Vienna Art Week mit Bezug auf Flüchtlingskrise

In der Hauptausstellung der am Montag begonnenen Vienna Art Week setzt sich „Creating Common Good“ mit dem Thema Gemeinwohl auseinander. Einige Exponate nehmen dabei Bezug auf die Flüchtlingskrise.

Als Generalmotto für „Creating Common Good“ haben die Kuratoren Robert Punkenhofer und Ursula Maria Probst im Kunst Haus Wien „Raus mit der Kunst aus dem Elfenbeinturm und hinaus mit ihr auf die Agora“ gewählt. Die 35 internationalen Kunstpositionen zeigen ein breites Spektrum von der Auseinandersetzung mit Gesellschafts- und Wirtschaftstheoretikern, über das Aufgreifen gesellschaftlicher Gegenutopien bis zur Geldschreddermaschine von Ernst Logar. Um Geld dreht sich auch eine Arbeit der Spanierin Teresa Estape: Sie versteckt es unter an die Wand gepinnten Papierbögen.

Start der Vienna Art Week

Die Vienna Art Week will heuer auch klar machen, wie Kapitalismus und Terror unsere Welt negativ verändern.

Exponate thematisieren Flüchtlingskrise

Einer der Ansprüche beim Zusammenstellen der Ausstellung sei gewesen, auch die aktuelle Situation miteinzubeziehen, sagte Probst: „An diesem Anspruch bin ich gescheitert.“ Das liege einerseits an der sich rasch verändernden Lage, anderseits an der geringen Reaktionszeit. Nicht aber an den Künstlern: „Die schauen keineswegs weg. Die junge KünstlerInnengeneration denkt sehr politisch.“

A Delicate Hope von Johanna Tinzl

Vienna Art Week/Johanna Tinzl

„A Delicate Hope“ von Johanna Tinzl

Und doch nehmen einige Exponate unmittelbar Bezug auf Flüchtlingskrise und Zivilgesellschaft. Markus Hiesleitner etwa arbeitete bei einem Holzregalobjekt mit einem afghanischen Flüchtlingsbuben zusammen, der mit seiner Familie in die Wohnung der verstorbenen Großmutter Hiesleitners einzog. Lisl Ponger stellte für die Fotos ihrer Serie „Wir sind viele - quod erat demonstrandum“ („was zu beweisen war“) Demonstrationssituationen nach, sie zeigt dazu ein Making-of-Video. Barbara Holub und Paul Rajakovics beschäftigen sich mittels Spielsteinen mit Wünschen und Ängsten des interkulturellen Zusammenlebens.

Ausstellungshinweis

„Creating Common Good“, von 17. November bis 10. Jänner, Kunst Haus Wien, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr

Im Rahmen der Ausstellung hält die US-amerikanische Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Saskia Sassen am Freitag (20. 11., 18.00 Uhr) eine Lecture in englischer Sprache, bei der es um die Auswirkungen der wachsenden Ungleichheit und der steigenden Arbeitslosigkeit auf die Gesellschaft geht. Danach weiß man vermutlich konkreter, was man auf die Wunschwand schreiben kann, die Teil der Ausstellung ist. Eine der Fragen lautet: „Wovor haben Sie Angst?“

Punkenhofer: „Appell für Engagement“

Das Motto „Creating Common Good“, also „Gemeinwohl schaffen“, hätten die Kuratoren bereits vor einem Jahr festgelegt: „Und es ist erstmals ein Thema, von dem ich mir denke, dass es mit jedem Tag aktueller wird“, so der künstlerische Leiter Punkenhofer, „die Art Week ist heuer ein Appell für Engagement.“

Lucy and George Orta, Antarctic Village-No Borders

Vienna Art Week/Thierry Bal/Direccion Nacional del Antarctico

Lucy und Jorge Orta: „Antarctic Village - No Borders“

Nicht nur die herrschende Flüchtlingskrise oder die jüngsten Attentate in Paris ließen die alte Frage nach dem Gemeinwesen überaus aktuell erscheinen. „Mein Zugang ist ein persönlicher. Ich bin mit 25 Jahren von der Insel der Seligen Österreich nach Venezuela gegangen und habe später auch in Mexiko gelebt. Ich bin dort mit systemischer Korruption, Kinderarmut, Oligarchien, Arbeitslosigkeit und anderem konfrontiert worden. Seit fünf Jahren lebe ich in Spanien. In dieser Zeit habe ich das Gefühl bekommen, diese Themen sind mitten in Europa angekommen. In Spanien gibt es 25 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, Griechenland gilt heute als ‚failed state‘“, so Punkenhofer.

„Wir leben in einer Zeit, in der ein gewaltiger Umbau in der Gesellschaft stattfindet. Wir müssen uns die Frage stellen: Welche Kunst ist unserer Zeit gemäß? Viele wollen raus aus der Dekorationsfalle“, sagte der Direktor des Museums für angewandte Kunst (MAK), Christoph Thun-Hohenstein. Bei der Art Week gibt es erste Orientierungen, wenn am Dienstag, bei einem Symposium im MAK die Frage gestellt wird: „Kann Kunst die Welt verbessern?“

72 Künstler bei Open Studio Day

Unter den über 200 bis 22. November angebotenen Veranstaltungen befänden sich auch zahlreiche Ausstellungseröffnungen, hob Martin Böhm hervor. Der Präsident des veranstaltenden Art Cluster Vienna freue sich über „das Zusammenwirken von über 60 Partnern“, von den großen Museen bis zur Offszene, von den Ausbildungsstätten bis zu den Galerien. „Vor allem für die kleineren Institutionen ist die Art Week wichtig, weil sie Sichtbarkeit gibt“, so Böhm. Wien habe eine fantastische, vielfältige Kunstszene, die mit dem Festival zeigen wolle: „Wien ist wirklich eine Kunststadt.“

Der Open Studio Day findet am 21. November statt - 72 Künstler halten an diesem Tag ihre Ateliers offen. Neu im Programm ist das Format Family Art Day am Sonntag. Auf wenig Gegenliebe stieß offenbar die bei der Pressekonferenz vor einem Jahr kreierte Idee, stärker mit den Wiener Festwochen zusammenzuarbeiten. Die Vienna Art Week wurde 2004 gegründet und hatte im Eröffnungsjahr 400 Besucher. Im Vorjahr wurden rund 35.000 Besucher gezählt.

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