Staatsopern-Direktor Dominique Meyer ist 60

Sein Amtsantritt war von einhelligem Lob begleitet. Und dann kamen die Mühen der Ebene. Am Samstag hat Dominique Meyer nun fünf Jahre nach seiner Berufung zum Direktor der Wiener Staatsoper seinen 60. Geburtstag gefeiert.

Den Knalleffekt gab es im Vorjahr, als Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst wegen „Differenzen über die künstlerische Ausrichtung“ zu Saisonbeginn sein Amt sowie alle geplanten Dirigate niederlegte - mehr dazu in Welser-Möst verlässt Staatsoper.

Aber auch Maestrokollege Bertrand de Billy schied 2014 im Unfrieden, als er mitten in den Proben das Dirigat der neuen „Lohengrin“-Inszenierung fallen ließ. Der medial ausgetragene Konflikt mit Meyer schaukelte sich schließlich so weit auf, dass de Billy verkündete: „Das Kapitel Staatsoper ist für die Dauer der Amtszeit von Dominique Meyer für mich abgeschlossen“ - mehr dazu in Staatsoper verliert nächsten Dirigenten.

Musikalische Achtungserfolge und einige Missgriffe

„Nirgends hat man so viele verschiedene Menschentypen und auch Menschenschicksale um sich, wie in einem Opernhaus“, hatte Meyer bereits in weiser Voraussicht 2010 in seiner Biografie zum Amtsantritt beschieden („Szenenwechsel Wiener Staatsoper“, Styria Verlag).

Abseits des Menschelnden hat der Direktor in seinen ersten fünf Spielzeiten musikalische Achtungserfolge und einige Missgriffe zu verzeichnen, wobei letztere vor allem auf dem Regiesektor zu suchen waren. Gleich zum Auftakt setzte Meyer mit Händels „Alcina“ erstmals nach Jahrzehnten wieder eine Barockoper (und damit erstmals auch ein anderes Orchester als das Staatsopernorchester) auf den Spielplan, auch wenn diese bis heute einer Nachfolge harrt.

Dominique Meyer

APA/Georg Hochmuth

Meyer führt das Haus am Ring seit 2010

Der „Ring“ unter Christian Thielemann, die „Anna Bolena“ mit Anna Netrebko und Elina Garanca, Hindemiths „Cardillac“, Puccinis „La Fanciulla del West“ mit Jonas Kaufmann, Nina Stemmes Rollendebüt als „Elektra“ oder Thomas Ades’ „The Tempest“ zählen zu den großen Erfolgen der vergangenen Jahre.

Weniger glücklich verlief manche Regieentscheidung. Der Da-Ponte-Zyklus unter Jean-Louis Martinoty wurde nach heftiger Kritik an den Inszenierungen von „Don Giovanni“ und „Figaro“ noch vor der „Cosi“ abgebrochen. Und auch weitere Arbeiten wie die „Adriana Lecouvreur“ wurden von der Musikkritik verhalten aufgenommen. Dem Publikumszuspruch tat dies allerdings keinen Abbruch, wurden die Auslastungszahlen seit Meyers Amtsantritt doch auf über 99 Prozent gesteigert. Auch die Einnahmen erreichten zuletzt mit 34,08 Millionen Euro einen Rekord.

„Ich bin sehr fleißig“

Der Kritik an fehlenden Uraufführungen und jüngeren Werken im Spielplan begegnete Meyer im Frühjahr mit der Ankündigung, bis 2019 fünf Auftragskompositionen zu planen, darunter einen „Orlando“ von Olga Neuwirth. Unter Meyer wurde überdies die Positionierung der Staatsoper als Musiktheater 2.0 vorangetrieben, indem der digitale Auftritt samt Streamingdiensten initiiert wurde. Und die Weltpremiere von Tom Cruises „Mission: Impossible - Rogue Nation“ brachte das Haus am Ring zuletzt auch abseits der Klassikberichterstattung auf die Titelseiten der Zeitungen.

„Ich bin sehr fleißig“, hatte Meyer schon in seiner Antrittsbiografie klargemacht. Und dazu gehört für ihn auch das Erscheinen im Foyer vor der Vorstellung: „Wenn ich auf dem Boden im Foyer ein Papier liegen sehe, gehe ich sofort hin und hebe es selbst auf. Auch das kann Vorbildwirkung haben.“ Und natürlich wird das Publikum oftmals persönlich mit Handschlag begrüßt.

Dies waren Argumente, weshalb Meyer 2007 der Ruf aus Wien ereilte, als der damaligen Kulturministerin Claudia Schmied ein Überraschungscoup gegen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (beide SPÖ) gelang. Sie installierte nicht dessen Wunschkandidaten Neil Shicoff, sondern zog den damals in Österreich weitgehend unbekannten französischen Kulturmanager aus dem Hut. Und verlängerte bereits zwei Jahre nach Antritt dessen Vertrag bis 31. August 2020.

Meyer studierte Wirtschaft

Geboren wurde Meyer am 8. August 1955 im elsässischen Thann und lebte aufgrund der Versetzung des Vaters als Kind unter anderem im deutschen Mühlheim. Seine erste Leidenschaft galt zu Beginn seiner Karriere dann nicht der Musik, sondern der Wirtschaft, weshalb er in Paris ein Wirtschaftsstudium aufnahm. Allerdings habe er damals bereits täglich eine Oper, ein Theater oder ein Konzert besucht, erinnerte sich der spätere Operndirektor an diese Zeit. Bis zum beruflichen Engagement im Kultursektor sollte es allerdings noch dauern.

So erfolgte nach dem absolvierten Studium sein Einstieg in die französische Politik, wo er ab 1980 im Industrieministerium für Elektronik- und Computerindustrie zuständig war. Für die Kultur entdeckte ihn der damalige Minister Jack Lang, der ihn 1984 als Berater für die Bereiche Film- und Kulturindustrien in sein Ministerium holte und zu Meyers Mentor werden sollte.

Den Duft der Bretter, die die Welt bedeuten, schnupperte Meyer dann erstmals 1986, als er in beratender Funktion für die Präsidenten der Pariser Oper berufen wurde. Nur drei Jahre später sollte er, nach einem erneuten kurzen Zwischenspiel in der Kulturpolitik, zum Generaldirektor des Hauses werden. Das Lob sicherte er sich primär mit der schwierigen, aber geglückten Eröffnung der Bastille Oper, die im Zentrum seiner damaligen Aufgabe stand.

Dies brachte ihm 1991 erneut den Job als Kulturberater im Ministerium ein, wo er unter anderem mit der Gründung des Fernsehsenders ARTE beschäftigt war. Aus dieser Zeit stammt auch Meyers Dokumentarfilm „Eclats de Voix“, den er als Co-Autor und -Regisseur über den Bayreuther Jahrhundertring drehte. Doch auch diese politische Funktion hielt den Opernfreund nicht allzu lange.

„Nur sanfte Anpassungen vornehmen“

1994 wurde er Generaldirektor der Oper von Lausanne und ließ in der Schweiz fünf Jahre lang mit selten gespielten Werken anstelle der großen Klassiker aufhorchen. Die Rückkehr nach Paris erfolgte 1999, als der Operndirektor ans privat geführte Theatre de Champs-Elysees berufen wurde. Auch dort brachte Meyer vielfach Ungewöhnliches auf die Bühne und beförderte die Renaissance des barocken Repertoires mit.

Daneben war er bis 2010 Präsident des französischen Jugendorchesters und fungierte von 2000 bis 2003 als Präsident der Kommission „Fernsehen, Schauspiel und Musik“ am Centre National de la Cinematographie. Daneben konnte er Kontakte zu den Wiener Philharmonikern knüpfen, deren französischer Stützpunkt das Champs-Elysees ist.

Auf den Wiener Posten bewarb sich Meyer dann 2007 ganz formell - und trat damit den Beweis an, dass auch Spitzenposten auf diesem Wege in Österreich zu erlangen sind. „Generell bin ich der Überzeugung, man kann an einem Haus wie der Wiener Staatsoper nur sanfte Anpassungen vornehmen“, gab Meyer in seiner Antrittsbiografie als Motto aus: „Es ist nicht möglich, alle Reformen, die vielleicht nötig sind, gleichzeitig in Angriff zu nehmen.“ Das Staatsopernpublikum kann sich also auch in Hinkunft unter der Direktion Meyer auf Veränderungen einstellen.

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