Gedenken an November-Pogrome

Zum 77. Mal jähren sich die November-Pogrome von 1938. In Wien wurden Tausende Juden vertrieben oder verschleppt, ihre Geschäfte geplündert und Synagogen angezündet. Zahlreiche Veranstaltungen erinnern daran.

Die Pogrome werden heute noch oft mit dem Nazi-Ausdruck „Reichskristallnacht“ bezeichnet. Für viele Historiker markieren sie den Beginn der Shoa, der gezielten Auslöschung der jüdischen Bevölkerung. In Österreich wurden in der Nacht auf den 10. November 1938 insgesamt 30 Juden getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 sofort ins Konzentrationslager Dachau deportiert. „Es wurden Tausende Juden in den Sofiensälen inhaftiert, unter entsetzlichen Bedingungen“, sagte der Historiker Oliver Rathkolb.

Allein in Wien 42 Synagogen in Brand gesteckt

Die gezielten Ausschreitungen nach der Aktivierung der SS-Ortsgruppen beschränkten sich allerdings nicht auf eine Nacht, sondern dauerten mehrere Tage an. Allein im „Kreis Wien I“ wurden 1.950 Wohnungen zwangsgeräumt und 42 Synagogen in Brand gesteckt und verwüstet. Hunderte Juden begingen Suizid. In Wien begann die Gewalt am 9. November 1938 bereits in der Früh, sagt Rathkolb: „Nicht nur in Wien, sondern auch in Graz und Innsbruck wurde schon in der Früh versucht, durch das Zünden von Handgranaten Synagogen zu zerstören.“

Dass der 1826 eingeweihte Stadttempel in Wien im November 1938 nicht niedergebrannt wurde, liegt an dessen enger Verbauung mit den umgebenden Häusern in der Wiener Innenstadt. Der Innenraum wurde zwar verwüstet und entweiht, das Gebäude selbst blieb aber erhalten.

Bundespräsident legte Kranz nieder

Anlässlich des Gedenktages finden in Wien zahlreiche Veranstaltungen statt. Bundespräsident Heinz Fischer legte am Vormittag am Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa auf dem Judenplatz einen Kranz nieder. Im Rahmen der Gedenkreihe „Mechaye Hametim“ stand um 19.00 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst in der Wiener Ruprechtskirche im Zentrum der Erinnerung an die Ereignisse vor 77 Jahren. Anschließend war ein Schweigemarsch zum Mahnmal für die jüdischen Opfer auf dem Judenplatz vorgesehen - mehr dazu in religion.ORF.at.

Am ehemaligen Aspangbahnhof im dritten Bezirk fand ebenfalls am Abend eine Mahnwache statt. „Niemals vergessen, nie wieder Faschismus“ - unter diesem Motto gedachte die Initiative Aspangbahnhof der Opfer, die von hier aus in Konzentrationslager deportiert wurden.

Bilder und Geschichten von Zeitzeugen

Am Dienstag laden das Theater Nestroyhof hamakom und der Jewish Welcome Service zu einer Buchpräsentation und einer Vernissage ein. Im Buch „witness - Realities of Forced Emigration 1938 – 1945“ und der gleichnamigen Ausstellung porträtiert der Fotograf Meinrad Hofer emigrierte Zeitzeugen - unter anderen die Wiener Fotografin Liesl Steiner, die am Dienstagabend anwesend sein wird.

„Hofer erkundet in seiner Arbeit Witness die Lebensumstände und Erlebnisse österreichischer Juden, die zwischen 1938 und 1945 unter dem Druck der Nazis ihre Heimat verließen und in die USA auswanderten“, heißt es dazu in der Einladung.

Am Mittwoch gibt es einen Vortrag und ein Gespräch zur „Vertreibung von jüdischen Studierenden der Wiener Hochschule für Welthandel nach 1938“. Präsentiert werden die Forschungsergebnisse von Johannes Koll, Leiter des Archivs der Wirtschaftsuniversität Wien. Otto Friedrich von der Wochenzeitung „Die Furche“ interviewt im Anschluss den Zeitzeugen und Absolventen der Wiener Hochschule, Heinz Kienzl. Beginn ist um 19.00 Uhr im Otto-Mauer-Zentrum.

Links: