Kunsthalle: Neue Wege nichts zu tun

Die Kunsthalle Wien setzt dem umtriebigen, aufgeregten Kunstbetrieb passiven Widerstand entgegen und präsentiert ab Freitag die Schau „Neue Wege nichts zu tun“. Neu ist an den Verweigerungspraxen nichts. Witzig sind sie dennoch.

In einer Gesellschaft, die ganz auf Produktivität und Effizienz ausgerichtet sei, und in einem Kunstbetrieb, in dem es immer stärker um Verkauf und Selbstrepräsentation gehe, halte der Wunsch, innezuhalten und nachzudenken immer stärker Einzug, schilderte die Kuratorin Vanessa Joan Müller die Ausgangslage der bis 12. Oktober laufenden Ausstellung.

Die dafür ausgesuchten Werke von über 20 internationalen Künstlern, seien „unheldisch und unspektakulär“, ergänzte Co-Kuratorin Cristina Ricupero. Gemeinsam sei ihnen, dass sie inmitten einer immer stärkeren Informationsflut, eines immer höheren Professionalisierungs- und Kommerzialisierungsgrads in der Kunst, aus der Verweigerung kreatives Potenzial schöpften.

Etienne Chambaud, Disclaimer, 2007.

Etienne Chambaud

Etienne Chambaud, Disclaimer, 2007. „I would prefer not to.“

Wie Bartleby, der Schreiber

Als zentrale Figur dient dabei Bartleby, der Schreiber. Der Protagonist der 1853 publizierten, gleichnamigen 80-seitigen Erzählung von Herman Melville pflegte sich in seinem Büro an der Wall Street sämtlichen Arbeitsaufträgen seiner Chefs mit einem höflichen, aber entschiedenen „I would prefer not to“ zu entziehen: „Ich würde lieber nicht“.

Dieser von Etienne Chambaud in Neonschrift gefasste Satz bildet das Motto der Schau, die auch andere Wege der passiven Resistenz im Büroalltag zeigt: Sofia Hulten etwa präsentiert in einem Video „12 Versuche, sich in einem Büro-Ambiente zu verstecken“ (vom Müllsack bis zum Spind), während das dänische Künstlerkollektiv Superflex für seine Videoarbeit „This Working Life“ einen Hypnotiseur engagiert hat, um die Absurditäten unseres Arbeitslebens herauszuarbeiten.

Buch

Bildrecht, Wien, 2014

Claire Fontaine, Bartleby le scribe brickbat, 2006.

Warum arbeiten?

„Why work?“ fragt Alejandro Cesarco und hat ein Buch mit Texten zum Thema zusammengestellt, in dem auch eine umfassende Einleitung und eine Fallstudie des Künstlers enthalten sein soll. Zu sehen ist nur das Inhaltsverzeichnis. Auf das Verfassen von Buch, Studie und Einleitungstext hat Cesarco schlüssigerweise verzichtet: „Why work?“

Dass es häufiger auf Form als auf Inhalt ankommt, zeigt Superflex an einer umgearbeiteten Euro-Münze als Muster ohne Wert bzw. Poster zum Mitnehmen, während Julia Hohenwarter Teile der von ihr für das Ausstellungsdisplay verwendeten Elemente früherer Ausstellungsdesigns funktionslos im Raum aufgebaut hat.

Schreiben

Bildrecht, Wien, 2014

Natalie Czech, o.T. (Today I wrote nothing. Doesn´t Matter), 2009.

Heute nix geschrieben, macht nix

Klassischer funktionieren Natalie Czechs Variationen über eine Tagebuchnotiz des russischen Avantgarde-Dichters Daniil Charms („Today I Wrote Nothing. Doesn’t Matter.“) oder der Film „Ein Mann, der schläft“ von George Perec und Bernard Queysanne: Die Verfilmung eines von Melville inspirierten Perec-Romans zeigt einen Studenten, der beschließt, nicht zur Prüfung zu gehen und sich auch sonst fortan möglichst passiv zu verhalten.

Langweilig wird einem in der Ausstellung erstaunlicher Weise nicht. Auch wenn das Betrachten eines an die Wand geworfenen, vergrößerten langsamen Blinksignals eines Computers im Stand-By-Modus („Perpetual Room“ von Edith Dekyndt) oder das Hören einer 45-minütigen Soundarbeit, in der Mathias Delplanque „Mein Schlafzimmer, wenn ich nicht da bin“ akustisch präsentiert, wohl nicht jedermanns Sache ist. Aber da kann sich der Besucher diesmal ganz ohne schlechtes Gewissen verweigern.

Musikprogramm parallel im MQ

Auf das Nichtstun verzichtet Thomas Heher (Waves Vienna) in seinem heute Abend zur Ausstellungseröffnung startenden begleitenden Musikprogramm „Neue Wege“, das sich im Rahmen des Summer of Sounds im MQ dem Thema „Minimal“ widmet. Außerdem werden im Begleitprogramm „Meditation Sit-ins“ angeboten, in denen man sich mit dem Nichtstun anfreunden kann.

Vanessa Joan Müller: „Wer glaubt, dass das einfach ist, irrt sich. Wirklich nichts zu tun, ist ziemlich anstrengend.“ Wem das zu anstrengend sein sollte, kann sich noch immer an Bartleby halten: „I would prefer not to.“

Teppich

Bildrecht, Wien, 2014

Sofia Hultén, Grey Area. 12 Attempts to hide in an office environment, 2001 (Still).

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