Tex Rubinowitz erklärt die Finanzkrise

Mit „Rumgurken“ ist jetzt ein neues Buch mit Reiseberichten von Zeichner und Autor Tex Rubinowitz erschienen. Im wien.ORF.at-Interview erklärte er die Finanzkrise und sprach über sein „Karmakonto“. Zudem verriet er seine Lieblingsorte.

wien.ORF.at: Vom Schlager-Grand-Prix, dem Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt bis zum nördlichsten Filmfestival der Welt in Sodankylä: Welche der beschrieben Reisen hat Ihnen am meisten Spaß gemacht und warum?

Rubinowitz: Das ist wie mit Kindern, da sagt man auch nicht zu einem: „Dich hab ich am liebsten.“ Alle Trips haben gleichermaßen ihre Reize, entscheidend ist, dass etwas vor Ort passiert, egal was, die jeweiligen Erfüllungen sind variabel, und immer wunderbare Erfahrungen, weil die Orte, an denen diese Dinge passieren, etwas zu schweben scheinen, in einem Parallelzustand, und die daran Beteiligten glücklich machen, mich eingeschlossen, oft bekommen die Bewohner vor Ort davon gar nichts mit, siehe Klagenfurt, und das ist eine umso zauberhaftere Kontextverschiebung.

Tex Rubinowitz in einem finnischen See

Tex Rubinowitz

Tex Rubinowitz in einem finnischen See

wien.ORF.at: Versteht Tex Rubinowitz eigentlich die Finanz-/Wirtschaftskrise bzw. sind Sie ihren Auswirkungen auf einer Ihrer Reisen begegnet?

Rubinowitz: Klar, versteh’ ich die Finanzkrise, eine ungemütliche Verkettung aus Gier, Spekulationen, Versprechungen, aber mich berührt das ja nicht, weil ich immer ohne Geld bzw. mit Mindestbudget wegfahre. Mir ist wichtiger, dass mein Karmakonto einigermaßen im Plus steht.

wien.ORF.at: Gibt es einen Ort, den Sie unbedingt noch besuchen wollen? Was macht die Anziehungskraft aus?

Rubinowitz: Eigentlich keinen, denn ich hab mir die zwei exotischsten, exzeptionellsten, liebenswertesten Ziele ja schon zusammmengegurkt: Japan und Finnland, wobei man durchaus sagen kann, Finnland ist das Japan Europas, und vice versa, es gibt auch viele Parallelen zwischen beiden Nationen. In beide Länder muss ich mindestens einmal im Jahr fahren und bin nach Jahren immer wieder aufs Neue entzückt und überrascht, über die Schrulligkeiten, die verspielte Kreativität in allen Bereichen.

Zur Person:

Tex Rubinowitz wurde am 5. Dezember 1961 in Hannover geboren. Der Zeichner, Maler, Cartoonist und Reisejournalist kam 1984 wegen eines Kunststudiums nach Wien, brach dieses aber nach kurzer Zeit ab. In der Stadt blieb er.

wien.ORF.at: Oscar Wilde sagte einmal: „Reisen veredelt den Geist und räumt mit allen unseren Vorurteilen auf.“ Teilen Sie diese Einschätzung?

Rubinowitz: Nein, ich glaube das Gegenteil, man bekommt meistens Vorurteile bestätigt, und nicht unoft ist der Geist enttäuscht. Denken Sie nur an jemanden, der wegfährt mit so viel Hoffnung, das alles traumhaft, idyllisch, wunderbar, harmonisch, konfliktfrei wird, das trifft dann in der Regel in den seltensten Fällen ein. Deshalb mein Tipp: Immer ohne Erwartungen wegfahren.

Tex Rubnowitz fotografierte ein "kotzendes Haus in Cleveland"

Tex Rubinowitz

Tex Rubinowitz fotografierte „Ein kotzendes Haus in Cleveland“

wien.ORF.at: Viele Menschen sprechen heute erst von „Reisen“ wenn sie mehrere Wochen unterwegs sind: Wie lange macht man Urlaub und wann reist man?

Rubinowitz: Urlaub ist ja bezahltes Unterbrechen der Arbeit zu Regenerationszwecken, das Wort Reisen soll hingegen ausdrücken, dass man fürs Wegfahren auch noch etwas leistet und sich gleichzeitig erhebt und distanziert vom schnöden Entspannungsurlaub. Ich finde beide Vokabeln unglücklich, weil sie zu sehr mit Dünkel besetzt sind, ich sag deshalb einfach: Wegfahren.

Radiotipp:

Tex Rubinowitz ist am 7. Juni von 13.00 bis 15.00 Uhr zu Gast im „FM4 Doppelzimmer Spezial“ mit Elisabeth Scharang.

wien.ORF.at: Sie sagten einmal auf die Frage nach ihrem Beruf: „Witzezeichner, Autor, Musiker, Schwimmer“. Sehen Sie sich auch als Lebenskünstler? Was macht einen solchen aus? Und braucht es diese in der heutigen Zeit mehr denn je?

Rubinowitz: Nein, Lebenskünstler ist die schrecklichste Vokabel, die man einem Menschen antun kann, noch unter dem in solchen Fällen gerne verwendeten Begriff „Tausendsassa“, wer sich selbst als Lebenskünstler bezeichnet, ist in den meisten Fällen ein Parasit der Gesellschaft. Und wer sich als Tausendsassa bezeichnet, muss dringend zum Arzt.

Spatzen auf einem Parkplatz in Tiflis

Tex Rubinowitz

Auch Spatzen auf einem Parkplatz in Tiflis kamen Rubinowitz vor die Linse

wien.ORF.at: „Überall kommt Rubinowitz mit den Leuten ins Gespräch“ wirbt Ihr Verlag. Wie machen Sie das - auch im Hinblick auf Sprachenbarrieren? Wie viele Sprachen sprechen Sie eigentlich?

Rubinowitz: Englisch, Japanisch, Russisch, Spanisch, Gebärdensprache. Sprachbarrieren gibt es nicht, wenn der gute Wille da ist. Ungeduld ist die Sprache, in der nirgendwo auf der Erde gerne kommuniziert wird. Außerdem frage ich überall, ob ich meine Dutzend mitgenommen ABBA Singles spielen kann, und mache die Leute glücklich, es gibt keine bessere Kommunikationsform als Musik, und die global verständlichste ist eben die von ABBA.

Buchhinweis:

Tex Rubinowitz: Rumgurken. Reisen ohne Plan, aber mit Ziel. Rowohlt, 224 Seiten, 11,99 Euro.

wien.ORF.at: Welche Person, die Sie auf Reisen kennengelernt haben, hat Sie am meisten beeindruckt (und warum)?

Rubinowitz: Der schottische Musiker Momus (Nicholas Currie), weil er seit 30 Jahren vollkommen ohne materielle Bedürfnisse um den Globus zieht, momentan lebt er in Osaka, davor in Berlin, ein Transitreisender, der wirklich frei ist, oder zumindest scheint es so. Leider fehlt ihm ein Auge.

wien.ORF.at: Hat Ihnen eine Ihrer Zeichnungen/ein Cartoon schon einmal so richtig Ärger eingebracht?

Rubinowitz: Nein, das ist ja nicht mein Anliegen, Leute, Pflanzen oder Gegenstände zu verletzen, wenn es so wäre, sähe mein Karmakonto nicht so gut aus, wie es im Moment aussieht.

wien.ORF.at: Zum Abschluss einige Reistipps von Tex Rubinowitz, bitte?

Rubinowitz: Japan und Finnland, die Turkestan-Sibirische Eisenbahn, Feldkirch in Vorarlberg, Hallstatt im Salzkammergut.

Das Interview führten Hubert Kickinger und Eva Reiter, wien.ORF.at