Ex-Obdachlose sollen Obdachlosen helfen

Die Wohnungslosenhilfe neunerhaus bildet ehemalige Obdachlose in einem neuen Kurs zu Peers aus. Sie sollen in Zukunft als Experten und Expertinnen ihr Wissen weitergeben lernen und damit Obdachlose unterstützen.

Im Rahmen des Zertifikatskurses werden zwanzig ehemalige Obdachlose zu sogenannten Peers der Wohnungslosenhilfe ausgebildet. Als Experten sollen sie später in den interdisziplinären neunerhaus-Teams mitarbeiten und ihr Wissen einbringen. Ziel sei es, durch die bezahlte Arbeit wieder zu gesellschaftlicher Anerkennung zu gelangen, sagt Daniela Unterholzner, Geschäftsführerin des Neunerhauses.

Neunerhaus Ordination Obdachlose

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Im Neunerhaus erhalten Nicht-Versicherte medizinische Versorgung

Höhere Empathie

„Wenn es einem nicht gut geht, fühle ich mich verstandener, wenn jemand in so einer Situation war und das nachvollziehen und nachfühlen kann. Dann kann ich mich leichter öffnen“, so Unterholzner gegenüber Radio Wien. Der Lehrgang wurde gemeinsam mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und dem Fonds Sozialen Wien entwickelt.

Der Verein neunerhaus besteht seit mittlerweile zwanzig Jahren. Die Sozialorganisation widmet sich wohnungslosen Menschen - wobei insgesamt 23.520 mal Hilfe geleistet wurde, wie am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz berichtet wurde. Dass der Bedarf geringer wird, sei nicht abzusehen, hieß es. Die Geschäftsführung warnte, dass die geplanten Kürzungen bei der Mindestsicherung sich negativ auswirken.

Letzte Chance: Das Neunerhaus ist 20

Spielsucht, Alkohol, Wohnungsverlust: Das Neunerhaus hat in 20 Jahren 600 obdachlosen Menschen ein Dach über dem Kopf geboten.

Über 2.000 Betroffene wieder in eigenem Zuhause

Die Initiative erblickte 1999 das Licht der Welt - und das noch dazu im neunten Bezirk. Dies erkläre den Namen „neunerhaus“, verwiesen die beiden Chefinnen Daniela Unterholzner und Elisabeth Hammer auf die Geschichte des Hilfsprojekts. Inzwischen verfügt man über drei Wohnhäuser in Döbling, der Landstraße und in Favoriten, über mehr als 200 Einzelwohnungen sowie ein Cafe. Zum Angebot gehört auch medizinische und sogar tierärztliche Betreuung.

Mehr als 2.000 Betroffene hätten durch das neunerhaus wieder ein dauerhaftes Zuhause gefunden. Die Organisation sei gegründet worden, weil man erkannt habe, dass das damalige Angebot nicht den Bedürfnissen entsprochen hätte, berichtete Unterholzner.

Hilfe auf Augenhöhe

In Einrichtungen für Obdachlose sei es meist nicht gestattet gewesen, Tiere zu halten oder Alkohol zu trinken. Auch hätten die Bewohner meist keinen eigenen Schlüssel besessen. Das „neunerhaus“ biete hingegen Hilfe auf Augenhöhe. Das Ziel sei, Menschen wieder zurück in die Gesellschaft zu bringen.

„Das Bild von Obdachlosigkeit hat sich geändert“, sagte Co-Chefin Hammer. Es sei vielfältiger und breiter geworden. Vor allem würden immer mehr junge Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen sein. In diesem Zusammenhang sehe man auch die geplanten Kürzungen bei der Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe „sehr kritisch“: „Die Wohnungslosigkeit wird ansteigen.“

Selbstbestimmtes Wohnen als Ziel

Schon jetzt würden die Einkommen mit den Mieten kaum mehr Schritt halten, beklagte Hammer. Auch würden Betroffene immer häufiger stigmatisiert und diffamiert - etwa wenn sie die deutsche Sprache nicht gut beherrschen.

Künftig will man jedenfalls - parallel zu den bestehenden Unterkunftsangeboten - verstärkt auf selbstbestimmtes Wohnen in den eigenen vier Wänden setzen. Denn der Verbleib dort sei die beste Voraussetzung für Betroffene, um wieder Fuß zu fassen, hieß es.

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