NEOS-Einzug als Zünglein an der Waage

Das Duell um Platz eins zwischen SPÖ und FPÖ überstrahlt den Wahlkampf der kleineren Parteien. Dabei könnte NEOS entscheidend für mögliche Koalitionsbildungen sein. Und zwar auch wenn es NEOS nicht in den Gemeinderat schafft.

Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Wiener Großparteien - zumindest laut den jüngsten Umfragen. Laut „Kronen Zeitung“ kommt die SPÖ in einer von Unique Research durchgeführten Erhebung auf 38, die FPÖ bereits auf 34 Prozent. Es wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich die Verhältnisse im Finale noch umdrehen - und die FPÖ letztlich sogar vor den Sozialdemokraten liegen könnte.

Enges Rennen um Mandatsmehrheit?

Ein solches Szenario skizzierten auch andere kürzlich veröffentlichte Prognosen, die den rot-blauen Abstand noch geringer sahen. Unabhängig davon, wie dieses Duell ausgeht - für die Regierungsbildung nach der Wahl ist vor allem das Abschneiden der anderen Parteien relevant. Denn eine absolute Mehrheit und damit Alleinregierung dürfte sich weder für die SPÖ noch für die FPÖ ausgehen. Obwohl das umstrittene Wiener Wahlrecht größeren Parteien entgegenkommt.

Aber: „Je weniger Prozente die größeren Parteien haben, desto geringer ist der Vorteil durch das mehrheitsfördernde Wahlrecht“, sagt Laurenz Ennser-Jedenastik, Politikwissenschaftler vom Institut für Staatswissenschaften. Er räumt aber ein: „Wenn es eng wird und um ein Mandat mehr oder weniger geht, dann ist es sehr wohl wieder relevant.“

Koalitionsbildung könnte schwierig werden

Für mögliche Koalitionsbildungen nach der Wahl könnte vor allem die Frage des Einzugs von NEOS entscheidend sein. Schafft es den Sprung über die Fünfprozenthürde, dann könnte es zum Zünglein an der Waage werden. Denn Zweierkoalitionen könnten dadurch schwieriger zu erreichen sein. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hat eine solche mit der FPÖ bereits ausgeschlossen, für Rot-Grün könnte es eng werden. Rot-Schwarz oder gar Blau-Schwarz dürfte sich laut den Umfragen ebenfalls nicht ausgehen.

„Koalitionen brauchen mehr Stimmenanteile als eine Partei alleine. Während für eine Partei je nach Abschneiden in den Bezirken rund 47 Prozent reichen, benötigen Koalitionen aufgrund der vergebenen Grundmandate freilich mehr, um auf die Mandatsmehrheit zu kommen“, so Ennser-Jedenastik. Damit könnte NEOS für eine Dreierkoalition an Bedeutung gewinnen.

Auch NEOS-Scheitern relevant

Sollte NEOS hingegen scheitern, wäre das ebenfalls relevant für die Koalitionsbildung. „Ein knappes Scheitern würde dafür sorgen, dass deren Mandate auf die anderen Parteien relativ gleichmäßig aufgeteilt werden würden“, sagt der Politikwissenschaftler. Und dann könnten sich Zweierkoalitionen wiederum leichter ausgehen.

Dann könnte es für Rot-Grün trotzdem eng werden, sagt Politikberater Thomas Hofer. „Selbst wenn es die NEOS nicht schaffen, ist es so, dass auch die Mandatsmehrheit nur knapp ausfallen könnte. Wenn es nur ein oder zwei Mandate Überhang gibt, ist es nicht wirklich eine stabile Regierung, und dann kommen möglicherweise andere Optionen ins Spiel.“

Koalitionsbeteiligung ohne Regierungssitz?

Eine Regierungsbeteiligung von NEOS könnte übrigens weitere Eigenheiten der Wiener Stadtverfassung zeigen. Denn ein Einzug in den Gemeinderat würde nicht automatisch den Einzug in den Stadtsenat, also die Stadtregierung bedeuten. „Für das Wahlprozedere wird das d’hondtsche Verfahren angewendet.“ Das führt dazu, dass kleine Parteien erst ab Erreichen einer gewissen Größe dort vertreten sind.

NEOS könnte also einer Koalition angehören, ohne einen Regierungssitz innezuhaben. „Das wäre politisch interessant, aber kaum vorstellbar“, so Ennser-Jedenastik. Im Bedarfsfall kann der derzeit zwölfköpfige Stadtsenat auf 15 Mitglieder erweitert werden. „Das könnte dann eventuell der entscheidende Spielraum sein, um den NEOS auch ein Ressort zukommen zu lassen.“

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