Wiener Wahlrecht passiert Ausschuss

Mit den Stimmen von SPÖ und Grünen ist am Mittwoch im zuständigen Ausschuss das neue Wiener Wahlrecht mit halbiertem mehrheitsfördernden Faktor beschlossen worden. Endgültig beschlossen wird im Landtag am 17. Dezember.

Die Rathaus-Opposition votierte im Ausschuss gegen die Änderung, teilte das Büro des seit kurzem auch für Wahlen zuständigen Kulturstadtrats Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) der APA mit. FPÖ, ÖVP und NEOS dürfte der rot-grüne Entwurf nicht weit genug gegangen sein. Sie hatten sich in der Vergangenheit wiederholt für die komplette Abschaffung jenes Faktors ausgesprochen, der stimmenstarke Parteien bei der Mandatsberechnung überproportional begünstigt.

Ebenfalls Teil der Wahlrechtsänderung ist eine Verbesserung für Briefwähler. Sie haben dank Ausweitung des Zeitraums für die Ausstellung und Rücksendung von Wahlkarten künftig drei statt zwei Wochen Zeit, wobei die Briefstimme aber jedenfalls bis zum Wahltag einlangen muss.

Halbierung des mehrheitsfördernden Faktors

Kernstück des neuen Wahlrechts, auf das sich die rot-grüne Stadtregierung im Koalitionsabkommen festgelegt hat, ist eine Änderung der Berechnungsformel, nach der - ausgehend vom jeweiligen Wahlergebnis einer Fraktion - die Anzahl ihrer Mandate ermittelt wird. Jahrelanger Zankapfel zwischen SPÖ und Grünen war dabei jener „Verzerrer“, der stimmenstarke Parteien überproportional bei der Mandatszuteilung begünstigte. Die Roten wollten daran nicht herumschrauben, die Grünen plädierten für eine gänzliche Abschaffung.

Getroffen hat man sich in der Mitte: Der Faktor wird nun halbiert. Welchen Einfluss die neue Methode hat, lässt sich zeigen, wenn man das Wahlergebnis vom 11. Oktober nach der künftigen Formel umrechnet. Die SPÖ hätte folglich nicht 44 Mandate, sondern nur 42. Die FPÖ hätte ebenfalls zwei Mandate weniger und käme auf 32 statt 34 Mandate. Folglich stünde den Blauen auch kein Vizebürgermeisteramt zu, da man auf dieses erst ab einem Drittel der insgesamt 100 Mandate Anspruch hat.

Was die großen Parteien verlieren, kommt den kleinen zugute. Nach neuer Berechnung kämen die Grünen auf elf statt zehn, die ÖVP auf neun statt sieben und die NEOS auf sechs statt fünf Mandate. Die rot-grüne Stadtregierung hätte somit insgesamt eine etwas dünnere Mehrheit und hielte 53 statt aktuell 54 Mandate.

Von „stärkerer Demokratie“ und „fairem Wahlrecht“

„Mit dem neuen Wiener Wahlrecht werden die Vereinbarungen des Regierungsübereinkommens konsequent umgesetzt. Das moderne Wahlrecht stärkt die Demokratie und erleichtert es den Wienerinnen und Wienern, die Zukunft der Stadt mitzubestimmen“, erklärte der zuständige Stadtrat für Kultur, Wissenschaft und Sport, Andreas Mailath-Pokorny.

Wir sind einem fairen Wahlrecht heute ein großes Stück näher gekommen“, so Grünen-Klubobmann David Ellensohn über den Beschluss von SPÖ und Grünen. Mit einem Wahlrecht, das nur mehr einen mehrheitsfördernden Faktor von 0,5 aufweist, sei ein Schritt in Richtung mehr Demokratie gemacht worden. Was noch zu tun bleibe: 350.000 EU-Bürger und Drittstaatsangehörige sind in Wien nach wie vor von den Landtagswahlen ausgeschlossen.

FPÖ, ÖVP und NEOS nicht zufrieden

"Für die Wiener FPÖ ist das nicht mehr als ein typisch grüner Umfaller“, erinnerte der Klubchef der Wiener FPÖ, Dominik Nepp, an die notariell beglaubigte Urkunde, die von Blau, Schwarz und Grün im Jahr 2010 unterzeichnet wurde und in der man sich für ein modernes Verhältniswahlrecht ausgesprochen hatte. Die FPÖ lehne jeden Mehrheitsfaktor ab und werde im Landtag gegen den Beschluss stimmen.

Die Sehnsucht der Bürgerinnen und Bürger sich in wesentlichen Fragen einzubringen und in letzter Konsequenz auch mitzuentscheiden sei groß, so ÖVP-Landesparteiobmann Gernot Blümel. Mit der rot-grünen Reform des Wiener Wahlrechts werde diesem Anspruch in keiner Weise genüge getan. Ein umfassendes Demokratiepaket sehe definitiv anders aus.“

NEOS spricht sich in seiner Reaktion prinzipiell gegen Wahlrechtsmodelle aus, die nur dazu dienen, die Macht der etablierten Großparteien abzusichern. Gefordert wird unter anderem, den mehrheitsfördernden Faktor zu streichen sowie die Hürde für den Einzug neuer Parteien von fünf auf drei Prozent zu senken.