Studenten erschlagen: In Anstalt eingewiesen

In Wien ist am Donnerstag im Landesgericht ein 33-jähriger Akademiker in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Er hatte im März in Ottakring seinen Mitbewohner mit einem Hammer erschlagen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Verteidigerin Liane Hirschbrich erbat drei Tage Bedenkzeit. „Ich bin jetzt in einem ganz anderen Zustand, als ich damals war. Ich kann nicht nachempfinden, was ich damals gefühlt habe. Das hätte nie, nie passieren dürfen. Bitte glauben Sie mir, dass ich kein brutaler und gewalttätiger Mensch bin“, hatte der 33-Jährige einem Schwurgericht (Vorsitz: Nina Steindl) dargelegt.

Außenansicht Haus

ORF

In diesem Haus in Ottakring passierte die Tat

Laut psychiatrischem Gutachten war bei dem Dreifachakademiker Schuldfähigkeit nicht gegeben. „Er ist aus medizinischer Sicht kein Verbrecher. Er ist kein böser Mensch. Er ist ein kranker Mensch“, stellte der Sachverständige Karl Dantendorfer fest.

Immer wieder Streit mit Studenten

Der Universitätsassistent hatte einen 29 Jahre alten Studenten aus Chemnitz als Untermieter in seiner Wohnung in der Ottakringer Seitenberggasse aufgenommen, nachdem seine vorige Mitbewohnerin nach nur vier Monaten ausgezogen war. Die junge Frau fürchtete sich, nachdem ihr der auf Energie- und Nachhaltigkeitsmanagement spezialisierte TU-Mitarbeiter erklärt hatte, er sei schizophren.

Der deutsche Soziologiestudent sei „sicher kein angenehmer Mensch“ gewesen, berichtete der 33-Jährige: „Er ist in meinen Raum eingedrungen, hat meine Geräte benutzt, hat die Wohnung verwahrlosen lassen.“ Außerdem habe der Jüngere Amphetamine konsumiert, infolge dessen oft 48 Stunden nicht geschlafen und durchgehend Techno-Musik gehört oder sich Ego-Shooter-Spielen hingegeben.

Ungeachtet dessen habe er „zu viele schlechte Dinge“ in den Studenten „hineininterpretiert“, legte der Angeklagte dar. Die Tat am 4. März 2015 sei „aus der paranoiden Schizophrenie passiert, unter der ich leider gelitten habe“. Er habe den jüngeren Mann, dem er mehrfach mündlich und auch schon schriftlich gekündigt hatte, wieder einmal zum Ausziehen bewegen wollen.

Dieser habe sich aber „vorbeigedrängt und der Diskussion entziehen wollen“. Da habe er diesem einen Stoß versetzt, der andere habe zurückgestoßen. Es sei zu einer Rauferei gekommen, er habe aus einer Werkzeugkiste einen 0,8 Kilogramm schweren Zimmermannshammer genommen und zugeschlagen: „Mir sind sicher die Nerven durchgegangen.“

15 wuchtige Hammerschläge

Laut Gerichtsmediziner Wolfgang Denk starb der Student an 15 wuchtigen Schlägen auf bzw. gegen den Kopf. Zumindest zwei Schläge wurden mit der spitzen Seite des Hammers geführt. Abschürfungen und Blutergüsse an Händen und Unterarmen legten nahe, dass sich der 29-Jährige verzweifelt zu wehren versucht haben dürfte.

Gerichtspsychiater Dantendorfer war von den Schilderungen des Uniassistenten zum Tathergang überrascht. Das höre sich „nach überschießender Notwehr“ an. Bei der psychiatrischen Untersuchung im April hbe der 33-Jährige demgegenüber angegeben, sein Mitbewohner habe sich gemeinsam mit seiner Familie mit der Stasi verbündet und geplant, ihn in den Wahnsinn zu treiben. Er habe diesem „Ablebenshilfe“ geleistet, zitierte Dantendorfer aus der damaligen Aussage des Akademikers.

Der Angeklagte erklärte seine unterschiedlichen Darstellungen damit, erst Dantendorfer habe ihm das Ausmaß seiner Erkrankung klargemacht: „Das hat mir schon sehr weitergeholfen.“ Während er früher Stimmen gehört und sich eingebildet habe, der Papst spreche zu ihm oder er diskutiere mit Politikern, „bin ich jetzt ein anderer Mensch. Ich leide nicht mehr unter diesen Wahnvorstellungen.“

„Sehr, sehr lange keine Stimmen mehr gehört“

Im Unterschied zu etlichen anderen zurechnungsunfähigen Tätern, die bei Gericht oftmals einen verwirrten, erheblich beeinträchtigten Eindruck hinterlassen, wirkte der Mann im Grauen Haus sehr gefasst. „Wenn Sie mich fragen, ich bin schon sehr, sehr auf dem Weg der Heilung“, führte er das auf Dantendorfers gutachterliche Tätigkeit und die Medikamente zurück, die er seit seiner Festnahme bekommt. Die Frage, wie lange die Krankheit noch andauern werde, beantwortete der 33-Jährige mit: „Da vertraue ich auf die Ärzte. Ich habe jetzt schon sehr, sehr lange keine Stimmen mehr gehört.“ Früher habe er dagegen „in einer Fabelwelt gelebt“.

Das ist insofern von Bedeutung, als der Uniassistent dann aus dem Maßnahmenvollzug zu entlassen ist, wenn er von Experten als ungefährlich eingestuft wird und von ihm keine Straftaten mit schweren Folgen mehr zu erwarten sind. Dass die zwangsweise Anhaltung nicht die Zeit übersteigen dürfte, die der Mann im Gefängnis abzusitzen hätte, wenn er zurechnungsfähig und damit wohl als Mörder verurteilt worden wäre - die Mindeststrafe dafür beträgt zehn Jahre Haft -, ließ der Psychiater deutlich durchblicken: „Es wird sicherlich nicht zehn Jahre stationäre Behandlung brauchen.“

Der Mann habe aufgrund seiner Krankheitseinsicht und der Therapie „eine sehr positive Entwicklung genommen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er in so kurzer Zeit eine so deutliche Besserung erfährt“, sagte der Sachverständige. Abgesehen von „Tendenzen zu Größenfantasien“ und einem „phasenweise Auftauchen von Wahnvorstellungen“ ortete Dantendorfer kein besonderes Gefährdungspotenzial, sofern der Akademiker seine Medikamente nicht absetzt.

Link: