Koalition: SPÖ verhandelt mit Grünen

Eine Neuauflage von Rot-Grün rückt näher: Die Wiener SPÖ wird mit den Grünen in Koalitionsverhandlungen eintreten. Das hat Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) nach dem Parteivorstand der Sozialdemokraten verkündet.

Der Beschluss erfolgte einstimmig, wie Häupl nach der Gremiensitzung im Gespräch mit Journalisten berichtete. Stehen soll die Regierung bis Mitte November, da spätestens zu diesem Zeitpunkt das Budget für 2016 beschlossen werden müsse, wie Häupl ausführte - wobei er die Verhandlungen als ergebnisoffen bezeichnete.

Keine Parallelverhandlungen

Sollte es mit den Grünen keine Einigung geben, würden wohl Gespräche mit der ÖVP folgen. Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ bzw. eine Dreierkoalition unter Einbeziehung von NEOS hat der Stadt-Chef hingegen stets ausgeschlossen. Die SPÖ hatte zuvor bereits bestätigt, dass man sich - zunächst - nur mit einer Partei an einen Tisch setzen wird. Parallelverhandlungen hat Häupl zuletzt wiederholt ausgeschlossen.

Maria Vassilakou (Grüne), Michael Häupl (SPÖ)

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Eine Neuauflage von Rot-Grün wird immer wahrscheinlicher

Auch das rote Verhandlungsteam ist schon fixiert: Neben Bürgermeister Michael Häupl werden Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler, Klubobmann Rudolf Schicker, Finanzstadträtin Renate Brauner und - bei Themen - auch der jeweilige Stadtrat mit den Grünen debattieren. Der Modus der Verhandlungen soll noch diese Woche festgelegt werden.

Keine „unüberwindlichen Hindernisse“

Nach seinen ersten Sondierungsgesprächen gehe er zur Stunde davon aus, dass eine neue Regierung bis Mitte November stehen könne, betonte Häupl. Denn er sehe „nicht wirklich unüberwindliche Hindernisse“, bestenfalls „Meinungsverschiedenheiten“. Von den Konflikten der vergangenen Legislaturperiode sehe er die Gespräche jedenfalls nicht belastet: „Wenn es in einer Koalition keine Konflikte gäbe, dann wäre das schön fad.“

Allerdings wolle er diesmal durchaus Dinge anders machen: „Wir werden bestimmte Dinge, von denen man ausgehen kann, dass die konfliktträchtig sind, viel genauer und sorgfältiger festlegen“, erklärte Häupl. Im neuen Koalitionsabkommen werde man beispielsweise sicherlich keine Einsetzung einer Arbeitsgruppe zum Wahlrecht finden, sondern diese Frage vielmehr „sorgfältig abhandeln“.

Häupl

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Die Tür zur ÖVP möchte Häupl nicht ganz zuschlagen

Keine Aufstockung der Stadtregierung

Ein kleines Hintertürchen Richtung ÖVP will sich der Stadtchef sichtlich dennoch offenhalten. So wollte er die Entscheidung für die Grünen bis auf den Vorteil der „sehr stabilen Mehrheit“ nicht begründen. „Ersparen Sie mir das“, plädierte er. „Wenn ich das beantworte, müsste ich auch beantworten, warum ich mit der ÖVP derzeit nicht verhandeln will - und das führt in keine gute Richtung“, meinte Häupl. „Es geht nicht darum, Türen zuzuwerfen“, präzisierte er danach. Schon allein aus verhandlungstaktischen Gründen wolle er das nicht.

Über Stadtratsposten sei heute noch nicht gesprochen worden, meinte der SP-Landeschef. Fest steht derzeit nur: Eine Aufstockung des Stadtsenats (derzeit zwölf Mitglieder, Anm.) werde es nicht geben, wie Häupl betonte. Eine Neuaufteilung der Ressorts ergebe sich daher praktisch von selbst: „Wenn wir die Anzahl der Stadträte nicht erhöhen, was ich nicht beabsichtige zu tun, dann verliert die SPÖ einen. Dann ergeben sich Umschichtungen von selbst“, erklärte Häupl - mehr dazu in Häupl will Regierungsressorts neu aufteilen.

Personalentscheidungen erst am Schluss

Details wollte der Bürgermeister am Dienstag allerdings noch keine nennen, das sei ebenso wie das Amt des Vizebürgermeisters „Verhandlungsgegenstand“. Dadurch dass die FPÖ mehr als ein Drittel der Mandate für sich verbuchen konnte, steht ihr einer der beiden Vizebürgermeisterposten automatisch zu. Auch bei inhaltlichen Details hielt sich Häupl bedeckt: „Es ist kein guter Stil, dem Partner diese Dinge über die Medien auszurichten.“

Und Personalentscheidungen stünden überhaupt an letzter Stelle der Verhandlungen - nach Richtungsentscheidungen und der neuen Verteilung der Ressorts. „Mega-Ressorts“ seien jedenfalls alle - ein „Über-Drüber-Ressort“ wollte Häupl auch nicht erkennen. „Über-Drüber ist der Bürgermeister“, meinte er.

„Neues Kapitel“ für Wien

Verteilt wurde am Dienstag auch ein Papier, in dem die „Grundsätze der sozialdemokratischen Verhandlungsposition“ ausgeführt wurden. Inhaltliche Festlegungen waren darin jedoch nicht enthalten. Stattdessen wurde klargestellt, dass man daran denke, ein „neues Kapitel“ für Wien zu schreiben. Denn, so hieß es, das Signal der Wähler sei deutlich ausgefallen. „Wir müssen etwas verändern“, konstatiert die SPÖ. Die Menschen würden wollen, dass Probleme „offen angesprochen“ werden. „Ich stehe dazu, dass das Wahlergebnis kein Auftrag ist, alles so zu lassen, wie es ist“, betonte auch Häupl.

„Wir haben das in den letzten Wochen deutlich bei der Organisation der Flüchtlingssituation gezeigt. Wir haben nichts beschönigt und uns mit einer klaren Haltung für Menschlichkeit den Herausforderungen gestellt“, wird in dem Papier an die Bewältigung der Flüchtlingsströme erinnert. Es sei „gemeinsam Solidarität gelebt“ worden. Nun müsse man die Politik des gesellschaftlichen Zusammenhalts in der täglichen Arbeit stärken - und jenen Menschen, die den Anschluss an die Gesellschaft zu verlieren drohen, partnerschaftlich die Hand reichen.

Häupl

APA/HELMUT FOHRINGER

Politik und Zivilgesellschaft müssten stärker kooperieren: „Diese Antriebskraft brauchen wir auch für die traditionellen Strukturen unserer Arbeit“, heißt es in dem Papier. Auch das Magistrat müsse sich den Bedürfnissen der Menschen und der Dynamik unseres gesellschaftlichen Lebens anpassen, wurde konstatiert.

Grüne: „Verhandlungen auf Augenhöhe“

Die Grünen haben die SPÖ-Ankündigung mit ihnen verhandeln zu wollen, mit Wohlwollen aufgenommen. „Wir gehen davon aus, dass die Verhandlungen fair, ehrlich und auf Augenhöhe verlaufen werden“, so Vassilakou - die am Dienstag auch bereits ein „Kernverhandlungsteam“ präsentierte. Neben ihr selbst werden darin Klubobmann David Ellensohn, Landesgeschäftsführerin Angela Stoytchev, Landessprecher Georg Prack, die stellvertretende Klubobfrau Jennifer Kickert und Budgetsprecher Martin Margulies vertreten sein.

Die SPÖ wisse, was sie mit den Grünen bekomme, nämlich mutige Regierungsarbeit mit Handschlagqualität, versprach Klubchef David Ellensohn: „Für uns sind Fragen der Bildung, des leistbaren Wohnens, der Lebensqualität und der Menschenrechte ganz zentral. Wir wollen eine Stadt der Menschlichkeit und des sozialen Zusammenhalts. Das haben wir vor, während und auch nach dem Wahlkampf deutlich gesagt.“ Wichtig sei nun vor allem, dass die Verhandlungen in diesen Bereichen klare Ziele für Wien 2020 hervorbrächten, befand Ellensohn.

ÖVP nicht überrascht über Entscheidung

Die ÖVP - die nun jedenfalls vorerst nicht zum Zug gekommen ist - gab sich nicht wirklich überrascht. Man habe die Entscheidung erwartet, erklärte der neue Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel. Wobei er keinen Hehl daraus machte, dass ihm ein anderes Ergebnis lieber gewesen wäre: „Dass wir keine Freunde von Rot-Grün sind, ist kein Geheimnis.“ Denn Rot-Grün habe die Stadt zwar um eine Fußgängerzone reicher, die Menschen hingegen um „viele wirkliche Zukunftsthemen“ ärmer gemacht.

„Vermutlich war für die SPÖ ausschlaggebend, dass die Grünen wirklich alles dafür tun würden, um wieder in der Regierung zu sein - auch wenn dafür alle eigenen Überzeugungen über Bord geworfen werden“, mutmaßte der Chef der Stadt-Schwarzen. Sollte der Bürgermeister mit den Grünen auf keinen „grünen“ Zweig kommen, sei man aber weiter gesprächsbereit. Wenn auch mit einer Einschränkung: Eine Koalition um der Koalition willen werde es mit der ÖVP nicht geben, stellte Blümel klar.

Bei einer ÖVP-Regierungsbeteiligung wäre „Wirtschaft und Arbeit“ das zentrale Thema für die kommenden fünf Jahre. Vorbereiten wolle man sich für den Fall der Fälle jedenfalls - wobei etwaige Verhandlungs-Eckpunkte im Landesparteivorstand besprochen werden sollen, wie es heute hieß.

NEOS erwartet keine „großen Würfe“

Eine Koalition zwischen SPÖ und ÖVP scheint aufgrund der hauchdünnen Mehrheit von nur einem Mandat weiterhin unwahrscheinlich. „Da muss nur einer krank werden“, sagte der langjährige Spitzenfunktionär der Wiener SPÖ Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Dies müsse man bei der Koalitionsentscheidung mit bedenken.

Wenig überrascht zeigte sich auch NEOS über die rot-grünen Verhandlungen. Fünf Jahre „more oft the same“ dürfe es aber nicht geben, so NEOS-Wien-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger in einer Aussendung, das wäre eine „klare Missachtung des Wählerwillens.“ Große Würfe seien aber nicht zu erwarten: „Dass sich die Grünen in den Koalitionsverhandlungen billig hergeben werden, um an der Macht zu bleiben, ist abzusehen“, so Meinl-Reisinger.

„Der grüne Schwanz wird weitere fünf Jahre mit dem roten Hund wedeln“, kommentierte FPÖ-Wien-Klubobmann Johann Gudenus die Entscheidung. Die FPÖ fühlt sich übergangen, knapp 70 Prozent der Wiener hätten für eine rot-blaue Regierung gestimmt: „Mit einem Regierungspartner FPÖ hätte sich in der Stadt etwas bewegt, doch der Mut dazu hat dem Bürgermeister wohl gefehlt“, so Gudenus.

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