Der steinige Weg von der FH zum Doktor

Der Wechsel von einer Fachhochschule an eine Universität stellt viele Studierende vor eine große Herausforderung. Besonders groß ist sie offenbar beim Doktoratsstudium, denn nur knapp vier Prozent aller Doktoranden kommen von FHs.

Dabei regelt seit vergangenem August eine Verordnung des Wissenschaftsministeriums die Zulassung von Masterabsolventen von Fachhochschulen (FHs) für Doktoratsstudien an Universitäten. Darin wird definiert, welches FH-Masterstudium zu welchem Doktoratsstudium befähigt - und ob zusätzliche Leistungen erbracht werden müssen. Ein Thema, das in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen geführt hat, denn nur knapp vier Prozent aller Promotionen sind von FH-Absolventen, zeigt die Studierenden-Sozialerhebung aus 2015.

Ein Verhältnis, das sich auch nach der Verordnung nicht geändert hat. Im Wintersemester 2017/18 studierten 12.300 Doktoranden an Wiener Universitäten - etwa 11.950 Doktoratsstudierende kamen von Universitäten, nur zirka 350 von Fachhochschulen. Das sind rund drei Prozent aller Doktoratsstudierenden. Trotzdem: „Auf formaler Basis sollte es keine Hürden geben“, sagt selbst Andreas Breinbauer, Rektor an der FH des BFI Wien.

Doktoratsstudien an Wiener Universitäten

Hochschule FH-Absolventen Uni-Absolventen
Universität Wien 89 6.076
Technische Universität Wien 98 2.211
Medizinische Universität Wien 99 1.143
Universität für Bodenkultur Wien 41 854
Wirtschaftsuniversität Wien 27 794
Veterinärmedizinische Universität Wien 2 316
Akademie der bildenden Künste 1 211
Universität für angewandte Kunst Wien 1 207
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien 0 137
Gesamt: 358 11.949

Anzahl der ordentlichen Studierenden eines Doktoratsstudiums im Wintersemester 2017/18. Quelle: BMBWF

Suche nach geeignetem Betreuer

Woher kommt dann die geringe Anzahl an Doktoranden aus FHs? Bei den Masterabschlüssen ist die Diskrepanz nämlich noch wesentlich geringer, immerhin ein Fünftel aller Masterabsolventen stammen von Fachhochschulen. Breinbauer hat eine Umfrage unter Alumni seiner FH gemacht: „Einige haben mir rückgemeldet, dass sie keinen geeigneten Doktorvater oder auch Doktormutter gefunden haben.“

Abschlüsse beim Master

Im Studienjahr 2016/17 haben in Wien 6.550 einen Master an einer Hochschule abgeschlossen, 1.326 davon an Fachhochschulen, 5.224 an Universitäten.

An der Qualität der Ausbildung an FHs liegt es nicht, meint Kurt Matyas, Vizerektor für Forschung an der Technischen Universität (TU) Wien: „Da hängt es vom Fachgebiet und den Lehrenden ab, wie gut man vorbereitet ist.“ Es sei immer ein persönliches Gespräch nötig, das zu einer Zulassung führt. Die Akzeptanz an Universitäten sei laut seinem Empfinden gestiegen.

Die drei größten Universitäten Wiens - die Universität Wien, die Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und die TU Wien - haben für wien.ORF.at die Daten über Doktoranden erhoben, die einen Erstabschluss (also einen Master) an einer FH gemacht haben. Dabei zählt die TU mit durchschnittlich 17 Neuanfängern pro Jahr die meisten, die Universität Wien folgt mit 15, an der WU beginnen im Durchschnitt jährlich fünf.

Promotion Universität

Universität Wien/Robert Harson

Knapp vier Prozent der Doktoratsabschlüsse sind von FH-Absolventen

Spezifische Expertise fehlt

Ein Grund, warum einige FH-Studierende keinen Betreuer finden, ist laut Breinbauer folgender: „Wir betreiben anwendungsorientierte Forschung, wo es bei Universitäten manchmal kein spezifisches Interesse oder keine spezifische Expertise gibt.“ Diese Einschätzung teilt auch Fritz Schmöllebeck, Rektor an der FH Technikum Wien, denkt aber, dass es „Unterschiede von Feld zu Feld gibt. Ich bemerke in der Technik keine großen Hürden.“

Anlaufschwierigkeiten nach einem technischen Studium hatte Victor Klamert. Er hat an der FH Campus Wien den Masterstudiengang „High Tech Manufacturing“ studiert. Anschließend wechselte er in die Forschung an der FH: „Wir forschen hauptsächlich im Bereich Fertigungstechnik, also im Prinzip 3D-Druck. Dann haben wir noch Projekte, bei denen wir uns mit unbemannten Flugobjekten beschäftigen. Und natürlich unser Formula Student Team, dem wir mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

FH Campus Wien

ORF

Victor Klamert forscht an der FH Campus Wien

Jetzt möchte er jedoch ein Doktoratsstudium anschließen und sucht derzeit nach einem passenden Thema aus seinem Forschungsgebiet: „Und dann bin ich natürlich auf einer Suche nach einem Betreuer für die Doktorarbeit.“ Um ein Studium zu beginnen, muss er diverse Auflagen erfüllen - eine Herausforderung, aber machbar, wie er meint. „Es ist nicht immer so klar geregelt, welche Fächer man an den Universitäten noch belegen muss“, kritisiert jedoch Schmöllebeck.

Kooperationen mit Unis

Sowohl die Universitäten als auch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) verweisen gegenüber wien.ORF.at darauf, dass durch die Verordnung klar ersichtlich ist, ob und welche Auflagen für die Zulassung nötig sind. Laut Ministerium hätte es allerdings seit der Verordnung bei der Studierendenombudsstelle keine Anliegen zu dem Thema gegeben.

Das Ministerium will allerdings weiterhin Maßnahmen erarbeiten, die die Durchlässigkeit im Hochschulsektor weiter erhöhen sollen. Manche Fachhochschulen helfen sich da bereits selbst. Die FH Technikum setzt etwa auf eine Kooperation: „Wir haben im letzten Jahr mit der TU Wien ein gemeinsames Doktoratskolleg eingerichtet und das startet jetzt im Herbst, da können die ersten inskribieren.“

Auch andere FHs kooperieren mit Universitäten, aber vor allem im Ausland. Die FH des BFI kooperiert etwa mit der Universität in Bologna. Die FH Technikum selbst kooperiert noch mit der australischen RMIT University in Melbourne. Die FH Campus hat ebenfalls die TU als Partner.

Technische Universität TU Wien

ORF/Matthias Lang

Der Sprung zu technischen Studien - wie auf der TU - ist einfacher

Doktorat im Ausland

Kooperationen mit heimischen Universitäten könnten auch helfen, Gebiete zu beforschen, die derzeit eher brach liegen. Denn laut Breinbauer betreiben die Universitäten so etwas wie „Agenda-Setting“: „Wenn die Deutungshoheit, ob ein Thema interessant ist oder nicht, ausschließlich bei den Universitäten liegt, dann gibt es auch weniger Optionen, ein Doktorat zu machen. Einige weichen deswegen ins Ausland aus.“

Für den angehenden Doktoranden Klamert war das kein Thema: „Es gibt natürlich Möglichkeiten, das im Ausland zu machen. Man sollte aber vorrangig die österreichischen Universitäten betrachten, um das Know-how in Österreich belassen zu können.“ Er hofft jetzt bald mit seiner Doktorarbeit beginnen zu können. Eben an einer Universität, auch wenn er sich wünschen würde, in der vertrauten Atmosphäre der FH zu bleiben.

FH Campus Wien

ORF

Der Wunsch der FHs ist klar: Sie wollen eigene Doktoren ausbilden

Wunsch nach eigenen Doktoren

Für Heimo Sandtner, Vizerektor für Forschung und Entwicklung an der FH Campus Wien, ist es problematisch, dass die Studierenden die Fachhochschulen für das Doktorat verlassen: „Es ist das Problem, dass wir keinen wissenschaftlichen Nachwuchs hier bei uns ausbilden können. Das ist ein Riesenmanko, diese Personen fehlen uns in der Forschung und fehlen uns bei Projekten.“ Er will deswegen eigene Doktoren ausbilden.

Das ist schon lange der Wunsch der Fachhochschulen: „Eine Lösung wäre ein extern gesichertes Doktoratsprogramm anbieten zu können“, formuliert Breinbauer den Traum. Schmöllebeck fügt hinzu: „Das wird oft verwechselt mit einer allgemeinen Forderung nach einem Promotionsrecht, das ist nicht die Forderung der Fachhochschulen.“ Sondern ein extern geprüftes und genehmigtes Doktoratsprogramm. Das bleibt aber wohl vorerst Wunschdenken, denn im Regierungsprogramm der türkis-blauen Bundesregierung ist dazu nichts zu finden.

Matthias Lang, wien.ORF.at

Links: