Justizdaten-Prozess ohne Hauptangeklagten

Der Hauptangeklagte liegt nach mehreren Suizidversuchen im Spital. Trotzdem hat am Dienstag in Wien der Prozess gegen 13 Justizbeamte begonnen, die illegal Daten kopiert und dafür Geld angenommen haben sollen.

Wann der Hauptangeklagte aus dem Otto-Wagner-Spital entlassen wird, sei nicht abzusehen, so Richterin Stephanie Öner. Das Verfahren gegen den 68-jährigen Wiener wurde aus dem Prozess ausgegliedert, um zu vermeiden, dass sich der gesamte Prozess verzögert. Der Chef einer Wiener Kreditauskunftei ist als Bestimmungstäter angeklagt.

Öner will ihn in den kommenden Tagen von einem Facharzt untersuchen lassen: „Dass er selbstmordgefährdet ist, bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass er nicht verhandlungsfähig ist“. Der Mann hatte vor Beginn des Prozesses mehrere Selbstmordversuche unternommen. Ob das Verfahren gegen ihn noch in den laufenden Prozess einbezogen werden kann oder separat nachverhandelt werden muss, soll nächste Woche entschieden werden.

Beamte bekannten sich schuldig

Der 68-jährige Chef einer Wiener Kreditauskunftei soll laut Anklage den 13 Gerichtsbediensteten nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Daten aus dem elektronischen Register der Justiz abgekauft haben. Den 13 Justizbeamten auf der Anklagebank werden Amtsmissbrauch und Verletzung des Amtsgeheimnisses vorgeworfen. Ihnen drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Von den Justizbeamten war übrigens einer ebenfalls nicht zum Prozessbeginn erschienen. Der 72-jährige, mittlerweile pensionierte Beamte fehlte krankheitsbedingt. Die anwesenden Beamten, von denen nicht alle vom Dienst suspendiert sind, bekannten sich schuldig, verbotenerweise Daten weitergegeben und dafür Geld kassiert zu haben.

Prozess um Justizdatenaffäre

APA/Herbert Pfarrhofer

„Melder“ an diversen Bezirksgerichten

„Das Vertrauen in die Justiz ist eines der Fundamente unserer Gesellschaft“, sagte Staatsanwalt Wolfgang Handler zu Beginn. Die Angeklagten hätten „das in sie gesetzte Vertrauen mit Füßen getreten“. Den Chef der Kreditauskunftei bezeichnete er als „großen Initiator des Amtsmissbrauchs“. Dieser habe seit 1986 „Melder“ an verschiedenen Bezirksgerichten beschäftigt, die damals die Amtstafeln studierten und ihn mit Informationen über Exekutionsverfahren versorgt hätten.

Als die Exekutionsdaten ab 2001 elektronisch geführt wurden, begann der Mann Justizbeamte zu überreden, ihm Namen, Geburtsdaten und Anschriften von von Exekutionen betroffenen Menschen zu nennen. Mit den illegal erworbenen Informationen erwirtschaftete der Mann zwischen 2002 und 2010 ein Nettoeinkommen von knapp vier Millionen Euro.

Illegales Netzwerk lieferte Informationen

Der Unternehmer soll mit den Daten ein Millionengeschäft gemacht haben. Sein Betrieb soll de facto eine Monopol-Stellung innegehabt haben, was Auskünfte über die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Privatpersonen betraf. Diese Auskünfte sollen auf Daten basiert haben, die sich der Mann über ein Netz an Lieferanten innerhalb der Justiz beschafft haben soll. Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger und Kanzleikräfte an Bezirksgerichten in Vorarlberg, Tirol, Steiermark, Nieder- und Oberösterreich sollen zwischen 2002 und 2010 regelmäßig für ihn Namenslisten aus dem Exekutionsregister abgefragt haben.

Knapp 170.000 Seiten voll mit Informationen sollen so illegal ausgedruckt worden sein. Für jede Seite gab es den Ermittlungsergebnissen zufolge bis zu 1,50 Euro. Geheime Daten von etwa 40.000 juristischen Personen und von 92.713 Privatpersonen sollen so weitergegeben worden sein. Abgefragt wurden dabei Daten von mindestens 56 Bezirksgerichten.

Steirischer Gerichtsvollzieher erhielt 133.000 Euro

Das illegale Zubrot der Justizmitarbeiter soll von ein paar tausend Euro bis hin zu fünfstelligen Summen gereicht haben. Im Fall eines für ein steirisches Bezirksgericht tätigen Gerichtsvollziehers sollen sogar zumindest 133.000 Euro geflossen sein. Allein er soll zwischen Februar 2007 und Februar 2010 69.115 Namen abgefragt haben. Als er aufhören wollte, sei er von dem Wiener mit „Telefonanrufen zu jeder Tages- und Nachtzeit“ bedrängt worden.

Die Ausdrucke erfolgten übrigens großteils auf selbst gekauftem Kopierpapier. Er habe nämlich befürchtet, „dass im Gericht auffallen könnte, dass der Papierverschleiß so sehr ansteigt“. Am ersten Prozesstag wurde deutlich, dass innerhalb der Justiz die illegale Datenweitergabe offenbar ein offenes Geheimnis gewesen sei. So soll eine Kanzleileiterin die gewünschten Daten einfach mit der Post geschickt haben.

Das Verfahren ist vorerst auf neun Verhandlungstage anberaumt. Die Verhandlung wird morgen mit der Befragung der weiteren Angeklagten fortgesetzt. Diese Einvernahmen sollen am Freitag abgeschlossen werden. Laut Richterin Öner könnte es bereits in der kommenden Woche Urteile geben.