Suchthilfezentrum: Wehsely hält an Standort fest

Trotz Protesten von Anrainern und der Opposition hält Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) am geplanten Standort für die neue Drogenberatungseinrichtung fest. Bei einer Infoveranstaltung Donnerstagabend gingen die Wogen hoch.

Es sei eine gemeinsame Entscheidung der Wiener Suchthilfe und Experten gewesen. „Diese Entscheidung teile ich selbstverständlich“, betonte Wehsely am Freitag im Gemeinderat. Der Standort sei nach einem internen, standardisierten Verfahren mit fixen fachlichen Kriterien von der Wiener Sucht- und Drogenkoordination ausgewählt worden, erklärte die Stadträtin bei der Beantwortung einer Anfrage der FPÖ im Zuge der Fragestunde.

Wehsely

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Anrainer-Befragung würde viele Projekte verhindern

Geprüft werde nicht nur die Eignung des Objektes und die Verkehrsanbindung, wichtig sei auch die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Angebot in dieser Gegend angenommen werde: „Wir machen das sicher nicht dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.“ Eine Nähe zu Kindergärten und Schulen sei dabei aufgrund des dichten Netzes an Bildungseinrichtungen in Wien nicht zu verhindern. Ein Kriterium sei zudem, dass in dem Areal bereits kontinuierlich mobile Betreuungsarbeit stattfinde und dass - laut einer Umfeldanalyse - eine Szenebildung unwahrscheinlich sei.

Erst nach Abschluss dieser internen Prüfung sei ihr der Standort vorgelegt worden, wenige Tage später habe sie die Bezirksvorstehung informiert, die sich solidarisch gezeigt habe, wiederum einige Tage später dann die Öffentlichkeit. Die Einbindung der Anrainer sei - egal ob es nun um Einrichtungen für Drogenkranke, Obdachlose oder Flüchtlinge oder auch einen Kinderspielplatz gehe - in diesem Prozedere nicht vorgesehen. „Im Grunde finden es alle wichtig, dass solche Einrichtungen bestehen, aber niemand will sie in der direkten Nachbarschaft haben“, erklärte Wehsely dieses Vorgehen. Befrage man die Bevölkerung im Voraus, würde es „viele, viele Einrichtungen gar nicht mehr geben“.

Gebäude

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In der Nußdorfer Straße 41 soll das neue Drogenberatungszentrum entstehen

Wenig Verständnis bei Opposition

Grundsätzlich versuche man, Standorte solidarisch über alle Bezirke zu verteilen, so die Stadträtin. Derzeit befänden sich in 13 Wiener Bezirken Sucht- und Drogenberatungseinrichtungen. Weitere seien derzeit nicht geplant: „Wir beobachten aber natürlich die Situation und die Bedarfsentwicklung.“ An allen bestehenden Adressen erlebe man jedenfalls „verstärkte soziale Kontrolle“, eine größere Gefährdung gebe es dagegen nirgends, betonte Wehsely.

Auf wenig Verständnis stieß Wehsely mit ihren Ausführungen bei der Rathausopposition: Die FPÖ hielt geschlossen kleine Plakate mit der Aufschrift „Nein zum Drogenzentrum im Wohngebiet“ in die Höhe.

Die ÖVP kritisierte vor allem die mangelnde Einbindung der Anrainer: „Offenbar besteht seitens der Stadtregierung keinerlei Verständnis für die berechtigten Sorgen und Anliegen der ansässigen Bevölkerung, wieder einmal wird seitens Rot-Grün über die Bürgerinnen und Bürger drüber gefahren“, so Gemeinderätin Ines Schneider in einer Aussendung. ÖVP-Chef Manfred Juraczka schlug vor, den Eröffnungstermin auszusetzen und zu einem Runden Tisch zu laden, um einen besseren Standort zu finden.

Informationsveranstaltung

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Etwa 30 Personen mussten vor der Tür bleiben

Protest bei Info-Abend

Der Protest der Anrainer gegen die Drogenberatungsstelle am Alsergrund hat auch am ersten Info-Abend am Donnerstag nicht eingedämmt werden können. Heftige Wortgefechte und Unmut auf beiden Seiten prägten das Treffen. Die Fronten zwischen der Wiener Suchthilfe, die die neue Beratungsstelle betreiben soll, und den Anrainern des Sobieskiviertels am Alsergrund waren bislang als verhärtet zu beschreiben - mehr dazu in Proteste gegen Drogenberatungsstelle.

Am Donnerstagabend, als die erste offizielle Informationsveranstaltung für die Anrainer stattfand, änderte sich an diesem Zustand wenig. Beide Seiten vertraten deren Standpunkte klar und mit Vehemenz. Im Gespräch mit wien.ORF.at argumentierte der Sprecher der Bürgerinitiative „Spritzenfrei“, Matthias Peterlik, dass der gewählte Standort in der Nußdorfer Straße 41 zu klein für ein Beratungszentrum sei - mehr dazu in Anrainer fordern neuen Suchthilfe-Standort.

Man sei grundsätzlich für derlei Einrichtungen, aber nicht im Wohngebiet und nicht in unmittelbarer Nähe von Schulen und Kindergärten, sagte Peterlik. Außerdem seien die Bürger nicht über die Pläne der Stadt informiert worden - ein Punkt, der die Gemüter enorm erhitze.

150 Menschen bei Info-Abend

Zu der Informationsveranstaltung waren mehr als 120 Menschen gekommen. Weitere 30 Personen mussten vor der Tür des Pfarrhauses in der Pulverturmgasse in Wien-Alsergrund in der Kälte verharren, sie fanden keinen Platz und wurden von Polizeibeamten unter Protest am Betreten des Gebäudes gehindert.

Drinnen spielten sich mitunter heftige Szenen ab: Lautstarke Wortgefechte, Versuche die Situation zu kalmieren und gut gemeinte Ratschläge wechselten einander ab. Vonseiten der Suchthilfe hieß es, man wolle Verständnis für die betroffenen Suchtkranken schaffen und an die soziale Verantwortung der Menschen appellieren, sagte Geschäftsführer Roland Reithofer.

Informationsveranstaltung

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Mehr als 120 Anrainer nahmen an der Info-Veranstaltung teil

Günstige Lage, günstiger Preis

Auf die Frage, warum ausgerechnet dieser Standort mitten im Wohngebiet ausgewählt worden sei, sprach Reithofer von insgesamt 120 Objekten, die man im vergangenen Jahr geprüft habe. Dieser in der Nußdorfer Straße würde den Parametern entsprechen, wozu die verkehrsgünstige Lage, aber auch die leistbare Miete und die räumliche Verfügbarkeit zählten. Viele Immobilienbesitzer würden erst gar nicht an die Suchthilfe vermieten wollen, sagte Reithofer.

Veranstaltungshinweis:

  • Info-Veranstaltung der Suchthilfe Wien, 24. Oktober, 18.30 Uhr, Pfarrsaal der Canisiuskirche, Pulverturmgasse 11
  • Tag der offenen Tür, 11. November, von 15.00 bis 20.00 Uhr in der geplanten Drogenberatungsstelle in der Nußdorfer Straße 41

Letztendlich gab es für die protestierenden Bürger dennoch ein kleinen Sieg zu verzeichnen: Die amtierende Bezirksvorsteherin des Alsergrunds, Martina Malyar (SPÖ), entschuldigte sich offiziell für die fehlende Information, man habe hier einen „Einschätzungsfehler“ begangen, den man nun vonseiten der Politik wieder gut machen wolle. In der Sache selbst blieben die großen Würfe aus. Am Freitagabend soll es eine zweite Informationsveranstaltung geben.

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