Wien-Premiere für Medizinsymposium
Der Neurowissenschafter der Columbia Universität und Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 2000 erklärte, wie man mit motivationslosen Mäusen Medikamente gegen die Schizophrenie entwickeln kann. Bisher hätte die Psychiatrie im Gegensatz zu anderen Disziplinen kaum von Tiermodellen profitiert. Dies könnte sich aber in den kommenden Jahren ändern, meint Kandel.
So habe man bei neurologischen Krankheiten in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr von der molekularen Genetik profitiert. Man hätte nun etwa Tests, mit denen man Fehlfunktionen von Genen und Eiweißstoffen der Nervenzellen untersuchen kann. Damit habe man bereits genetische Ursachen für bestimmte Krankheiten gefunden und neue Mechanismen der Krankheitsentstehung entdeckt.
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Transgene Mäuse zeigten Schizophrenie-Symptome
In der Psychiatrie sei die Situation jedoch schwieriger. Einerseits ist weniger über die Neuroanatomie von Geisteskrankheiten bekannt, so Kandel. Außerdem sei bei den meisten solcher Krankheiten nicht nur ein einziges Gen verantwortlich, sondern viele Gene zusammen mit Umweltfaktoren. Weil man mittlerweile jedoch mehr über die neuronalen Netzwerke weiß, die bei diesen Krankheiten betroffen sind, könne man nun geeignete Tiermodelle entwickeln.
In seinem Labor würde man mit einem Mausmodell für Schizophrenie arbeiten, erklärte Kandel. Bei Schizophreniepatienten könne etwa eine genetische Veränderung daran schuld sein, dass sie mehr Andock-Moleküle für den Neurotransmitter Dopamin besitzen, den sogenannten Dopamin Rezeptor D2. Kandel entwickelte transgene Mäuse, die in einer bestimmten Gehirnregion ebenfalls mehr D2-Rezeptor besitzen. Diese zeigten gleiche Symptome wie Schizophrenie-Patienten, unter anderem eine gewisse Antriebslosigkeit.
Als die Forscher um Kandel die Genaktivitäten in diesen Mäusen untersuchten, fanden sie heraus, dass die Aktivität eines Serotonin-Rezeptors verändert war. Als sie diesen mit einer geeigneten Substanz blockierten, waren die Versuchstiere auf einmal genau so motiviert wie die Mäuse der Kontrollgruppe. Sogar bei gesunden Mäusen konnte diese Substanz die Motivation steigern. Helfen könnte das auch bei Depressionen, zudem könnten auch Medikamente gegen psychische Krankheiten entwickelt werden.
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„Einmalige Chance“ für Österreichs Forschung
Die „Days of Molecular Medicine“ finden seit zwölf Jahren statt, die gemeinsame Initiative für das Symposium ging von namhaften Institutionen wie der Harvard University, dem Karolinska Institut Stockhol, der Fondation Ipsen und dem Wissenschaftsmagazin „Science“ aus. Im Palais Liechtenstein wird bis Mittwoch zum Thema „Seltene genetische Erkrankungen“ getagt.
Co-Organisator des Symposiums ist das IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Dort arbeiten unabhängige wissenschaftliche Arbeitsgruppen an biologischen Fragestellungen aus den Bereichen Zellteilung, Zellbewegung, RNA-Interferenz und Epigenetik, ebenso wie an medizinischen Fragestellungen aus den Gebieten Onkologie, Stammzellforschung und Immunologie.
Josef Penninger, wissenschaftlicher Direktor am IMBA, freute sich im Vorfeld des Symposiums über die „einmalige Chance, weltweit anerkannte Spezialisten dieses Gebietes nach Österreich zu holen“. Penninger selbst referiert zum Thema „RANKL/RANK, ein therapeutischer Ansatzpunkt für Knochenkrankheiten“.