Kampusch über „inneres Gefängnis“
Ein Leben auf fünf Quadratmetern, ohne Tageslicht: Wolfgang Priklopil hatte 1998 die damals zehnjährige Kampusch entführt und mehr als acht Jahre in das Kellerverlies in seinem Haus eingesperrt. Nach ihrer Flucht im August 2006 beging der Täter Selbstmord.
Verlies wurde zugeschüttet
Die Bilder der Gefangenschaft seien ganz nah und doch weit weg, so Kampusch im Interview mit Jauch am Sonntagabend . Gut sei es aber, dass das Verlies zugeschüttet worden sei. Das Haus möchte sie unbedingt behalten, weil sie nicht wolle, dass andere Menschen dort Zugang hätten. Das sei für die Verarbeitung der Geschehnisse dort sehr wichtig.
DPA/Zinken
Wie habe sie die Zeit in dem Verlies überlebt, fragte Jauch Kampusch ganz direkt. Ihre Antwort: Es habe viel Selbstreflexion gebraucht und sei wichtig gewesen, auf den Täter einzugehen und Verständnis aufzubringen. Der Täter habe ihr jahrelang suggeriert, dass ihre Familie tot sei und niemand nach ihr suche, so Kampusch.
Kampusch: „Dieser Mensch konnte nicht anders“
Sie sei in einem Baumarkt mit dem Entführer gewesen, auf einem Skiausflug und sogar in eine Polizeikontrolle geraten, viele Menschen würden nicht verstehen, warum sie nicht schon früher flüchten konnte, so Jauch. Kampusch dazu: „Da war ein jahrelanger Druck und es war ein inneres Gefängnis, das es mir unmöglich gemacht hat, mich zu befreien. Er hat gemeint, ich darf niemanden ansehen. Er würde die Leute erstechen, erwürgen und auch mir etwas antun und davor hatte ich Angst.“
Dennoch sagt das Entführungopfer heute: „Er war enorm verzweifelt, litt unter einer emotionalen Instabilität. Dieser Mensch konnte nicht anders“. Kampusch erklärte weiters, sie habe sich während ihrer Gefangenschaft oft an den Religionsunterricht erinnert. Dort habe es geheißen, dass man dem anderen vergeben müsse.
Gespräche mit Kleidungsstücken
Da Priklopil ihre einzige Bezugsperson war, half sich Kampusch im Verlies damit, dass sie ihre Kleider auf einem Stuhl so drapierte, als seien sie Personen. Mit den Kleidern führte sie dann Gespräche und probte Diskussionen mit dem Entführer. Das sei eine ihrer Überlebensstrategien gewesen.
Der Entführer habe sie dennoch tagelang hungern lassen und sie musste um jeden Bissen oftmals betteln. Kampusch wog in Teilen der Gefangenschaft weniger als 40 Kilo. Bis heute habe sie jegliches Gefühl für Hunger oder Sattsein verloren, so Kampusch.
Opfer wird immer noch offen angefeindet
Kampusch bedauerte sowohl bei Jauch als auch in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, dass ihr Entführer Wolfgang Priklopil nicht vor Gericht gestellt werden konnte. „Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn er überlebt hätte“, sagte Kampusch. „Dann wäre klar gewesen, dass ich das Opfer bin. Jetzt wird es so gesehen, als hätte ich dem Täter etwas angetan. Damit muss ich leben“, so Kampusch im „Spiegel“.
Kampusch erzählte auch, dass sie noch immer wegen ihrer differenzierten Aussagen über den Entführer offen angefeindet werde: „Für mich ist das sehr schwer zu ertragen, weil ich fast dazu gedrängt werde, ins Ausland zu gehen oder mich umzubringen“, sagte Kampusch. Viele Leute seien erstaunt darüber, dass sie sich als Opfer anders verhalte als man es von ihr erwartet, so Kampusch im Gespräch mit Jauch. Ein Opfer solle schwach sein.
Eine Vision, wie ihr Leben weiter gehen soll, habe sie nicht: Ich lasse den größten Teil auf mich zukommen. Ich habe gemerkt, dass das verkrampfte Hinarbeiten auf Ziele mir in den vergangenen Jahren nicht gut getan hat.
Filmstart am 28. Februar
Am 28. Februar kommt jedenfalls der Film „3096 Tage“ über das Schicksal des Entführungsopfers Natascha Kampusch in die Kinos. Damit gibt Kampusch auch noch den letzten Rest an Privatheit, wie sie es in den vergangenen Jahren nannte, preis. Im Film fesselt Priklopil sein Opfer mit Kabelbindern an sich und vergeht sich an ihm. Über den sexuellen Missbrauch hatte Kampusch bislang geschwiegen.
Bilderstrecke: Szenenfotos aus dem Film
Mitte Jänner wurden die ersten Bilder und der Trailer veröffentlicht. Es ist der letzte Film des überraschend verstorbenen Produzenten Bernd Eichinger - mehr dazu in Erste Bilder vom Kampusch-Film.