Misstrauensvotum: Lob und Kritik aus Wien

Der Nationalrat hat der Regierung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Misstrauen ausgesprochen und sie damit des Amtes enthoben. Die Wiener Parteien sprechen von „gelebter Demokratie“ aber auch von „parteitaktischen Gründen“.

„Es gibt ein freies Spiel der Kräfte im Parlament“, so Bürgermeister Michael Ludwig über den Misstrauensantrag. Über das gemeinsame Vorgehen mit den Freiheitlichen meint der Wiener SPÖ-Chef: „Es geht darum, dass man als politische Partei, die gewählt ist von Menschen, auch die Inhalte umsetzen möchte. Das hat nichts mit einer Koalition zu tun, wenn Anträge von unterschiedlichen Parteien beschlossen werden. Es geht immer darum, dass man eine Mehrheit im Parlament benötigt und das gilt auch bei einer Vertrauensfrage.“

Bürgermeister Michael Ludwig

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Im Wiener Gemeinderat hat es laut Michael Ludwig in den letzten 15 Jahren 34 Misstrauensanträge gegeben

Nepp kritisiert „Machtrausch“

„Es ist ein Ergebnis, das sich niemand gewünscht hat, nämlich, dass eine erfolgreiche Regierung von Sebastian Kurz in die Luft gesprengt wird. Wenn man allerdings bedenkt, dass Sebastian Kurz uns das Misstrauen ausgesprochen hat, so kann er nicht verlangen, dass wir ihm noch weiter vertrauen“, sagt der designierte Landesparteiobmann der FPÖ Dominik Nepp. Er wirft Kurz einen „Machtrausch“ vor und bezeichnet das Verhältnis zur Wiener ÖVP als unterkühlt.

der designierte Landesparteiobmann der FPÖ Dominik Nepp

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Dominik Nepp bezeichnet das Verhältnis zur ÖVP als „unterkühlt“

Wölbitsch: „Parteidenke und Rache“

„Niemand in Wien und Österreich versteht, dass die SPÖ gemeinsam mit der FPÖ drei Monate vor einer Wahl eine stabile Regierung gestürzt hat. Aber Parteidenke und Rache waren selten gute politische Motive und deswegen bin ich sehr zuversichtlich, was die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler betrifft, die im September am Wort sind“, sagt ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch. Der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel wolle die Zeit nutzen, um die Wienerinnen und Wiener künftig von der neuen Volkspartei zu überzeugen.

ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch

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Markus Wölbitsch ist enttäuscht über das Misstrauensvotum

Hebein: „Stopp mit diesem Hick-Hack“

„Das ist gelebte Demokratie. Wenn es eine Mehrheit im Parlament gibt, die der bestehenden Regierung das Misstrauen ausspricht, dann ist das so zu akzeptieren“, sagt die designierte Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne). Sie versteht den Ärger von vielen in der Bevölkerung, die sagen: „Was ist da in der Politik los? Die eine Partei versucht uns an irgendwelche Oligarchen zu verkaufen, und die andere Partei, die sie in die Regierung geholt hat, tut so, als ob nichts gewesen wäre. Jetzt machen wir mal Stopp mit diesem Hick-Hack.“

die designierte Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne)

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Birgit Hebein: Das Misstrauensvotum ist zu akzeptieren

Wiederkehr kritisiert Parteitaktik

„Wir sehen, dass die Sozialdemokraten aus rein parteitaktischen Gründen gemeinsam mit den Freiheitlichen eine Regierung gestürzt haben - und das nur einen Tag nach der Europawahl. Und jetzt sind wir auf europäischer Ebene handlungsunfähig. Und jetzt kann sich Sebastian Kurz als Märtyrer aufspielen. Das ist nicht das, was wir uns erwartet hätten“, kritisiert NEOS-Klubobmann Christoph Wiederkehr. NEOS will sich nun die Parteifinanzierung genauer ansehen. Es soll nicht mehr möglich sein, die Parteien quer über Vereine zu finanzieren. „Das ist ein Sumpf, der endlich trockengelegt werden muss.“

NEOS-Klubobmann Christoph Wiederkehr

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Christoph Wiederkehr: „Nicht das, was wir uns erwartet hätten“

Aus für Regierung Kurz

Der Nationalrat hat Montagnachmittag der Regierung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Misstrauen ausgesprochen und sie damit des Amtes enthoben. Der von der SPÖ eingebrachte Misstrauensantrag wurde von FPÖ und JETZT unterstützt und hatte damit die Mehrheit, ÖVP und NEOS votierten dagegen - mehr dazu in news.ORF.at