„Richtig lachen kann ich nie“

In seiner wöchentlichen „Radio Wien“-Sendung „Menschen im Gespräch“ hat Bernd Matschedolnig mit der 89-jährigen Elly Braun Schlesinger über ihre Kindheit in Wien, ihre Flucht vor den Nazis und ihr Engagement für verfolgte Juden gesprochen.

Elly Braun wurde am 13. Juni 1924 als Elly Schlesinger in Wien geboren. An ihre Kindheit und Jugend in Wien in einem orthodox-jüdischen Milieu hat sie nur positive Erinnerungen. Mit offenem Antisemitismus wurde sie erst 1938, nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, konfrontiert. „Am 11. März 1938“, erinnert sie sich, „wurde alles schlagartig anders.“

Elly Braun Schlesinger

ORF/Matschedolnig

Flucht vor den Nazis

Bis zu diesem Tag hatte sie sich im Schoß ihrer Familie sicher und behütet gefühlt. Dann aber musste sie erkennen, dass auch ihre Eltern sie nicht beschützen konnten. „Plötzlich hatten wir schon Angst, nur auf die Straße zu gehen“, erinnert sie sich an das dunkelste Kapitel der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Mit Hilfe eines ungarischen Passes gelang Elly Schlesinger die Flucht. Über Bratislava und Antwerpen kam sie nach Süd-Frankreich und engagierte sich dort als junge Exilantin für das Schicksal der Flüchtlinge vor dem Nazi-Regime und wurde zu deren Fürsprecherin. „Im Prinzip war ich eine sehr schüchterne Person und es hat mich furchtbar viel Überwindungskraft gekostet", erinnert sie sich, "aber ich habe erkannt, dass die Situation so ernst war, dass ich mich einfach zusammennehmen musste, um den Leuten helfen zu können.“

Die anonyme Lebensretterin

Ihre Vorsprache beim Erzbischof von Toulouse, Jules-Gerard Saliège, trug zur Veröffentlichung des berühmten Hirtenbriefs vom 23. August 1942 bei, in dem die Deportationen von Juden verurteilt und Pfarrer und Gläubige dazu ermutigt wurden, Flüchtlingen zu helfen. Tatsächlich hatte die Verlesung dieses Briefs in zahlreichen Kirchen Frankreichs zur Folge, dass viele Juden versteckt und beschützt wurden. Elly Schlesinger blieb jedoch auch nach der Veröffentlichung anonym. Ihre Flucht führte sie weiter in die Schweiz. Dort lernte sie den Sohn eines Wiener Kantors kennen, mit dem sie 1945 in ihre heutige Heimat Israel zog.

Elly Braun Schlesinger

ORF/Matschedolnig

Sendungshinweis:

„Radio Wien“ am Wochenende, 11. Mai 2013

In bewegenden Worten beantwortet Elly Braun Schlesinger die Frage, ob sie mit der Geschichte versöhnt sei: „Meine persönliche Geschichte hat gut geendet. Auch die meiner Eltern. Aber mein Vater hatte fünf Geschwister, die alle vernichtet wurden. Das kann man nie verschmerzen. Tatsache ist, dass ich nie richtig lachen kann. Nur oberflächlich. Aber es kommt nicht von Herzen. Denn dieses Unglück kann ich nie vergessen und nie verzeihen. Eigentlich könnte ich glücklich sein, denn ich habe wunderbare Kinder und ein wunderbares Leben. Aber das Herz ist mir sehr, sehr schwer.“

Dieser Tage wurde Elly Braun Schlesinger in Wien mit der Ehrenmitgliedschaft der „Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung“ geehrt. Nach Ansicht der „ÖGE“ ist sie „eine der zahlreichen Frauen, die in der Zeit des Nationalsozialismus Großes geleistet haben“. Die „ÖGE“ versteht die Auszeichnung auch als symbolischen Akt, mit dem alle anderen Helfer, die Ähnliches geleistet haben und bisher namentlich unbekannt geblieben sind, gleichermaßen geehrt werden sollen.

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