Regisseur und Schauspieler Peter Kern gestorben

Der Wiener Schauspieler, Regisseur und Produzent Peter Kern ist im Alter von 66 Jahren gestorben. Das meldete die „Süddeutsche Zeitung“ (Onlineausgabe) am Mittwochabend unter Berufung auf „nächste Freunde“ Kerns.

„Er war einer der letzten Dinosaurier des Autorenfilms, ein zentnerschweres Gesamtkunstwerk“, schrieb der Regisseur Helmut Schödel im Nachruf auf Kern in der „Süddeutschen Zeitung“. Kern drehte unter anderen mit Rainer Werner Fassbinder, Peter Zadek und Wim Wenders.

Der österreichische Regisseur Peter Kern 2015 in Berlin während der 65. Internationalen Filmfestspiele

APA/dpa/Michael Kappeler

Peter Kern im Februar in Berlin während der 65. Internationalen Filmfestspiele

Umfangreiches Werk

„Der letzte Sommer der Reichen“, der im Februar in der Panorama-Reihe der Berlinale seine Premiere gefeiert hatte, blieb der letzte Film in einem reichen Oeuvre, das mit Retrospektiven unter anderem in New York, Chicago, Houston, Düsseldorf, Manila, Montreal und Kairo gewürdigt worden war.

Bei der Pressekonferenz in Berlin hatte sich der exzentrische Künstler kämpferisch wie eh und je gegeben: Er forderte mehr Geld für die Kultur, da die Politiker nicht fähig seien, die Probleme von heute zu lösen: „Da muss erst die Kunst kommen“, deshalb solle sie vorneweg finanziert werden, um die Möglichkeit zu haben, „vorzudenken“. Allerdings sei das Kino „in Mittelmäßigkeit und Mainstream angelangt, wo man meinen könnte, das Kino habe den Anspruch darauf, Teil der Kultur zu sein, aufgegeben“.

Mavie Hoerbiger (r.) und Peter Kern (l.) während einer Fotoprobe des Stücks „Die Judith von Shimoda“ von Bertolt Brecht im Theater in der Josefstadt

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Peter Kern (l.) und Mavie Hörbiger (r.) während einer Probe des Stücks „Die Judith von Shimoda“ im Theater in der Josefstadt 2008

Mittelmaß und Mainstream - das wollte der schwergewichtige Künstler nie sein. Und mit politischen Aktionen eckte er gerne an - etwa 2002 mit der Science-Fiction-Filmsatire „Haider lebt - 1. April 2021“. Von der Kärntner FPÖ gab es damals heftige Proteste wegen der im Film enthaltenen Ermordung Jörg Haiders. Beim angesehenen Heine-Preis verhinderte der Düsseldorfer Stadtrat 2012 mit CDU/FDP-Mehrheit die Nominierung Kerns als Jurymitglied.

Anfänge als Sängerknabe

Begonnen hatte Kern, am 13. Februar 1949 geboren, ganz züchtig als Wiener Sängerknabe. Bereits im Alter von 15 Jahren inszenierte er „Colombe“ von Anouilh. Nach dem Besuch der Schauspielschule Polly Kügler und Engagements an diversen Mittel-und Kleinbühnen wirkte er beim Musical „Hair“ mit und ging daraufhin von 1968 bis 1971 auf Tournee.

Als Schauspieler arbeitete er später mit Fassbinder in „Despair“, „Faustrecht der Freiheit“ und „Mutter Küsters Fahrt zum Himmel“ zusammen, mit Hans-Jürgen Syberberg in „Ludwig“ und „Hitler“, mit Zadek in „Die wilden Fünfziger“, mit Wenders in „Falsche Begegnung“ und mit Werner Schroeter in „Malina“.

In rund 30 Filmen als Schauspieler

Etwa 30 Filme drehte er als Schauspieler, fast ebenso viele verantwortete er als Regisseur. Bei „Eine Handvoll Vergnügen - Crazy Boys“ führte Kern 1986 erstmals selbst Regie. Es folgten das dokumentarisch anmutende Porträt eines 15-jährigen Strichers, „Gossenkind“ (1992), sein Publikumserfolg „Domenica“ (1993) und der Streifen „Knutschen, Kuscheln, Jubilieren“ (1998) über das Leben alternder Schwuler. In den vergangenen Jahren war er etwa mit „Donauleichen“ (2005), „Die toten Körper der Lebenden“ (2006), „Blutsfreundschaft“ (2009), „Mörderschwestern“ (2010), „Glaube Liebe Tod“ (2012) und „Der letzte Sommer der Reichen“ (2015) in der europäischen Festivallandschaft unterwegs.

Die Porträtdoku „Kern“ von Severin Fiala und Veronika Franz fing 2012 die rauen und weichen Seiten des exzentrischen Schauspielers und Filmemachers ein. Darin war er ungeduldig, selbstverliebt und cholerisch ebenso zu erleben wie verletzlich, voller Verzweiflung und Sehnsucht. Ein Missbrauch in der Kindheit kam dabei ebenso zur Sprache wie der Verlust vieler Freunde, ein Leben in der Anonymität der Großfeldsiedlung und Anekdoten aus der glamourösen Kunst- und Filmwelt.

„Einer der prägendsten Künstler Wiens“

„Peter Kern war einer der prägendsten Künstler Wiens“, würdigte Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) den verstorbenen Filmemacher am Mittwochabend in einer ersten Reaktion. Mit ihm verlasse „einer der ganz Großen die Bühne des österreichischen Filmes“, erwies ihm Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) am Donnerstag in einer Aussendung die Ehre und bezeichnete Kern als „höchst universellen Künstler“.

„Es gibt wenige, die in Zeiten immer größerer Geldnöte derartig kompromisslos und konsequent ihre Ideen verfolgen wie Peter Kern dies getan hat“, würdigten ihn der Kultursprecher der Grünen im Parlament, Wolfgang Zinggl, und sein Wiener Kollege Klaus Werner-Lobo. „Die Kulturpolitik hat durch seinen Tod ein wichtiges Korrektiv verloren“, so Bernhard Dworak, ÖVP-Mitglied im Wiener Gemeinderatsausschuss für Kultur.

Auch im Österreichischen Filminstitut äußerte man sich betroffen zum Tod des Künstlers. „Er war einer der letzten seiner Generation, ein kompromissloser Filmemacher, besessen und beseelt vom Kino“, so Roland Teichmann in einer Aussendung. „Vielleicht war sein Herz einfach zu groß und verschwenderisch, und hat deshalb schon so früh aufgehört zu schlagen.“

Der österreichische Regisseur und Schauspieler Peter Kern ist gestern im Alter von 66 Jahren gestorben. In der heimischen Filmlandschaft galt „der Kern“ als umstrittene, aber auch einzigartige Persönlichkeit, die unbeirrbar, trotz finanzieller Engpässe, fast jedes Jahr einen Film drehte, darunter Titel wie „Haider lebt - 1. April 2021“, „Blutsfreundschaft“, „Mörderschwestern“ oder zuletzt „Der letzte Sommer der Reichen“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

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