Die Hofburg als Forschungslabor

Die Hofburg gilt als der größte, nicht kirchliche Baukomplex in Europa und ist nicht umfassend erforscht. Seit 2005 arbeiten Wissenschaftler an einer Gesamtdarstellung der Habsburger-Residenz. Jetzt ist der erste von fünf Bänden erschienen.

„Die Wiener Hofburg 1835-1918“ heißt dieser erste Band, in dem von dem „problematischen Bau“ einer der weltweit bedeutendsten Palastanlagen berichtet wird. „In diesem Haus werde ich sicher nicht wohnen“, brachte schon Kaiser Franz Joseph I. die Probleme auf den Punkt. In seinem Reich habe es geschwärt, politisch und wirtschaftlich habe man zu dieser Zeit ganz andere Sorgen gehabt als den Prunkbau, erzählte der Kunsthistoriker und Herausgeber des ersten Bandes, Werner Telesko.

Als „Kaiserforum“ geplant

„Die Hofburg war von Anfang an ein problematischer Bau“, sagte Telesko. Für die Stadterweiterung um 1860 galt es die Frage zu lösen, was mit dem großen Platz um die „alte Residenz“ geschehen sollte. Für Telesko ein „stadtplanerisches Problem größten Ausmaßes“.

Dabei wurde durchaus groß gedacht: Geplant war ein „Kaiserforum“, das die alte Bausubstanz um den Schweizerhof integrieren und bis hin zu den beiden Museumsneubauten des Kunsthistorischen und Naturhistorischen Museums reichen sollte. Die Architekten Gottfried Semper und Karl Freiherr von Hasenauer wurden mit der Bauleitung beauftragt.

„Der neue Burgplatz in Wien mit dem Projekt des Kaiserforums“ aus dem Album „Wien – Einst und Jetzt“, Aquarell von Franz Alt, 1873, © Albertina, Wien

Albertina, Wien

Der neue Burgplatz mit Projekt Kaiserforum, 1873

Keine einheitliche Richtung bei Planung

Der Bau der Hofburg zeige deutlich die historische Bruchstelle um 1900: Denn tatsächlich wurde nur etwa ein Viertel des Plans der beiden Architekten tatsächlich realisiert, schnell erntete der Bau Kritik - auch aus dem Kaiserhaus selbst. „Es war ein sehr unzeitgemäßes Unternehmen“, meinte Telesko. Man habe eine Residenz gebaut, obwohl man um 1900 vor dem Hintergrund des bröckelnden Kaiserreichs ganz andere Probleme zu bewältigen hatte.

„Man kann nicht einfach so, als ob nichts gewesen wäre und aus dem Blauen heraus eine Residenz bauen“, beschrieb Telesko die Schwierigkeiten. Diese seien aber nicht finanzieller Natur gewesen, betonte der Kunsthistoriker. Vielmehr habe nach Semper und Hasenauer eine einheitliche Richtung in der Planung gefehlt. „Es zeichnete sich eine gewisse Konzeptlosigkeit ab. Man hat sich nicht mit den Architekten einigen können“, so Telesko. Immerhin sei die Hofburg keine „isoliertes Baudenkmal“ gewesen, sondern beeinflusste ein gesamtes Stadtviertel.

Ansicht der Hofburg vom Burg- bzw. Opernring vor der Errichtung der Neuen Burg (mit Färbelungsarbeiten am Leopoldinischen Trakt), Fotografie vor 1879,

Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Fotografie vor 1879

Größtes kunsthistorisches Forschungsprojekt

Um die Hofburg als eine der weltweit bedeutendsten Palastanlagen umfassend zu erforschen, müssen die Kunsthistoriker zehntausende Akten und Pläne durchforsten. Sie haben vor, die Geschichte der Hofburg vom Mittelalter bis heute lückenlos zu erfassen. Das reicht von der Architektur über Innenausstattung bis hin zu den Denkmälern.

Rund 20 Wissenschaftler arbeiten seit 2005 daran, die Hofburg zu erforschen.

Das mit den Geldern von ÖAW und Wissenschaftsfonds FWF finanzierte Projekt ist nach Angaben Teleskos das derzeit größte laufende kunsthistorische Forschungsprojekt Österreichs.

Am Ende des Forschungsprojekts sollen fünf Bände zur Hofburg auf dem Tisch liegen. Mit „Die Wiener Hofburg 1521-1705“ und „Die Wiener Hofburg 1705-1835“ sollen 2013 der zweite und dritte Band der Reihe erscheinen, 2014 folgt Band 1 mit „Die Wiener Hofburg im Mittelalter“. 2015 soll die Reihe mit dem fünften und letzten Band „Die Wiener Hofburg seit 1918“ beschlossen werden. „Die Hofburg wird damit die am besten erfasste Residenz in ganz Europa“, erklärte Telesko.

Präsentation bei der Buch Wien

Das Buch „Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des ‚Kaiserforums‘", Band 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften“ wird bei der „Buch Wien 12“ am 23. November in der Messe Wien um 13.15 Uhr auf der Messebühne „Forum“ präsentiert - mehr dazu in Buch Wien in fünfter Auflage.

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