. WERK X-Petersplatz, 1010 Wien

Texte zu Verstorbenen

Von der Bühne geht es für Darsteller und Publikum vom Theater per Bus an den Wiener Stadtrand. Während der Busfahrt quer durch Wien wird abseits der Verstorbenen auf die Vergänglichkeit aufmerksam gemacht. Dabei werden Fragen aufgeworfen, wie „Wer hat ein Denkmal verdient? Warum wird an bestimmte Leute erinnert und andere werden einfach vergessen?“, so Halper.

Der Zentralfriedhof ist die nächste Station der Produktion: Bei einem sogenannten „Hörspaziergang“ über den Friedhof hört das Publikum über Kopfhörer einen zur begrabenen Person passenden literarischen Text. Fünf Autorinnen und Autoren haben zu je einem der Verstorbenen einen Text geschrieben. Jeder Besucher und jede Besucherin kann so die Atmosphäre und den Text auf sich wirken. „Und was dann passiert wollen wir noch nicht verraten“, meint Krösche.

Statt Grabstein ein Gedenkzeichen aus Holz

In Wien finden jährlich ca. 13.000 Bestattungen statt. Davon sind ungefähr 900 Bestattungen auf Anordnung der Sanitätsbehörde, „wenn entweder keine Angehörigen mehr da sind oder sich die Angehörigen nicht melden, zum Beispiel weil die Angehörigen die Kosten nicht übernehmen wollen“, so Florian Keusch von der Bestattung Wien. Auch der Einsegnungsdienst der Erzdiözese Wien kennt keine genauen Zahlen. Jedoch steigt die Anzahl der Sozialbegräbnisse, heißt es dort.

Ein „einsames Begräbnis“ ist einfach gehalten, so Keusch. Ein schlichter Sarg wird in der Aufbarungshalle aufgebahrt, es werden Blumen auf den Sarg gelegt und die Bestattungsmitarbeiter verabschieden sich mit einer Trauerminute. Anschließend wird der Sarg in einem freien Grab auf dem Zentralfriedhof beigesetzt. „Es gibt keine eigene Gruppe – dort wo ein Grab frei ist, wird beigesetzt. Das Grab besteht dann auf zehn Jahre und es wird ein Gedenkzeichen aus Holz aufgestellt“, betont Keusch.

„Einsam ist nicht gleich einsam“

Als Gründe für „einsame Begräbnisse“ nennt Keusch unter anderem „die steigende Lebenserwartung, oft sind schon alle Verwandten verstorben, aber auch die Anonymität der Großstadt, man hat seltener Kontakt mit Nachbarn.“ Die Anzahl der „einsamen Begräbnisse“ steigt jährlich leicht an, um ein paar Fälle. Es ist aber nicht so, dass sämtliche Menschen, die einsam beerdigt wurden, auch tatsächlich keine Angehörigen mehr haben.

„Es ist ganz wichtig, das Bewusstsein zu schärfen, dass ein einsames Begräbnis nicht gleichzusetzen ist mit dem Begräbnis eines einsamen Menschen“, betont Laura Andreß. „In dem Stück geht es insgesamt sehr viel um das Thema der Gemeinschaft, der Gruppe und natürlich auch der Einsamkeit zwangsläufig - und in dem Abend wechseln sich diese Formate sehr häufig ab.“

Links: