Migranten-Unternehmer verdienen oft wenig

40 Prozent der Klein- und Mittelunternehmer in Wien haben Migrationshintergrund - das geht aus einer neuen Studie hervor. Doch ihre Situation ist oft prekär: 72 Prozent von ihnen müssen mit 800 Euro pro Monat auskommen.

Hatice Isleyen kam 1991 aus Istanbul nach Wien. Am Anfang sprach sie kein Wort Deutsch, mittlerweile ist die 40-Jährige Unternehmerin mit zwei Beauty Salons im zweiten Bezirk und neun Mitarbeiterinnen. Etwa 3.000 Euro bleiben ihr im Monat übrig. „Damit kann ich leben, ich bin zufrieden.“

„Warum verkauft die Krankenschwester Gemüse?“

Sie ist damit aber eine Ausnahme, denn 72 Prozent der migrantischen Unternehmerinnen und Unternehmer verdienen höchsten 10.000 Euro pro Jahr. Die Gründe: Oft ist der Schritt in die Selbstständigkeit nur die Alternative zur Arbeitslosigkeit, oft nur die Überbrückung bis zum nächsten unselbstständigen Job.

Außerdem sind die Unternehmer mit Migrationsbezug oft nicht dort tätig, wo sie ausgebildet haben. Die meisten migrantischen Selbstständigen sind zwischen 24 und 44 Jahre alt, fast 50 Prozent haben mindestens Maturaniveau, sagt Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ): „Ich führe das Paradebeispiel an, obwohl man es nicht darauf reduzieren darf. Warum arbeitet der Akademiker als Taxifahrer und verkauft die diplomierte Krankenschwester Gemüse. Sehr oft ist es die Anerkennung.“

Mehr Beratung und Kursangebote

Oft ist auch die Sprache ein Hindernis. Das Phänomen der „Dequalifikation“ sei nicht nur bei unselbstständig tätigen Zuwanderern, sondern auch bei Unternehmern zu beobachten sei. Das heißt, dass viele nicht ihrer Qualifikation entsprechend arbeiten könnten.

Mann werden die Haare geschnitten

ORF

Ziel der Stadt ist es, dass migrantische Unternehmer ihre beruflichen Chancen ihrer Ausbildung entsprechend besser nutzen. Dabei verweist Brauner auf eine im Frühjahr eingeführte Richtlinie des Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (WAFF), wonach nun auch Unternehmer mit weniger als zehn Mitarbeitern um Unterstützung bei der Fortbildung ansuchen können.

Die Wirtschaftsagentur Wien bietet seit 2008 mit „Mingo Migrant Enterprises“ eine eigene Servicestelle. Dort gibt es kostenlose Beratung in 15 Sprachen. Im Vorjahr wurden mehr als 220 Personen aus mehr als 50 Nationen informiert.

Unternehmer aus 130 Nationen

2011 waren insgesamt 26.200 Personen mit Migrationshintergrund selbstständig tätig - meist in der Gastronomie, im Handel oder in der Baubranche. Sie erwirtschafteten eine Wertschöpfung von 640 Mio. Euro.

81,5 Prozent der Betriebe waren laut Studie Ein-Personen-Unternehmen. Die Unternehmer mit Migrationsbezug stammten laut Studie, die vom Forschungsinstitut Synthesis im Auftrag der Wirtschaftsagentur erstellt wurde, aus mehr als 130 Nationen - allen voran aus der Slowakei, Polen und „Ex-Jugoslawien“.

Gesamt betrachtet kamen rund 60 Prozent aus der Europäischen Union. Ermittelt wurde auch, in welchen Bezirken Wiens die meisten Gründungen migrantischer Unternehmen erfolgten: Dabei handelte es sich um Favoriten, Ottakring, Rudolfsheim-Fünfhaus, Neubau und Leopoldstadt.

Links: