Report: Polizei „auf rassistischem Auge blind“

731 rassistische Vorfälle wurden im Vorjahr von der Anti-Rassismus-Stelle ZARA dokumentiert. Vor allem Äußerungen und Handlungen von Polizei und Justiz sind im vergangenen Jahr negativ aufgefallen.

Polizisten hätten sich im Einsatz respektlos gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe verhalten, die Justiz nehme rassistische Vorfälle teilweise nicht ernst, so ZARA-Geschäftsführerin Claudia Schäfer. „Polizei und Justiz auf rassistischem Auge blind“, betitelte ZARA deshalb den Rassismusreport für das Jahr 2013, der bei einer Pressekonferenz am Freitag, dem internationalen Tag gegen Rassismus, präsentiert wurde.

Schäfer kritisierte „unverständlich milde Urteile bzw. Freisprüche“ und verwies etwa auf den Fall einer Afrikanerin, die im Jänner 2013 nach einem Streit auf die U-Bahn-Gleise gestoßen wurde - mehr dazu in Auf Gleis gestoßen: Urteil bestätigt.

„Rassismus noch weit verbreitet“

Die Beratungsstelle für Opfer und Zeugen von Rassismus dokumentiert Fälle, die an sie gemeldet werden. Insgesamt wurden von ZARA im Jahr 2013 731 Fälle verzeichnet, das sind um 41 weniger als im Jahr davor. Der größte Teil (20 Prozent) davon geschah im Internet, 19 Prozent entfielen auf den Bereich „Öffentlicher Raum“ und ebenfalls 19 Prozent auf den Bereich „Güter und Dienstleistungen“. Dazu zählen etwa Vorfälle im Wohnbereich oder Vorkommnisse beim Zugang zu Lokalen.

„An der Problematik, dass auch in Polizei und Justiz Rassismus noch weit verbreitet ist bzw. nicht genügend reflektiert und ernstgenommen wird, hat sich, seit ZARA vor nunmehr 15 Jahren mit Anti-Rassismus-Arbeit begonnen hat, offenbar nichts Grundlegendes geändert“, stellte Schäfer fest.

ZARA fordert nationalen Aktionsplan gegen Rassismus

Nach wie vor komme es „zu viel zu vielen Vorfällen polizeilichen Fehlverhaltens“, auch in der Justiz werde nicht immer vorurteilsfrei vorgegangen, kritisierte Maladi. Häufig gemeldet wurde der Stelle etwa Ethnic Profiling, also wenn Personen etwa allein aufgrund ihrer Hautfarbe verdächtigt und kontrolliert werden.

Von der Politik fordert die Beratungsstelle, die im Herbst 15 Jahre alt wird, daher unter anderem einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, verstärkt Sensibilisierungstrainings und Schulungen für Polizisten sowie eine unabhängige Stelle zur Überprüfung rassistisch motivierter Übergriffe von Polizisten.

Amtshandlungen werden noch einmal durchgespielt

Im Innenministerium wehrt man sich gegen die Vorwürfe. Die Polizei arbeite seit vielen Jahren gegen Rassismus im eigenen Apparat. Rassismus sei ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und keines, das nur bei der Polizei vorkommen kann, betonte Karl Heinz Grundböck vom Innenministerium. Er verweist darauf, dass bei der Polizeiausbildung 900 der insgesamt 2.700 Stunden in Theorie und Praxis mehr oder weniger dem Thema Antirassismus gewidmet sind.

Auch in der Fortbildung sind Schulungen zu diesem Thema verpflichtend. Gemeinsam mit der europäischen Grundrechteagentur, die ihren Sitz in Wien hat, wurde ein Trainingshandbuch zum Thema Rassismus erarbeitet.

Für den Fall, dass ein Polizist bei einem Einsatz rassistisch war, ist eine spezielle Form der Reflexion möglich: „Ein Modell, wo Beamte Amtshandlungen in einer Laborsituation noch einmal durchspielen und darüber Handlungsalternativen für die Zukunft erarbeiten können“, erklärt Grundböck. Daneben werden Vorfälle intern geprüft - mehr dazu in Rassismusvorwürfe gegen Polizisten.

Mehr Beamte mit Migrationshintergrund

Auch die Tatsache, dass immer mehr Polizisten und Polizistinnen mit Migrationshintergrund speziell bei der Wiener Polizei arbeiten, wird dazu betragen, dass Rassismus in den eigenen Reihen abnimmt, zeigt sich Grundböck überzeugt. Die Polizei soll auch „die Gesellschaft abbilden, für die sie arbeitet“. In der österreichischen Gesellschaft sei ein zunehmende Diversität zu beobachten. Diese Entwicklung soll sich auch im Polizeiapparat wiederfinden.

Für Opfer ist es wichtig, an die Beschwerdemöglichkeit zu denken, sagt Grundböck. „Jeder Polizist ist verpflichtet, eine Karte mit der Dienstnummer auszuhändigen.“ Jeder einzelne Fall werde geprüft. Für Opfer gibt es auch die Möglichkeit, zum Landesverwaltungsgericht zu gehen.

FPÖ-Gewerkschafter: „Völlig unerheblich“

SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz meinte in einer Reaktion auf den Rassismusreport: „Die von ZARA dokumentierten 731 rassistischen Vorfälle im Vorjahr zeigen, dass hierzulande noch vieles im Argen liegt.“ Rassistischen Äußerungen und Praktiken müsse „auf allen Ebenen entschieden begegnet werden - egal ob am Arbeitsplatz, in der Politik oder am Fußballplatz“, so Yilmaz in einer Aussendung.

„Es ist höchste Eisenbahn, massiv gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen“, betonte auch Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen. In Bezug auf Diskriminierung „in Institutionen wie Polizei und Justiz“ forderte sie „eine Erhebung aussagekräftiger Daten“.

Der freiheitliche Bereichssprecher für den öffentlichen Dienst und AUF-Bundesvorsitzende Werner Herbert bezeichnete den Report dagegen als „völlig unerheblich“. „Hier sind lediglich subjektive Empfindlichkeiten diversester Personen dokumentiert, die wohl eher am linken Rand der Gesellschaft stehen“, sagte Herbert in einer Aussendung.

Link: