Alkoholiker: Abstinenz nicht immer Ziel

Weniger Scheu durch neue Wege - das ist das Ziel in der Alkoholtherapie in Wien. Im Projekt „Alkohol 2020“ können Alkoholkranke eine ambulante Entzugstherapie machen. Dort geht es immer weniger darum, sofort komplett aufzuhören.

„Man kommt vom Abstinenzparadigma weg. Das ist überholt, weil wir wissen, dass Rückfälle zur Erkrankung dazugehören. Viele Patienten leiden darunter, dass sie das Ziel, nie wieder etwas zu trinken, nicht erreichen. Sie haben immer wieder das Gefühl des Versagens und des Scheiterns“, sagte Hans Haltmayer, der ärztliche Leiter des Projekts „Alkohol 2020“, das alkoholkranken Menschen ambulante Therapie bietet. „Schritt für Schritt den Alkoholkonsum zu reduzieren oder vielleicht nur mehr die Hälfte zu trinken. Das ist für manche Patienten schon ein riesiger Schritt“, so Haltmayer.

Zwei Drittel der Alkoholkranken sind Männer

Schätzungen gehen von 35.000 bis 75.000 Alkoholabhängigen in Wien aus. Zwei Drittel davon sind Männer. Dazu kommen 150.000 Menschen mit problematischem Alkoholkonsumverhalten. Die Datenlage ist aber nicht besonders gut. So vermuten Experten, dass ein Drittel der jährlich 21.000 Frühpensionierungen auf psychische Ursachen zurückzuführen sei - und ein Gutteil davon hänge mit Alkoholmissbrauch zusammen. Auch 30 Prozent aller Krebserkrankungen würden durch übermäßiges Trinken entstehen.

Mann mit Glas in der Hand

APA/dpa/Pleul

„Rückfälle gehören zur Erkrankung“

Leichterer Schritt in Therapie

Der Schritt in die Therapie soll auch durch das ambulante Angebot erleichter werden. Viele Alkoholkranke würden davor zurückschrecken, für einen längeren Zeitraum in eine Klinik zu gehen, sagt Haltmayr. Die Aufnahme in das Projekt „Alkohol 2020“ erfolgt im regionalen Kompetenzzentrum in Mariahilf.

Dort wird entschieden, welche ärztlichen und psychotherapeutischen Maßnahmen notwendig sind und wo sie am besten in Anspruch genommen werden. Zusätzlich wird zum Beispiel auch darauf geachtet, ob der Betroffene arbeitslos ist oder Schulden hat und wie er dabei unterstützt werden kann.

Einjährige Pilotphase

Das Projekt „Alkohol 2020“ wird von der Stadt Wien, der Wiener Gebietskrankenkasse und der Pensionsversicherungsanstalt finanziert. Die einjährige Pilotphase läuft seit Oktober des Vorjahres und kostet 3,5 Millionen Euro. Dann wird das Projekt evaluiert und eventuell in Sachen Angebot und Finanzierungsschlüssel nachjustiert. Die flächendeckende Umsetzung soll bis 2020 erfolgen - mehr dazu in Bessere Betreuung für Alkoholkranke.

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