Pelziges von Meret Oppenheim im Kunstforum

Mit der pelzüberzogenen Teetasse hat sie eine Ikone des Surrealismus geschaffen: Das Kunstforum zeigt ab Donnerstag anlässlich ihres 100. Geburtstags das Werk Meret Oppenheims in einer großen Retrospektive zum ersten Mal in Österreich.

„Eichhörnchen“ (1969) nannte Meret Oppenheim ihren Bierkrug, dessen Griff sie mit dem buschigen Schwanz eines Nagetiers verzierte. Verlockend und zugleich abstoßend wirkt das Objekt, dem Oppenheim seine ursprüngliche Funktion nahm und daraus ein absurdes Kunstwerk schuf. Die rebellische Künstlerin bediente sich bei Bestandteilen der Natur und arrangierte sie in einem neuen Kontext. So wird Vertrautes zu Ungewohntem, Gegenstände werden entfunktionalisiert.

Eichhörnchen, 1969: Bierkrügerl mit Eichhörnchenschwanz am Henkel

Peter Lauri, Bern/ VBK, Wien, 2012/13 / VG Bild-Kunst, Bonn, 2012/13

Pelziges Bierkrügerl aus dem Jahr 1969

Ausstellung in Wien zeigt Pelzkrügerl

Das pelzige Krügerl kann anlässlich ihres 100. Geburtstags in Wien bewundert werden: Eine umfassende Retrospektive im Bank Austria Kunstforum zeigt das Werk der deutsch-schweizerischen Künstlerin zum ersten Mal in Österreich. „Es war ein Versäumnis, dass es aufzuholen galt. Sie ist eine der wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts“, sagte Kuratorin Heike Eipeldauer gegenüber wien.ORF.at.

Mit Pablo Picasso auf einen Kaffee

Meret Oppenheim wurde 1913 in Berlin geboren und gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen des französischen Surrealismus und Wegbereiterin der Avantgarde. Bereits in jungen Jahren verkehrte sie mit populären Künstlern: Alberto Giacometti und Marcel Duchamp zählten zu ihrem Freundeskreis, mit Pablo Picasso trank sie Kaffee, Man Ray fotografierte sie als Akt vor einer Druckerpresse und mit Max Ernst hatte sie eine Liebesaffäre - er nannte sie liebevoll „Meretlein“.

Meret Oppenheim mit »Frühstück im Pelz«, 1971

Margrit Baumann, Bern

Ein fellbezogener Armreif diente Oppenheim als Vorlage: „Frühstück im Pelz“

Vielschichtig ist das Werk Oppenheims, die malte, collagierte, dichtete, Schmuck, Kleider, Möbel und Bühnenausstattungen entwarf. Rund 200 Arbeiten, darunter Gemälde, Zeichnungen, Designentwürfe und viele Objekte, zeugen davon in der Ausstellung.

„Ihr Werk ist von Diskontinuität und Heterogenität geprägt. Man glaubt gar nicht, dass alle diese Arbeiten von einer Künstlerin stammen“, sagte die Kuratorin über die in der Schau präsentierten Exponate. Dennoch ziehen sich manche Themen wie etwa das „Spiel als künstlerische Methode“ oder die „Fassbarkeit des Unbewussten“ wie ein roter Faden durch ihre Arbeiten. Bis zu ihrem Tod 1985 in Basel legte sich Oppenheim stilistisch jedoch nicht auf eine Form fest.

Meret Oppenheim
Husch-Husch, der schönste Vokal entleert sich,
1934 Sammlung Bürgi

Roland Aellig, Bern/ VBK, Wien, 2012/13 / VG Bild-Kunst, Bonn, 2012/13

Bildliche Umsetzung ihrer Lyrik: „Husch, husch, der schönste Vokal entleert sich“

Möbelstück von Storch inspiriert

Inspirieren ließ sich Oppenheim von menschlischen Körperteilen sowie von Vögeln, Schlangen oder Bären. „Der Bereich zwischen Mensch und Tier faszinierte Oppenheim“, so Eipeldauer. Humorvoll verlieh sie Möbelstücken animalische Züge, etwa mit dem „Tisch mit Vogelfüßen“ (1939), der im Kunstforum gezeigt wird. Zwei Tischbeine - oder besser gesagt, dürre, lange Storchenfüße - tragen die vergoldete Tischplatte, auf der sich Krallen als Abdrücke verewigt haben.

Besonders hat es Meret Oppenheim aber der Pelz angetan: Neben dem pelzigen Bierkrug sind auch ein Fell-Armreif (1935) - der ihr als Inspiration für die Pelztasse diente - und Pelzhandschuhe (1936) im Kapitel „Erotische Objekte“ zu sehen. „Sie war eine der ersten Künstlerinnen, die mit Fellmaterial gearbeitet hat und dem Material eine sexuelle Konnotation gab“, so die Kuratorin.

Meret Oppenheim
Pelzhandschuhe, 1936
Ursula Hauser Collection, Switzerland

Stefan Altenburger Photography, Zürich/ VBK, Wien, 2012/13 / VG Bild-Kunst, Bonn, 2012/13

Animalität gepaart mit Fetischismus: Pelzhandschuhe aus dem Jahr 1936

Durch Zufall entstandene Gemeinschaftsarbeit

Oft entfremdete die Künstlerin Gegenstände aus dem Alltag - ausgeflippte Kunst war das Ergebnis. Wie die „Maske mit Bäh-Zunge“, die nach der surrealistischen Methode des „cadavre exquis“ (zu Deutsch: Vorzügliche Leiche) entstanden ist. Ursprünglich ging es dabei um einen spielerischen Weg, durch Zufall und in Gemeinschaftsarbeit Texte und Bilder entstehen zu lassen: Man zeichnet etwas auf ein Blatt Papier, knickt es um und gibt es weiter. Oppenheim übertrug sie in die dritte Dimension: Gesammelte Fundstücke wurden zu einem Kunstwerk zusammengesetzt.

Meret Oppenheim
Das Paar, 1956
Privatbesitz

VBK, Wien, 2012/13 / VG Bild-Kunst, Bonn, 2012/13

An der Spitze zusammengewachsen: „Das Paar“ (1956)

Eine Pelztasse machte sie berühmt

„Dejeuner en fourrure“, die Pelztasse, gilt als ihr berühmtestes Werk, mit dem sie eine Ikone der Objektkunst geschaffen hat. Bei einer Tasse Tee im Pariser Cafe de Flore kam sie auf die Idee: Auf die Aussage Pablo Picassos, dass man alles mit Pelz überziehen könne, antwortete sie lapidar: „Sogar diese Tasse und den Unterteller“.

Austellungshinweis
Meret Oppenheim, Bank Austria Kunstforum, 21. März bis 14. Juli 2013, täglich 10.00 bis 19.00, Freitag bis 21.00 Uhr, Eintritt 9 Euro, Zur Austellung erscheint ein Katalog (312 Seiten, 29 Euro)

Sendungshinweis
„Wien heute“, 20. März 2013

Sie kaufte eine Teetasse aus Porzellan samt Untersetzer und Teelöffel und beklebte sie mit dem Pelz einer chinesischen Gazelle. Auf diese Weise verwandelte sie einen Gebrauchsgegenstand in etwas vermeintlich Lebendiges. „Das Fell der Tasse übt einen taktilen Reiz aus. Unvereinbare Empfindungen wie Ekel und Begierde verband Oppenheim in einem Tischservice“, so Eipeldauer.

Innerhalb kürzester Zeit verhalf die Pelztasse Oppenheim zu Berühmtheit. Wohl auch deswegen, weil Alfred Barr Jr. das Frühstücksgeschirr kurze Zeit später für das MoMa in New York erwarb - bis heute eines der wenigen Arbeiten von Oppenheim, die das Haus besitzt. Für die Ausstellung in Wien über den Atlantik reisen wird die Pelztasse nicht: „Wir haben natürlich mit dem Moma gesprochen, uns aber darauf geeinigt, dass die Tasse in New York bleibt. Sie ist auch eine Ikone der Moma-Sammlung, weil sie sehr früh angekauft wurde“, so die Kuratorin.

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