„Harte Kost“ bei den Festwochen 2018
Er habe aus Fehlern des Vorjahres gelernt und die Kritik ernst genommen, sagte der Intendant bei der Programmpräsentation: „Ich wollte ein Programm machen, das nichts Sektiererisches hat.“ Die Aufsplittung in Schienen habe eine Ghettoisierung bedeutet, die man heuer versucht habe zu vermeiden. Das neue Programm biete Besuchern und jenen, die noch nichts von den Festwochen gehört haben, genug Möglichkeiten, um anzudocken, so Zierhofer-Kin.
APA/Roland Schlager
Musiktheater ist im Programm, in dem sich auch vier Uraufführungen und zwei eigens für Wien adaptierte Neuversionen finden, nach wie vor die Ausnahme. Performatives hat weiterhin einen Überhang. Doch diesmal kommen auch Theaterfreunde auf ihre Rechnung: Neben einem Wiedersehen mit Christoph Marthaler („Tiefer Schweb“ kommt aus München) gibt es etwa Wien-Debüts der in Deutschland gefeierten Regiejungstars Ersan Mondtag und Susanne Kennedy („The Virgin Suicides“ von der Volksbühne Berlin).
Wien-Premiere zum Gedenken an „Anschluss“
Am Abend vor der offiziellen Eröffnung startet der Niederländer Dries Verhoeven in einem Museumsquartier-Hof sein Projekt „Phobiarama“: „Das ist eine echte Geisterbahn, in der man mit kleinen Wägelchen durch ein großes Zelt fährt“, so Zierhofer-Kin. Es gehe um Mechanismen des Angstmachens und die Brüchigkeit der Demokratie. „Einen ziemlich verstörenden Blick auf die Geburtsstunde der Demokratie“ werfe dagegen Ersan Mondtag in seiner dreistündigen Inszenierung der „Orestie“ des Aischylos, die aus dem Thalia Theater anreist.
APA/Roland Schlager
Festwochen-Motto
„fragile Demokratie“
Verstörend könnte auch „Kamp“ des Rotterdamer Theater- und Performance-Kollektivs Hotel Modern empfunden werden. Die Produktion, die seit dreizehn Jahren durch die Welt tourt, zeigt das KZ Auschwitz als die gesamte Bühne umfassendes Miniaturmodell mit Figurinen. „Drei Erwachsene bewegen die Puppen und zeigen uns im Livefilm den Lageralltag. Es ist eine wahnsinnige Arbeit die etwas eigentlich Unmögliches möglich macht.“ Die Arbeit ist noch nie in Wien präsentiert worden - und wurde nun zum Gedenkjahr an den „Anschluss“ 1938 eingeladen.
Den Demokratie-Schwerpunkt ergänzt die von Alexander Martos kuratierte öffentliche Rede- und Gesprächsreihe „Pod schütze Österreich - Reden zur Lage der Nation(en)“. „Das soll nicht ein Diskursformat sein, das sich an eine kleine, eingeschworene Gemeinde richtet, sondern mittels Podcast auf der ganzen Welt zugänglich sein“, erläuterte Zierhofer-Kin.
Intensives „Club“-Programm
Ein weiterer Strang des Programms beschäftigt sich mit Gewalt im Politischen wie im Privaten. So wird der schwedische Künstler Markus Öhrn in „Häusliche Gewalt Wien“ in den hinter dem Hauptbahnhof gelegenen Gösserhallen eine mehrstündige, „unentrinnbare Spirale der Gewalt“ inszenieren.
In den Gösserhallen, wo im Vorjahr das Festivalzentrum „Performeum“ etabliert wurde, finden heuer nicht nur zahlreiche Vorstellungen statt, sondern gibt es an drei Juni-Freitagen „Deep Fridays“ mit performativen Programmen bis 3.00 Uhr. „Das hat nichts mit Party zu tun, es ist wirklich anspruchsvolle Kunst“, versicherte der Intendant.
Auch für die Schiene „Hyperreality“ („diesmal, und wahrscheinlich zum letzten Mal, im F23“) verspricht Zierhofer-Kin „sehr, sehr lange Clubnächte mit sehr, sehr vielen Mitwirkenden“: „Club verstehen wir nicht als Ort der Bespaßung, sondern als Ort politischer und gesellschaftlicher Freiräume.“
Fußball, Tanz und „harte Kost“
Fußball-Fans werden anlässlich der Weltmeisterschaft mit „Stadium“ von Mohamed El Khatib und 53 Fans des Fußballclubs RC Lens bedient, Tanzfreunde u.a. mit Produktionen von Boris Charmatz und Gisele Vienne erfreut. Musik-Aficionados bekommen Liam Gillicks Neuerfindung der Band New Order als inszeniertes Konzert („Das ist ein wirkliches Meisterwerk geworden“) oder Musiktheater von Ong Keng Sen geboten.
APA/Roland Schlager
Wiener Festwochen 2018:
11. Mai bis 17. Juni
Wie unterschiedlich man Puppen und Marionetten einsetzen kann, demonstrieren neben Hotel Modern auch der ägyptische Künstler Wael Shawky. Er erzählt die Geschichte der Kreuzzüge aus arabischer Sicht. Der kanadische Musiker und Cartoon-Zeichner Josh Dolgin zweigt ein anarchisches Puppen-Musical).
Der Abschluss ist ein Ausblick: Bevor die Wiener Festwochen 2019 eine neue Arbeit des US-Künstlers Paul McCarthy uraufführen werden, zeigen sie im Gartenbaukino eine exklusive Montage aus seinem aktuellen Projekt, eine Neuinterpretation von John Fords Westernklassiker „Stagecoach“ (1939). Zierhofer-Kin: „Es soll harte Kost sein.“
Budget um halbe Million kleiner
An die 40.000 Karten werden aufgelegt, so Geschäftsführer Wolfgang Wais. Von den 12,5 Mio. Euro Budget, das sind 500.000 Euro weniger weniger als im Vorjahr, kommen 10,4 Mio. Euro und damit 100.000 Euro weniger als im Vorjahr von der Stadt Wien.