71 Prozent der Volksschüler können gut lesen

Die Volksschüler der vierten Klasse haben ihre Leseleistungen beim Wiener Lesetest gegenüber den Vorjahren gesteigert. 71,3 Prozent bewiesen ein sicheres Textverständnis, bei 3,7 Prozent wurde keine „messbare Lesekompetenz“ festgestellt.

Bis 2013 wurde der Lesetest vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE) durchgeführt. Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl beendete aber im Vorjahr wegen „logistischer Schwierigkeiten und Fehlern bei der Auswertung“ die Zusammenarbeit. 2014 gab es daher keine Ergebnisse. Seit heuer wird der Test von Ex-BIFIE-Chef Günter Haider bzw. einem Team der Uni Salzburg durchgeführt - mehr dazu in Brandsteidl kritisiert NMS und BIFIE (wien.ORF.at; 12.7.2014).

Neuer Lesetest ohne BIFIE

Wesentliche Unterschiede: Der 40-minütige Haupttest fand statt im Jänner im April statt. Zu Jahresbeginn gab es dafür einen freiwilligen Vortest, bei dem sich die Schüler mit den Aufgabenformaten vertraut machen konnten - mehr dazu in Neuer Lesetest startet an Volksschulen (wien.ORF.at; 21.4.2015). Anstatt vom Testinstitut wurden die Aufgaben anhand einer Schablone von den Lehrern selbst ausgewertet. Diese wissen somit, welche Schüler welche Leseprobleme haben. Der Stadtschulrat erhielt die anonymisierten Schulergebnisse - mehr dazu in Lesetest: Lehrer werten selbst aus (wien.ORF.at; 1.12.2014).

Lesetest-Grafik

APA/ Margret Schmitt

„Verstehen die Inhalte nicht“

Insgesamt wurden 15.279 Kinder an 267 Volksschulen getestet - ausgeschieden wurden die Ergebnisse jener rund 500 Kinder, die außerordentliche Schüler sind bzw. nach einem Sonderschullehrplan unterrichtet werden. Von den restlichen 14.813 Kindern erreichten 553 (3,7 Prozent) zwischen null und elf der insgesamt 30 Punkte: „Bei denen müssen wir sagen: Sie verstehen die Inhalte nicht“, so Brandsteidl am Dienstag.

Beispiele aus dem Lesetest können Sie hier herunterladen:

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Weitere 1.295 Schüler (8,7 Prozent) zeigten nur „teilweises Textverständnis“ und fallen daher ebenfalls in die schwächste der drei Kompetenzstufen. 2.404 Kindern (16,2 Prozent) wurde „ausreichendes Textverständnis“ attestiert, 10.561 Kindern (71,3 Prozent) „sicheres Textverständnis“. In der letzten Gruppe sind auch jene 1.103 Kinder, die alle Aufgaben lösten und alle 30 Punkte erreichten.

Mehr als die Hälfte spricht Deutsch zu Hause

Von allen ausgewerteten Schülern gaben 57 Prozent an, daheim Deutsch zu sprechen. 43 Prozent nannten eine andere Sprache (primär Bosnisch-Kroatisch-Serbisch und Türkisch). In der Gruppe der leseschwächsten Schüler haben rund zwei Drittel eine andere Muttersprache als Deutsch. Bei den leistungsstärksten Schülern mit 30 Punkten sprachen 84 Prozent daheim Deutsch.

Weitere Detailergebnisse: Buben erzielten leicht bessere Resultate als Mädchen, Ganztagsvolksschulen bei Schulmittelwerten zwischen 20 und 25 Punkten um einen Punkt bessere Resultate. 22 Schüler erreichten keinen einzigen Punkt bei den Multiple-Choice-Aufgaben: „Null Punkte zusammenbringen ist nicht leicht, selbst wenn der Test auf Chinesisch wäre. Das könnten Testverweigerer sein“, so Brandsteidl.

Formulare für Wiener Lesetest 2015

ORF

Einzelfallanalyse für 553 Schüler

Für die 553 Schüler praktisch ohne Textverständnis in der vierten Klasse Volksschule hatte Brandsteidl drei Erklärungsansätze. Diese könnten einerseits so schwach sein, dass sie ohnehin durchfallen. Andererseits könnten sie „an der Schwelle zum sonderpädagogischen Förderbedarf“ stehen. Und die dritte Möglichkeit: „Man weiß es nicht - die waren zum Teil beim Vortest im mittleren Bereich und sind beim Haupttest abgestürzt.“

Haider führte als Erklärungsmöglichkeit an, dass diese Kinder den Übergang von der Alphabetisierung in den ersten beiden Volksschulklassen zum flüssigen Lesen und Textverständnis in der dritten und vierten Schulstufe nicht geschafft hätten. Die Schulaufsicht müsse nun bei allen 553 Schülern eine genaue Einzelfallanalyse vornehmen, so Brandsteidl. Diese erhielten nun einen „Rucksack an Fördermaßnahmen“. Unter anderem gebe es kostenlose Sommer-Leseförderkurse.

Brandsteidl als „Testjunkie“

Brandsteidl bekannte sich dazu, ein „Testjunkie“ zu sein: „Weil es die Kinder in der Folge brauchen, siehe Zentralmatura oder diverse Aufnahmeprüfungen an Fachhochschulen und Unis - die Zeit, wo die Gedächtnisübung abgesagt wurde, weil die Schüler die Testsituation stressen könnte, ist vorbei.“

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