Pilz gegen Kampusch-Staatsanwälte

Der Nationalratsabgeordnete Peter Pilz (Grüne) fordert die Suspendierung der Kampusch-Staatsanwälte. Pilz sprach von einer „Gefälligkeitsjustiz“ in der Causa. Vertreter des Justizministeriums und der Staatsanwaltschaft wiesen die Kritik zurück.

Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz hat am Mittwoch die Suspendierung der Kampusch-Staatsanwälte verlangt. Der unmittelbar zuständige Wiener Ankläger, Hans-Peter Kronawetter, der Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft, Werner Pleischl, sowie der seinerzeitige Kampusch-„Sonderermittler“ und mittlerweile Leiter der Staatsanwaltschaft Graz, Thomas Mühlbacher, stünden für eine „Regierungsjustiz“, die im Interesse von Parteien agiere, so Pilz bei einer Pressekonferenz in Wien.

Er zeigte sich überzeugt, dass in naher Zukunft ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss das Verhalten der Justiz in der Causa Kampusch beleuchten wird: „Die ÖVP wird mit Sicherheit bereit sein, diesem Untersuchungsausschuss früher oder später zuzustimmen.“

Peter Pilz im Mai 2011 bei einer Nationalratssitzung

APA/Robert Jäger

Peter Pilz

Pilz sieht „systematisches Wegschauen“

Für die Dauer der parlamentarischen Untersuchung sei es „unbedingt notwendig“, die Anklagevertreter außer Dienst zu stellen, „damit diese drei Herren nicht weiter Einfluss ausüben können“, forderte der Grün-Politiker.

Besonders harte Worte fand Pilz für Kronawetter und Pleischl. Ersterer, der geraume Zeit in der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft Wien tätig war, hätte immer wieder „systematisch weggeschaut“ und eine „Gefälligkeitsjustiz“ betrieben, sagte Pilz. Kronawetter habe „einen eindeutigen Ruf als ein Staatsanwalt, der in politisch heiklen Fällen nicht ermittelt und die Verfahren einstellt“.

Auch das Verfahren gegen mögliche Komplizen oder Mitwisser Priklopils sei knapp drei Monate nach Natascha Kampuschs Flucht und Priklopils Selbstmord überstürzt eingestellt worden - „im Interesse der im Wahlkampf befindlichen ÖVP“, behauptete Pilz. Kronawetter und vor allem der diesem vorgesetzte und weisungsbefugte Pleischl sei es um „Vertuschung von Ermittlungspannen“ während Kampuschs Gefangenschaft im von der ÖVP geführten Innenministerium gegangen.

Keine konkreten Maßnahmen der Staatsanwaltschaft?

Dass das Amtsmissbrauch-Verfahren gegen die Kampusch-Staatsanwälte in der vorigen Woche nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingestellt worden ist, bedarf für den Grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz jedenfalls einer parlamentarischen „Nachkontrolle“. Die Tiroler Anklagebehörde hätte den Wiener Kollegen, denen Pilz im Zusammenhang mit den Kampusch-Ermittlungen wörtlich „gezielte Vertuschung“ unterstellte, „möglicherweise Persilscheine ausgestellt“, sagte Pilz im Rahmen seiner Pressekonferenz.

Nach dem Tätigwerden einer vom Innenministerium eingesetzten Evaluierungskommission, die mögliche Ermittlungspannen bei der Suche nach der entführten Kampusch aufdecken sollte, waren im Herbst 2008 wieder Erhebungen aufgenommen worden. Dies geschah laut Pilz aber trotz Interventionen von Mitgliedern der Kommission nicht in Form eines Ermittlungsverfahrens im Sinn der Strafprozessordnung. Die Staatsanwaltschaft Wien habe lediglich polizeiliche „Erkundigungen“ in Auftrag gegeben und keine konkreten Maßnahmen angeordnet, kritisierte er.

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Die ermittelnden Polizeibeamten stießen dennoch auf einen pensionierten Bundesheeroffizier, dessen Nummer der Priklopil-Vertraute Ernst H. unter der Bezeichnung „Be Kind Slow" in seinem Mobiltelefon eingespeichert hatte. Der Verdacht eines Kinderporno-Netzwerks im Umfeld des Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil stand im Raum. Auch diesen Verdachtsmomenten sei von den Anklagebehörden unzureichend nachgegangen worden, urgierte Pilz. Kampusch"-Sonderermittler“ Mühlbacher habe vielmehr das Verfahren gegen den Offizier bereits im September 2009 und damit einen Monat vor dessen erstem Befragungstermin eingestellt, wobei „im Hintergrund der Justizpate Pleischl“ weiter die Fäden gezogen habe, wie Pilz formulierte.

Justizministerium weist Vorwürfe zurück

Das Justizministerium hat die von Pilz erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. „Die Justiz hat sauber gearbeitet“, sagte eine Sprecherin von Justizministerin Beatrix Karl. Sektionschef Christian Pilnacek erklärte, den persönlich gegen ihn gerichteten Angriffen fehle „jegliches Substrat“. Er habe erst mit 1. September 2010 die zuständige Sektion übernommen und daher im Fall Kampusch „keinen Vorhabensbericht am Tisch gehabt“, sagte Pilnacek. Pilz sei offenkundig „schlecht informiert“.

Was das von der Staatsanwaltschaft Innsbruck geführte Amtsmissbrauch-Verfahren gegen die Kampusch-Staatsanwälte betrifft, habe er, Pilnacek, nur den Endbericht gesehen: „Dieser ist im Ministerium inhaltlich nicht abgeändert worden.“ Dem Vorhaben der Innsbrucker Behörde sei zur Gänze entsprochen worden: „Auf das Verfahren wurde überhaupt nie Einfluss genommen.“

Wie eine Sprecherin von Justizministerin von Beatrix Karl erklärte, habe die Justiz „alles getan, um in den Fall Kampusch Klarheit zu bringen“. Ein möglicher Mittäter oder Mitwisser des Kampusch-Entführers Priklopil sei aus Sicht des Ministeriums vom Tisch: „Es gibt keine Beweise. Man hat in diese Richtung alles geprüft.“ Einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Sachen Kampusch steht Karl ablehnend gegenüber, „weil es nicht zielführend ist, den gesamten Leidensweg der Frau Kampusch noch einmal öffentlich auszubreiten“, meinte ihre Sprecherin.

Staatsanwälte: „Persönliche Diffamierung“

Die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie die Bundesleitung Richter und Staatsanwälte in der GÖD haben die Vorwürfe von Pilz als „namentliche und persönliche Diffamierung“ zurückgewiesen. Pilz hätte Grenzen zulässiger Kritik überschritten und einzelne Staatsanwälte „auf unsachliche Weise in die Nähe krimineller Machenschaften gerückt“.

Wie die Staatsanwälte und Richter betonen, seien der Fall Kampusch und allfällige Versäumnisse der Ermittlungsbehörden wiederholt von verschiedenen Polizeibehörden und mehreren Staatsanwaltschaften untersucht und zuletzt vom Justizministerium einer nachprüfenden Kontrolle unterzogen worden: „Die dennoch erhobenen Vorwürfe gegen einzelne Staatsanwälte entbehren jeder sachlichen Grundlage, sind aber geeignet, nicht nur deren Reputation und persönliche Integrität nachhaltig zu schädigen, sondern auch das Vertrauen in die Objektivität, Sachlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben.“

Strache ortet Justizskandal

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hatte am Dienstag im Fall Kampusch einen veritablen Justizskandal geortet und eine Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens gefordert. Zudem will der FPÖ-Obmann eine Sondersitzung im Parlament - mehr dazu in wien.ORF.at.

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