Grüne für Neustart bei Lobau-Projekt

Die Wiener Grünen haben einen Neustart der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die Wiener Nordostumfahrung (S1) gefordert. Die Verkehrsprognosen für das Projekt würden auf falschen Annahmen beruhen.

Man habe sich mit der SPÖ bereits darauf geeinigt, nach Abschluss der UVP eine Bürgerbefragung durchführen zu lassen. „Das ist der Versuch zweier Parteien, die gut miteinander können, einen Dissens gut abzuwickeln“, bemühte sich Maresch am Dienstag um ungebrochene Harmonie zum Koalitionspartner. Als Kompromiss angelegte Gratwanderung zwischen beiden Positionen wird demnach auch die offizielle Stellungnahme der Stadt Wien zu den noch bis Donnerstag öffentlich aufliegenden Unterlagen des Projekts aussehen, ließ Maresch anklingen.

Zuständig für die Formulierung ist die Stadtbaudirektion. „Die Beamtenschaft wird einen Mittelweg finden“, zeigte sich der Verkehrssprecher überzeugt. Wie dieser konkret aussehen wird, war heute nicht zu erfahren. Der grüne Mandatar prophezeite jedoch, dass einige Bürgerinitiativen, NGOs oder Einzelpersonen Einspruch gegen das Projekt erheben werden. Sollte es tatsächlich zum gewünschten Neustart der Umweltverträglichkeitsprüfung kommen, hätte das eine jahrelange Verzögerung für die Realisierung zur Folge.

Studie: Geänderte Verkehrsentwicklung

Als Argumentationshilfe für die Haltung gegen das insgesamt 19 Kilometer lange Straßenbauvorhaben, das laut derzeitigem Stand bis 2025 fertig sein soll, präsentierte Maresch eine Studie des Verkehrsplaners an der Technischen Universität Wien, Harald Frey. Die Ergebnisse würden zeigen, dass diverse Grundannahmen im Hinblick auf die Verkehrsentwicklung nicht mehr stimmen.

So seien die jüngsten verkehrspolitischen Maßnahmen - etwa Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, Anhebung der Kurzparkgebühren und Senkung der Öffi-Netzkarte - nicht berücksichtigt, so Maresch. Schließlich habe die bis dato letzte Datenaktualisierung in den Unterlagen, auf die sich die UVP bezieht, 2005 stattgefunden.

Pkw-Anteil würde durch Lobau-Autobahn steigen

Frey deklarierte sich selbst explizit als Kritiker des Asfinag-Projekts und ergänzte, dass zudem Annahmen zur Entwicklung des motorisierten Verkehrs auf „alten Paradigmen“ beruhten. Somit werde nicht berücksichtigt, dass Motorisierung bzw. der Autoverkehr in Städten wie Wien rückläufig sei.

Nicht zuletzt wirke der Bau der sogenannten Lobau-Autobahn den Zielen des städtischen verkehrs- und klimapolitischen Masterplans „diametral“ entgegen, erklärte Frey. So würden infolge der Nordostumfahrung der Pkw-Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen sowie der Pendlerverkehr steigen. Rad-, Fuß- und Öffi-Verkehr würden gleichzeitig durch die bessere Erreichbarkeit für Autos strukturell geschwächt. Zudem sei von einer höheren Lärm- und Schadstoffbelastung sowie von Abwanderung an die Peripherie auszugehen, hieß es.

SPÖ lehnt Vorstoß der Grünen ab

Ein klares Nein zur Forderung der Grünen kam von SPÖ-Verkehrssprecher Karlheinz Hora. Er nannte die Trasse die umweltfreundlichste Variante der Donauquerung: „Der Nationalpark Donau-Auen wird dadurch vom Umfahrungsring-Projekt in keiner Weise berührt.“ Norbert Scheed, Bezirksvorsteher der Donaustadt sieht ohne S1 einen „unausweichlichen Kollaps der Süd-Ost-Tangente“.

Klar gegen eine Verzögerung des Projekts S1 sprach sich neben der SPÖ auch die Rathaus-Opposition aus. „Die S1 wird sowohl die A22 als auch die A23 entlasten und somit das gesamte Verkehrsaufkommen in Wien flüssiger gestalten. Daher wäre jede Verzögerung aus ideologischen Gründen durch die Grünen grob unverantwortlich und abzulehnen“, warnte der FPÖ-Verkehrssprecher Anton Mahdalik. ÖVP-Infrastruktursprecher Roman Stiftner konstatierte, dass sich in Wien nun zeige, „welche Blockierer in der Wiener Stadtregierung nunmehr das Sagen haben“. Dies dürfe aber nicht auf Kosten wichtiger Verkehrsprojekte gehen.

ASFINAG: S1 ermöglicht Verkehr rund um Wien

Die ASFINAG hat in einer Aussendung auf die positiven Effekte der S1 für die Bevölkerung und die Wirtschaft verwiesen. Durch die neue Strecke könne der Verkehr auf ein hochrangiges Netz rund um Wien herum verlagert werden. Vor allem in der Donaustadt soll es durch die S1 zur Entlastung von lokalen Ortszentren vom Verkehr kommen.

Laut ASFINAG werden die im Planungsprozess erstellten Verkehrsprognosen derzeit im Rahmen der UVP von unabhängigen Experten und Gutachtern geprüft. Dabei werden die Prognosen bezüglich der Verlagerung des Verkehrs auf die Umfahrung Wien sowie verkehrspolitische Zielsetzungen der Bundesländer Wien und Niederösterreich berücksichtigt.

Nach derzeitigem Stand ist die Fertigstellung der Nordostumfahrung für 2025 vorgesehen. Als erste Etappe soll zwischen 2014 und 2016 die rund zehn Kilometer lange, an der Oberfläche verlaufende Strecke zwischen Groß-Enzersdorf und Süßenbrunn gebaut werden. 2018 will die Asfinag dann den aufwendigen, knapp neun Kilometer langen Lobautunnel in Angriff nehmen. Dieser wird nicht nur durch das Naturschutzgebiet Lobau führen, sondern auch die Donau unterqueren. Die Asfinag hatte zuletzt negative Auswirkungen auf den Nationalpark Donau-Auen ausgeschlossen. Für das Gesamtprojekt sind rund 1,8 Milliarden Euro budgetiert.

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