Wolfgang Schüssel feierte 70. Geburtstag

Seine Ära als „Wendekanzler“ gilt als eine der umstrittensten der Zweiten Republik, heute ist er ein gerne gehörter Mann: Wolfgang Schüssel feierte am Sonntag seinen 70. Geburtstag und ist damit so alt wie die Zweite Republik.

Im Jahr 2000 erklomm Schüssel von Platz drei mit Hilfe von Jörg Haider (FPÖ) die Regierungsspitze und verursachte Sanktionen der EU. Umso erstaunlicher ist es, dass zur 70er-Feier sogar die mächtigste Politikerin Europas, Angela Merkel, in die Schönbrunner Orangerie reisen wird. Schüssel hat sich - bei aller Kritik an ihm im In- und Ausland - den Ruf eines Staatsmanns erarbeitet.

Neues Buch zum Geburtstag

Heute sitzt Schüssel im Kuratorium der renommierten Bertelsmann-Stiftung, im italienischen Think-Tank Ambrosetti-Forum, ist Aufsichtsrat beim Energie-Riesen RWE und schreibt auch ganz gerne ein Buch. Zuletzt erschienen Schüssels Kolumnen für die „Neue Zürcher Zeitung“ in gebundener Form. Alle Texte in dem 224 Seiten starken Buch sind nach seinem Ausscheiden aus der Politik entstanden.

Der „Wendekanzler“ ist also nach wie vor gefragt. Das liegt wohl einerseits an seinem rhetorischen Talent, andererseits auch an seinen nach wie vor kantigen Thesen, die er heute aber nur noch zu internationalen Themen äußert. Die Innenpolitik hat Schüssel mittlerweile hinter sich gelassen.

Glückwünsche von Parteikollegen

Im Namen der gesamten ÖVP-Familie gratulierte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Sonntag. „Als echter Gestalter mit Mut und Verantwortung hat Wolfgang Schüssel vor allem in seiner Zeit als Bundeskanzler wichtige Reformen umgesetzt, die Österreich an die Spitze gebracht haben“, betonte Mitterlehner. Auch Wirtschaftsbund-Präsident Christoph Leitl gratulierte Schüssel. „Eine politische Kraft, die mit viel Weitblick, Konsequenz und Antriebswillen maßgebliche Reformen für unser Land und unsere Wirtschaft umgesetzt hat“, so Leitl in einer Aussendung.

Wolfgang Schüssel

APA/Hochmuth

Wolfgang Schüssel mit seinem neuen Buch.

Berufspolitiker durch und durch

Der promovierte Jurist, der - obwohl aus finanziell eher schwächeren Verhältnissen kommend - ein Wiener Privatgymnasium absolviert hatte, begann schon in seinen frühen 20ern im ÖVP-Parlamentsklub als Sekretär. Mit 30 wurde er Generalsekretär des Wirtschaftsbunds und dabei schnell zum Hoffnungsträger der Partei.

Ein Mandat im Nationalrat gab es rasch, 1989 schaffte es der damals noch leidenschaftliche Mascherl-Träger und Brillen-Fetischist in die Bundesregierung als Wirtschaftsminister. Als er 1995 Erhard Busek an der Parteispitze ablöste, galt er als Notlösung. Doch der nunmehrige Außenminister ging gleich in die Vollen, brach Neuwahlen vom Zaun und fiel auf die Nase. Franz Vranitzky blieb mit seiner SPÖ an der Spitze, eine bleibende Wunde für den ehrgeizigen VP-Chef.

Von Platz drei ins Kanzleramt

Dass Schüssel sich dann mit dem erstmaligen und bisher einmaligen Rückfall der ÖVP auf Platz drei der Wählergunst 1999 das Kanzleramt sicherte, ist eine Ironie der Geschichte. Schüssel hielt dabei allem erdenklichem Druck Stand, dem der EU, dem der Demonstranten auf der Straße und auch dem der wütenden Opposition. Auch als die erste Koalition mit den Freiheitlichen scheiterte, verlor Schüssel nicht die Nerven, ganz im Gegenteil eilte er 2002 sogar zu Platz eins bei der Nationalratswahl.

2006 war es dann vorbei, zu sehr verließ sich Schüssel auf eigenen Ruhm, BAWAG-Skandal und vermeintlich fehlenden Glanz von Herausforderer Alfred Gusenbauer. Doch die SPÖ zog an der ÖVP vorbei, Schüssel torpedierte noch einige Zeit die von ihm selbst mit ausverhandelte Große Koalition als Klubchef und später einfacher Abgeordneter, ehe er sich im September 2011 im Zug der Telekom-Affäre zurückzog und das, obwohl gegen ihn persönlich keine ernsthaften Vorwürfe vorlagen.

Cello und Fußball

Schüssels Frau Krista ist Kinderpsychologin. Der Ehe entstammt auch ein Sohn. Seine Tochter, Künstlerin Nina Blum, dürfte einen guten Teil ihres schauspielerischen Talents von ihrem Vater geerbt haben. Schüssel spielt Cello, ist ein begabter Karikaturist und bastelt Papier-Schnitte. Den sportlichen Ehrgeiz befriedigt er in den Bergen oder am Fußball-Feld. So fit, wie Schüssel zu seinem 70. Geburtstag scheint, dürfte er diesen Hobbys noch längere Zeit frönen können.

Link: